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# taz.de -- nordđŸŸthema: Gemeinsam unter einem Dach
> Baugemeinschaften sind finanziell, juristisch und menschlich eine
> Herausforderung fĂŒr alle Beteiligten. Aber sie sind auch eine echte
> Chance fĂŒr zukunftsweisende Stadtgestaltung
Bild: So sieht’s aus: Verschiedene Wohnformen und viel Natur sieht das Baupro…
Von Jördis FrĂŒchtenicht
Kinder spielen auf dem gemeinsamen Spielplatz, in einem anderen Teil des
Gartens hÀlt sich eine Rentnergruppe auf und im Gemeinschaftsraum gibt es
Yoga – wer in einer Baugemeinschaft baut, will mehr als eigenen Wohnraum.
Im schleswig-holsteinischen Bargteheide, nordöstlich von Hamburg, will eine
Baugruppe diese Idee umsetzen.
Beim Projekt „Am Krögen“ sollen von den 95 geplanten Wohneinheiten 37 von
der Baugemeinschaft realisiert werden. Der andere Teil des Areals wird von
der Raiffeisenbank Bargteheide bebaut – hier sollen Mietwohnungen und
ReihenhĂ€user entstehen. Ähnlich planen auch die privaten BauherrInnen ihren
Teil des GelĂ€ndes – vorgesehen sind drei MehrfamilienhĂ€user und mehrere
ReihenhĂ€user. 2020 sollen sie fertig sein. „Gerade befinden wir uns noch in
der Entwicklungsphase“, erlĂ€utert Tanja Christoff von der Projektberatung
Conplan, die die Baugemeinschaft betreut. „Vor Baubeginn muss das Gebiet
noch durch die Stadt Bargteheide erschlossen werden.“
Baugemeinschaften sind Gruppen von Bauwilligen, die sich zusammenfinden, um
gemeinsam GrundstĂŒcke zu kaufen und dort WohnhĂ€user zu bauen. Die spĂ€teren
BewohnerInnen tragen das Investitionsrisiko selbst. Courtage oder
Gewinnmargen, welche bei einem BautrĂ€ger hinzukommen wĂŒrden, entfallen.
Baugemeinschaften können sich in unterschiedlichen Rechtsformen
organisieren, als private Baugemeinschaft öffentlichen Rechts (GbR), als
Verein oder als Genossenschaft.
Die Gruppen können sich selbststÀndig zusammenfinden und erst danach auf
GrundstĂŒckssuche gehen – oder sie werden von Anfang an durch
Projektberatungen betreut, wie es auch in Bargteheide der Fall ist. „Die
ersten Mitglieder der Baugemeinschaft haben sich direkt bei uns gemeldet“,
berichtet Christoff. Über weitere mögliche Mitglieder entscheide nun aber
die Kerngruppe.
„Baugruppen entstehen in drei Phasen“, erlĂ€utert Eva Reinhold-Postina,
Sprecherin des Verbandes privater Bauherren (VPB). „ZunĂ€chst gibt es eine
Interessengemeinschaft, in der abgeklÀrt wird, was geht, welche Ziele es
gibt. Dann folgt die Planungsgemeinschaft, in der festgelegt wird, was
genau gebaut wird und wer was finanziert. Erst danach folgt mit Baubeginn
die Baugemeinschaft.“
Finde sich eine Gruppe von EnthusiastInnen, könne dies auch fĂŒr die
kommunale Gemeinschaft ein Segen sein, sagt Reinhold-Postina. „Gerade wenn
Objekte in der Stadt genutzt werden, die einzelne Privatpersonen nicht
wuppen könnten, etwa alte Industrieanlagen oder alte Kasernen, können
Baugruppen daraus ein attraktives Wohngebiet entstehen lassen. Das kann
auch stĂ€dtebaulich viel bewegen.“
Die Baugruppen haben hĂ€ufig ein ausgeklĂŒgeltes Konzept, sind barrierearm,
generationsĂŒbergreifend und ökologisch ausgelegt und legen Wert auf das
gemeinsame Zusammenleben. Es gibt meist von allen genutzte RĂ€ume und
GemeinschaftsgĂ€rten. „Man kann Dinge realisieren, die man sich alleine
nicht leisten kann und auch nicht fĂŒllen könnte“, meint Christoph Ernst,
Mitglied der Baugemeinschaft „Am Krögen“. So könne man etwa zusammen
Yogagruppen oder VortrĂ€ge im Gemeinschaftsraum organisieren – aber auch mal
einen Kindergeburtstag dort feiern. „Wir genießen die Gemeinschaft. Dass
man nacheinander schaut, aber zugleich auch Autonomie und EigenstÀndigkeit
hat. So etwas hat man in der Großstadt nur mit viel GlĂŒck“, erzĂ€hlt der
Familienvater, der zurzeit mit seiner LebensgefÀhrtin und den beiden
Kindern noch in Berlin wohnt. „Wir haben Lust, dass die Kinder im
Kleinstadtkontext aufwachsen.“ Gleichzeitig seien die SpielplĂ€tze in
KleinstĂ€dten hĂ€ufig leer. „Jeder ist ein bisschen im eigenen Garten
versteckt, das ist bei einer Wohngemeinschaft anders.“
Bis die nachbarschaftliche Gemeinschaft mit Leben gefĂŒllt werden kann, ist
es jedoch ein weiter Weg. „Zwei, drei Jahre Dauer muss man einplanen“, sagt
Reinhold-Postina. „Man muss durchhalten und auch die Zeit dafĂŒr haben.“ Die
Bargteheider Baugruppe trifft sich regelmĂ€ĂŸig. „Im Schnitt haben wir zwei
Termine pro Monat. Dazu kommen dann ein, zwei Mal im Jahr Tagesworkshops,
bei denen man sich auch intensiv kennenlernt. Außerdem kommunizieren wir
oft per Mail, man muss sich um Dinge kĂŒmmern“, berichtet Ernst. „Es ist
Aufwand, aber es ist machbar. Jeder kann etwas einbringen und die
Gemeinschaft so prĂ€gen und formen.“
Dabei ist Kompromissbereitschaft bei den Beteiligten wichtig. „Man muss die
Bereitschaft mitbringen, auf unterschiedliche BedĂŒrfnisse einzugehen“, so
Ernst. FĂŒr ihn sei etwa interessant, wo seine Kinder spielen können. Die
Àlteren Gruppenmitglieder hingegen möchten Bereiche, in denen sie auch Ruhe
haben. „Man braucht eine gewisse GroßzĂŒgigkeit, dann kommt man auch weit.“
„Konflikte entstehen in Kleinigkeiten. Wenn die Beteiligten bei etwas
unterschiedlicher Auffassung sind, etwa, ob bei den Klingelschildern am
Hauseingang eine Kamera angebracht wird.“, berichtet Tanja Christoff von
den Erfahrungen der Projektberatung. „Wir wollen bei Konflikten alle
weitgehend mitnehmen und einvernehmliche Lösungen finden.“ Wenn durch die
Moderation der Beratung keine interne Lösung gefunden werde, wĂŒrde zur Not
aber auch ein externer Mediator hinzugezogen.
Neben der gemeinsamen Planung ist die Finanzierung ein zentraler Aspekt,
den die Mitglieder der Baugruppe beachten sollten. „Die Kosten sind nicht
komplett bekannt, da noch nicht klar ist, wie es am Ende wird. Das ist
natĂŒrlich ein StĂŒck weit ein Risiko“, sagt Christoff.
Die Fragen der Finanzierung mĂŒssen geklĂ€rt werden: „Man muss schauen, wo es
finanzielle Fußangeln gibt. Auch muss man besprechen, was passiert, wenn
jemandem finanziell die Luft ausgeht – erst emotional und dann knallhart
juristisch“, sagt Reinhold-Postina. Baugruppen sollten bausachverstĂ€ndige
Juristen hinzuziehen. Wenn man erst spÀter zu einer bestehenden
Baugemeinschaft dazukomme, seien eigene Experten zu empfehlen, um
abzuklĂ€ren, was man genau bekomme. „In der Vertragsgestaltung liegen
Gefahren. Wer ist Ansprechpartner wofĂŒr, wer Projektentwickler, wer haftet?
Baugemeinschaften sind juristisch, technisch und menschlich eine
Herausforderung.“
24 Feb 2018
## AUTOREN
Jördis FrĂŒchtenicht
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