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> Aufstehen, ihr Igel: In den kommenden Wochen und Monaten erwachen | |
> zahlreiche Säugetiere aus dem Winterschlaf. Aber warum halten sie den | |
> überhaupt? Schlafen sie durch? Und was machen die Frösche? 11 Fragen und | |
> Antworten | |
Von Ulrike Stegemann | |
1Es gibt Tiere, die verdösen ihr halbes Leben im Winterschlaf. Warum machen | |
sie das? | |
Weil sie im Winter zu wenig Nahrung zum Überleben finden. Zudem sind | |
Säugetiere und Vögel gleichwarme Tiere, die ihre Körpertemperatur | |
unabhängig von der Außentemperatur regulieren. Um ihren Körper konstant | |
warm zu halten, brauchen sie Energie – und wenn es kalt ist, umso mehr. Der | |
Winterschlaf hilft also doppelt dabei, einer lebensbedrohlichen Nahrungs- | |
und Energieknappheit zu entgehen. | |
2Doppelt? Was hat die Körpertemperatur denn mit dem Winterschlaf zu tun? | |
Während des Winterschlafs schlafen die Tiere nicht im klassischen Sinn. | |
Vielmehr fährt ihr Körper – selbstkontrolliert – lebenserhaltende | |
Funktionen wie Körpertemperatur, Herzschlag und Stoffwechsel stark | |
herunter. So wird der Energiebedarf um 99 Prozent reduziert. Eine Art | |
Stand-by-Modus, der auch Torpor genannt wird. | |
3Torpor? | |
Das ist lateinisch für „Erstarrung, Betäubung“. Den Torpor beherrschen | |
allerdings nur gleichwarme Tiere, also Säugetiere und Vögel. Es gibt | |
übrigens auch den sogenannten Tagestorpor, bei dem der Stoffwechsel nur für | |
eine kurze Zeit heruntergedimmt wird. Bei klassischen Winterschläfern wie | |
Fledermäusen, Igeln, Murmeltieren oder auch Siebenschläfern dauert er aber | |
viele Monate. | |
4Das heißt, Igel & Co. schlafen dann von Oktober bis März durch? | |
Nicht ganz. Auch Tiere, die Winterschlaf halten, haben sogenannte | |
periodische Aufwärmphasen. Heißt: Sie wachen zwischendurch immer wieder | |
kurz auf und fahren die Körpertemperatur hoch, sie ändern die | |
Schlafposition, geben Kot und Urin ab, fressen aber nichts. Werden sie | |
jedoch durch äußere Einwirkungen zu oft geweckt, kann das aufgrund des | |
Energieverlusts beim Aufwärmen mit dem Hungertod enden. | |
5Auch im Winter sieht man aber immer wieder Tiere im Garten. Halten | |
Eichhörnchen etwa keinen Winterschlaf? | |
Es gibt noch eine andere Art, die kalte Jahreszeit zu überstehen: die | |
Winterruhe. Die halten unter anderem Braunbären, Dachse, Eichhörnchen und | |
Waschbären. Dabei sinken Körpertemperatur und Herzschlag weniger stark als | |
bei den Winterschläfern. Außerdem wachen die Tiere häufiger auf und suchen | |
sogar hin und wieder nach Nahrung – je nach Temperatur. In Zooanlagen, wo | |
die Bären regelmäßig gefüttert werden, fällt die Winterruhe komplett aus. | |
In Sibirien ist es wiederum so kalt, dass Braunbären bis zu sieben Monate | |
in ihren Höhlen bleiben. | |
6Woher wissen die Tiere eigentlich, dass es so weit ist? Schauen sie in den | |
Kalender? | |
Ganz geklärt ist diese Frage nicht. Der Beginn des Winterschlafs ist von | |
verschiedenen Faktoren abhängig. Die Kombination aus geringerem | |
Nahrungsangebot, sinkenden Temperaturen und kürzeren Tagen löst wohl ein | |
hormonellen Zustand aus, der den Winterschlaf „einleitet“. Weniger Sonne | |
führt zu einer geringeren Produktion von körpereigenem Vitamin D, was | |
wiederum zur Ausschüttung jener Hormone führt, die den Körper erstarren | |
lassen. Auch die innere Uhr spielt wohl eine Rolle. | |
7Wir reden immer nur über Säugetiere. Was ist mit den Vögeln? | |
Die einzige Vogelart, die Winterschlaf hält, ist die nordamerikanische | |
Winternachtschwalbe. Die Überlebensstrategie vieler Vögel ist es, im Herbst | |
in südlichere, wärmere Regionen zu fliegen. Die dagebliebenen Vögel passen | |
ihren Speiseplan an: statt Insekten gibt es dann Samen oder Körner. Bei | |
sehr kalten Temperaturen können sie aber auch in den Tagestorpor fallen und | |
sich so durch das temporäre Herunterfahren des Stoffwechsels und der | |
Körpertemperatur schützen. | |
8Und die Frösche, was machen die, wenn es kalt wird? | |
Die halten keinen Winterschlaf. Denn als wechselwarme Tiere entspricht ihre | |
Körpertemperatur der Außentemperatur, weshalb sie bei Kälte zur | |
Reglosigkeit erstarren, genau wie Fische, Reptilien und andere Amphibien. | |
Diesen Zustand nennt man Winterstarre. Frösche vergraben sich | |
beispielsweise im Schlamm. Mit wärmeren Temperaturen im Frühling erwachen | |
sie dann wieder. Anders als beim Torpor wird dieser Zustand aber nicht | |
eigenständig herbeigeführt und ist nicht kontrollierbar. | |
9Wenn Menschen, beispielsweise krankheitsbedingt, länger ruhen müssen, | |
leiden sie schnell unter Muskelschwund. Gibt es beim Winterschlaf ähnliche | |
Nebenwirkungen? | |
Durch den Abbau von Fettpolstern specken die Tiere zwar ab, die Muskeln | |
aber bleiben. Eine Studie zeigte, dass Schwarzbären trotz Winterruhe | |
mehrmals täglich unbewusst ihrer Muskeln anspannen. So erhalten sie ihre | |
Muskelkraft. Die lange Ruhephase führt jedoch bei einigen Tieren zu | |
Gedächtnisschwund und dem Abbau von Nervenverbindungen im Gehirn: So haben | |
etwa Ziesel, eine Erdhörnchenart, in einem Experiment zuvor erlernte | |
Fähigkeiten, wie das Durchqueren eines Labyrinths, vergessen. | |
10 Trotz der Kälte grünt und blüht es dann im Frühling wieder. Halten | |
Pflanzen auch eine Art Winterschlaf? | |
Keinen richtigen Winterschlaf, aber auch Pflanzen haben verschiedene | |
Strategien, den Winter zu überstehen. Bäume werfen ihre Blätter ab und | |
lagern den Großteil der Nährstoffe in Stamm und Wurzeln ein. Eine ähnliche | |
Strategie verfolgen Schneeglöckchen. Während der Wachstumszeit lagern sie | |
Reservestoffe in ihren unterirdischen Knollen ein. Aus diesen könne sie im | |
Frühjahr Energie ziehen. Bei Stauden, wie etwa Fingerhut oder Margerite, | |
sind die Knospen im Herbst durch die Laubschicht und im Winter durch den | |
Schnee geschützt. Beim Klatschmohn oder der Kornblume überwintern wiederum | |
nur die Samen und sorgen im nächsten Jahr für neue Pflanzen. | |
11 Wo kann ich noch mehr erfahren? | |
Zum Beispiel im Buch „Das Geheimnis der Winterschläfer“ der Biologin Lisa | |
Warnecke. Es wurde 2017 bei C. H. Beck veröffentlicht. | |
3 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Stegemann | |
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