# taz.de -- nordđŸthema: Die HĂ€lfte des Himmels schrumpft | |
> In diesem Jahr werden 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland gefeiert. | |
> Doch in den Parlamenten sitzen immer weniger Frauen. Auch, weil es keine | |
> gesetzlichen Geschlechterquoten wie in Frankreich gibt | |
Bild: Als Erste dafĂŒr: SPD-Wahlplakat 1919 | |
Von Anna Gröhn | |
âWas diese Regierung getan hat, das war eine SelbstverstĂ€ndlichkeit: Sie | |
hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden | |
ist.â So hatte es die Sozialdemokratin Marie Juchacz am 19. Februar 1919 | |
als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung formuliert. Hundert | |
Jahre ist es nun her, dass Frauen in Deutschland erstmals wÀhlen und | |
gewĂ€hlt werden konnten. Insbesondere die SPD hatte seit 1891 dafĂŒr | |
gekÀmpft. Durchgesetzt wurde es mit der Novemberrevolution 1918 | |
Seither hat sich bei der ReprÀsentanz von Frauen im politischen Bereich | |
einiges getan â wenn auch mĂŒĂig. 1993 wurde Heide Simonis (SPD) erste | |
deutsche MinisterprÀsidentin in Schleswig-Holstein. Und mit Angela Merkel | |
(CDU) ist seit 2005 die erste deutsche Bundeskanzlerin im Amt. Also alles | |
erreicht? | |
Weniger Frauenim Parlament | |
âRein formal sind Frauen gleichberechtigt, aber in der RealitĂ€t sind sie es | |
nichtâ, meint Christa Karras, stellvertretende Vorsitzende des | |
Landesfrauenrats Niedersachsen. âEs gibt in vielen Parteien immer noch | |
keine Bereitschaft von den MĂ€nnern, auch den Frauen die Chancen zu geben, | |
in der politischen Ebene gleichberechtigt aktiv zu sein.â MĂ€nnliche | |
Kandidaten kandidierten immer auf den sicheren ListenplÀtzen. | |
In den norddeutschen Landesparlamenten ist der Frauenanteil stark | |
zurĂŒckgegangen: Hatten Frauen in Niedersachsen 2011 noch 31 Prozent der | |
Mandate, sind es aktuell noch 26. In Schleswig-Holstein ging es runter von | |
37 auf 30, in Bremen von 41 auf 34 Prozent. Hamburg hÀlt sich noch fast | |
stabil mit 37 statt 39 Prozent. | |
Im Bundestag ist das Bild Àhnlich: Unter den 709 Abgeordneten sind gerade | |
mal 218 Frauen, also 31 Prozent â so wenig wie zuletzt vor 15 Jahren. | |
Lediglich Linke und GrĂŒne erreichen eine ParitĂ€t, bei den GrĂŒnen sind die | |
Frauen mit rund 58 Prozent sogar in der Mehrheit. Vor allem, weil beide | |
Parteien festgelegte Quoten haben: Mindestens die HĂ€lfte der Ămter, Mandate | |
und ListenplÀtze sind an Frauen zu vergeben. Bei der SPD gilt zumindest | |
eine 40-Prozent-Geschlechterquote. Die CDU hat ein sogenanntes Quorum, nach | |
dem jeder dritte Listenplatz und ein Drittel der Ămter und Mandate an | |
Frauen vergeben werden sollen â jedoch ohne zwingende Quote. | |
Eine gesetzliche Quote muss her | |
Christa Karras, selbst bei den GrĂŒnen aktiv, sieht in der UnterreprĂ€sentanz | |
von Frauen in Parlamenten ein strukturelles Problem: Sie ist der Meinung, | |
dass sich eine ParitĂ€t nur erreichen lieĂe, wenn die Parteien dazu | |
gesetzlich verpflichtet wĂ€ren. âEs reicht nicht, einfach ListenplĂ€tze zu | |
quotierenâ, sagt sie. âWir mĂŒssen auf der gesetzlichen Ebene etwas machen, | |
weil freiwillig nichts passiert.â | |
Karras fordert ein ParitÀtsgesetz nach dem Vorbild Frankreichs. Dort gilt | |
eine paritÀtische Besetzung der Wahllisten bereits seit dem Jahr 2000. | |
Seither stieg der Frauenanteil deutlich. Bei den Regionalwahlen 2012 lag er | |
bei 46 Prozent, bei den Kommunalwahlen bei knapp 49 Prozent. Und PrÀsident | |
Emmanuel Macron hat 2017 das halbe Kabinett mit Frauen besetzt. Auch im | |
Parlament sitzen mit rund 39 Prozent mehr weibliche Abgeordnete als jemals | |
zuvor. Ein neues Wahlgesetz könnte auch in Deutschland den Parteien | |
vorschreiben, ihre Kandidatenlisten paritĂ€tisch zu besetzen, oder â wie in | |
Frankreich â die staatliche Parteienfinanzierung an die | |
Geschlechterverteilung koppeln. | |
Das AktionsbĂŒndnis âParitĂ© in den Parlamentenâ hat im November 2016 beim | |
Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine Popularklage gegen das bayerische | |
Wahlgesetz eingereicht. Im bayerischen Landtag sind derzeit nur 28 Prozent | |
der Abgeordneten weiblich. | |
Auch Brunhild MĂŒller-ReiĂ vom FriedensbĂŒro Hannover sieht darin ein | |
Problem, denn: âIn Parteien gibt es nach wie vor mĂ€nnliche Netzwerkeâ, sagt | |
sie. âDie Aufstellung der Kandidat*innen ist mĂ€nnerorientiert.â Zudem gebe | |
es in den Parlamenten Bereiche, zu denen Frauen nicht direkt Zugang hÀtten. | |
âDie harten Bereiche wie das Verteidigungs- und Finanzministerium, aber | |
auch die AuĂenpolitik werden Frauen selten zugestanden. Sie bekommen eher | |
das Familienministerium zugeschoben.â Ursula von der Leyen als | |
Verteidigungsministerin sei da eine Ausnahme. | |
3 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Anna Gröhn | |
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