# taz.de -- Kolumne GlobetrotterElise Graton : Ohne Zucker, mit Käse und viel … | |
Vor Kurzem war ich wieder in Portugal, um Sonne zu tanken und meine | |
Sprachkenntnisse zu verbessern. Hinweisschilder an öffentlichen Plätzen | |
kann ich nun entziffern, auf unausweichliche Gegenfragen, die simplen | |
Bestellungen folgen – „Ohne Zucker?“ „Mit Käse?“ –, weiß ich Antw… | |
Ansonsten habe ich wenig dazugelernt, weil mich der Gesichtsausdruck der | |
PortugiesInnen verunsichert, sobald ich sie angesprochen habe. | |
Die Reaktionen sind eine Mischung aus Überraschung und Verlegenheit, | |
vielleicht auch Empörung und Unverständnis wegen meiner Aussprache. So | |
richtig komme ich nicht dahinter. Selbst als ich in Porto ansässige | |
Bekannte traf und ihnen erzählte, ich würde Portugiesisch lernen, haben sie | |
abgewunken: „Warum?“, fragten sie. Ich hatte als Antwort „Ach ja? Dann ze… | |
mal, was du draufhast!“ erwartet. | |
Das versetzt mich 20 Jahre zurück, als ich gerade nach Deutschland gezogen | |
war. Damals konnte hier niemand nachvollziehen, warum ich die Sprache | |
lernen wolle, geschweige denn freiwillig hergezogen sei. Frankreich sei im | |
Vergleich doch viel schöner. Nicht auf solche Komplimente zu reagieren, | |
lernte ich schnell, denn oft folgten sogleich Vorwürfe: Franzosen – mich | |
inbegriffen – seien ja schreckliche Nationalisten. | |
Von einer pauschalen Einschätzung aktueller portugiesischer | |
Befindlichkeiten bin ich jedenfalls weit entfernt, aber Fremdsprachen | |
lernen erscheint mir sinnvoll, egal, ob sie von hundert oder Millionen | |
Menschen gesprochen werden. Selbst wenn diese mit der eigenen Muttersprache | |
verwandt sind, muss man sich Mühe geben. Als ich zum Beispiel letztes Jahr | |
ohne Sprachauffrischung in Rom war, meinte die Kassiererin des Cafés, in | |
dem ich frühstückte: „Stell dich nicht so an! Französisch ist doch fast das | |
Gleiche wie Italienisch.“ Ich glaubte ihr! „Wie lange bleibst du hier?“, | |
fragte sie mich noch. Ich versuchte mein Glück: „Cinque dies.“ Da war | |
wieder dieser Gesichtsausdruck. „Bist du bescheuert?“, schimpfte sie los. | |
„Was glaubst du bedeutet das ‚giorno‘in ‚buon giorno‘? Cinque giorni,… | |
wiederhole, cinque giorni, das ist doch einfach!“ In Porto wechselten meine | |
Ansprechpartner jedenfalls unisono ins Englische, und ich ließ es zu. | |
Damals, 1998 in Deutschland, da war ich noch hartnäckiger und tat so, als | |
könnte ich kein Englisch – was mir als nationalistischer Französin, klar, | |
natürlich jeder sofort abnahm. | |
Frisch zurück in Berlin habe ich nach zweijähriger Pause gleich wieder | |
einen Kurs an der VHS gebucht. „Confiança“, wiederholt der Lehrer | |
mantraartig, sobald jemand anfängt, hastig zu stottern oder doch schnell | |
den Satz auf Deutsch hinter sich bringen zu wollen. Man braucht viel | |
Selbstvertrauen, um eine Sprache zu lernen. Bei einem Silvesterabend in | |
Straßburg lernte ich einmal eine Koreanerin kennen, die sich nach jedem | |
dritten Wort beide Hände kichernd vor den Mund hielt. „Wie nett von dir, | |
dass du dich mit ihr unterhältst“, meinte die Gastgeberin damals zu mir. | |
Den meisten war es schlicht zu anstrengend, peinlich und langweilig, weil | |
sie noch nicht so viel sagen konnte. Trotz der Berührungsängste ihrer | |
Umgebung hatte die Koreanerin erhebliche Fortschritte gemacht: „Bei ihrer | |
Ankunft konnte sie noch gar kein Französisch. Da hat sie nur gelacht“. Ihr | |
ist diese Kolumne heute gewidmet. | |
Elise Graton ist Übersetzerin und Autorin in Berlin | |
20 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Elise Graton | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |