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# taz.de -- „Der steht dann auch erst mal nicht mehr auf“
> Auf der „Enforce Tac“, der Internationalen Messe für behördliche
> Sicherheit in Nürnberg, gibt es alles, was das Aufstandsbekämpfungsherz
> begehrt
Bild: „Nichttödliche Aufstandsbekämpfungswaffe“ FN 303
Aus Nürnberg Laura Meschede
Die ganze Zeit hat der Mann mit erhobenen Händen brav am Bildschirmrand
gestanden. Jetzt zieht er plötzlich eine Waffe, hält sie mit der rechten
Hand nach unten und rennt. Hektisch. Ein bewaffneter Fluchtversuch. Der
Schütze legt an, zielt und – „Halt! Der läuft weg, den darfst du nicht
erschießen!“, ruft der Aussteller. Zu spät. Den Falschen erschossen – Game
over.
Der Schütze, offenbar ein ausländischer Soldat, legt die Übungswaffe zurück
auf den Simulator und tauscht einen Blick mit dem amerikanischen
Aussteller. Der grinst entschuldigend. „Wir sind hier in Deutschland, man
darf hier niemandem in den Rücken schießen“, sagt er auf Englisch. „O.
k.?“, sagt der Schütze und schaut ein wenig ungläubig. Die beiden Männer
lachen.
Es ist der erste Tag der „Enforce Tac“, der Internationalen Messe für
behördliche Sicherheit in Nürnberg, und für Journalisten ist das gerade vor
allem deshalb interessant, weil wir alle noch die Diskussion in den USA
über Schusswaffen im Ohr haben. Dort, das ist in Deutschland weit bekannt,
sitzt der Abzug locker. Das ist selbstverständlich in der Bundesrepublik
ganz anders. Zumindest scheint das so. Hier auf der Messe in Nürnberg sind
jedenfalls sogar inmitten der Dutzende Waffenstände alle so eher irgendwie
pazifistisch eingestellt. Zumindest an den Ständen mit den nichttödlichen
Waffen.
„Wäre das nicht toll, wenn alle bei Problemen immer nur noch Pfefferspray
verwenden würden?“, fragt der Mann vom Original TW1000-Stand und deutet auf
eine feuerlöscherähnliche Flasche, aus der Pfefferspray mittels eines
überdimensionalen Schlauches abgegeben werden kann. „Dann müssten alle nur
ein bisschen weinen und dann könnte man sich wieder vertragen.“
Die Pfefferspray-Feuerlöscher-Variante, die er an seinem Messestand
anpreist, kann 10 Liter Pfefferspray innerhalb von 20 Sekunden abgeben.
„Durchaus auch im breiten Strahl.“ Die Militärpolizei hat bereits Interesse
angemeldet. „Wollen Sie mal testen?“
Testen kann man das Pfefferspray in Gummibärchen-Form, ein Werbegeschenk.
„Achtung: Nicht geeignet für Kinder!“, steht auf der Packung. „Die
schmecken genau wie unser Spray!“, sagt der Mann und grinst. „Scharf macht
glücklich! Deshalb nennen wir unser Spray auch das ‚Happy Spray‘!“
Noch mehr Aufstandsbekämpfung ohne Tote gibt es ein paar Stände weiter: Die
„FN303“, optisch eine Mischung aus Sturmgewehr und Paintball-Pistole, ist
zwar als Waffe kategorisiert, aber der Aussteller rechnet trotzdem mit
einer Zulassung „in den nächsten paar Monaten“. Dann könnte das Gerät, d…
– Zitat Prospekt – „die Lücke zwischen Schlagstock und Schusswaffe“
schließt, auch auf Demonstrationen eingesetzt werden.
„Es gibt mehrere Landespolizeien in Deutschland, die sich dafür
interessieren“, verrät der Aussteller, der nur bedauert, dass das Gerät,
mit dem Farb- und Reizgaspatronen verschossen werden können, noch nicht zum
G20-Gipfel zugelassen war. „Wenn Sie da jemanden mit treffen, dann sackt
der zusammen und der steht dann auch erst mal nicht mehr auf.“ Das täte
„richtig weh, nicht nur so ein bisschen wie bei einem Taser“. Ins Gesicht
schießen solle man nicht damit, sonst könne das mit den ausbleibenden Toten
nicht mehr garantiert werden, warnt der Aussteller. Aber er ist sich
sicher: „Das sind ja alles gute Schützen.“
Gebraucht würden die neuen Waffen, die im Prospekt „weniger tödliche“
Waffen genannt werden, nicht nur auf Demonstrationen, sondern „überall, wo
die anderen unbewaffnet sind“, erläutert der Experte. Zum Beispiel im
Gefängnis: „Da schießt du im Knast zweimal mit und danach gilt bei Stress:
Wenn du das rausholst, dann ist Ruhe im Stall.“
In Deutschland wird man nicht so einfach erschossen. Am Rheinmetall-Stand
gibt es Schock- und Blendgranaten. Keine Panzer. Vielleicht war der Weg
nach Nürnberg aus der Türkei zu weit. Deutschland, Hort des Friedens neben
den verrückten Amerikanern.
9 Mar 2018
## AUTOREN
Laura Meschede
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