| # taz.de -- Daryna Sterina Ausgehen und rumstehen: Von Kneipenrauch, Theatertwi… | |
| Es ist mal wieder kalt, und was wärmt einen besser als ein Whisky und eine | |
| Zigarette vor der Schaubühne? Der Flachmann wird zwischen mir und meinen | |
| drei Freunden herumgereicht, so schmeckt Feierabend um 19 Uhr. Im | |
| Theaterstück „Der gute Mensch von Sezuan“ spielt ein anderer Freund mit und | |
| hat uns eingeladen. Vorbei an Penny ist der Eingang zur Garderobe der | |
| Schauspieler. Beim Hereingehen steigt einem Zigarettenrauchgeruch in die | |
| Nase. Warum eigentlich nicht noch ein Zigarettchen? | |
| Die Aufführung beginnt. Die Prostituiertenparabel von Bertolt Brecht, die | |
| uns zeigen soll, wie grausam Kapitalismus ist, hat irgendwie schon zu | |
| Schulzeiten nicht beeindruckt, trotzdem war das Stück unterhaltsam, und | |
| Kapitalismuskritik ist ja niemals out. | |
| 22.30 Uhr. Die Fingerspitzen frieren beim Halten der nächsten | |
| Selbstgedrehten auf dem Weg in die Bar, vom Mehringdamm zur Bergmannstraße. | |
| Eine Kneipe an einem Freitagabend in Berlin zu finden ist ein einzigartiges | |
| Gefühl. Der Bierdurst ist immer größer als der Platz in den Kneipen. Leider | |
| alles voll im Turandot. Links daneben ist die Bar Ernst. Ernsthaft voll, | |
| aber zwischen den Rauchwolken lassen sich noch die Konturen von zwei | |
| Hockern und einer Sitzbank erahnen. | |
| Es wird Bier bestellt und geschluckt. Praktisch, dass man sich keine mehr | |
| drehen muss, jetzt kann man einfach einatmen. Zwei, drei Biere später | |
| steigt in mir langsam der Napoleon-Komplex auf, und ich rede von der | |
| Welteroberung. „Wo baut man sich ein Weltschloss hin, und wer bezahlt mir | |
| das? Die Krim wäre schon schön gewesen, schade nur, dass Putin schneller | |
| war.“ | |
| Noch ein Bier? Noch eine Aschenbecherleerung, und langsam wollen die Beine | |
| wieder zappeln. Weil wir aber nicht so sehr die Technomäuschen, sondern | |
| mehr die Pseudointellektuellen sind, entscheiden wir uns, noch besagten | |
| Schauspielerfreund auf eine Premierenfeier im Deutschen Theater zu dem | |
| Stück „Sommergäste“ zu begleiten. | |
| Es wird nicht wärmer und das Drehen von Zigaretten gegen den Wind nicht | |
| einfacher. Von der Bergmannstraße schleppen wir uns wieder Richtung | |
| Mehringdamm. Eine feste Regel besagt, dass man sich immer einen Mustaf’s | |
| Gemüsedöner holt, wenn es keine Schlange gibt. Und es gab keine. Also Döner | |
| mit allem und einem Sterni in der U6, auf dem Weg ins Deutsche Theater. | |
| Das Foyer des Theaters sieht aus wie ein riesiges Wohnzimmer mit Bar und | |
| DJ. Es wird „If I’m In Luck I Might Get Picked Up“ von Betty Davis | |
| gespielt, die Hüften werden im Kreis geschwungen. Wir legen unsere Jacken | |
| und Schals auf den schon vorhandenen Stapel und holen uns einen Gin Tonic. | |
| Setzt man das erste Mal seine Lippen an den zwischen Eiswürfeln im Gin | |
| Tonic eingeklemmten Strohhalm, weiß man, dass man danach kein Bier mehr | |
| will. Der durchsichtige Spaßmacher rinnt durch die Adern und macht Lust auf | |
| den nächsten Song: Peaches von The Stranglers. Bei Moonage Daydream von | |
| David Bowie geht es dann raus auf den Balkon mit einem Filter im Mund und | |
| Tabak in der Hand. | |
| Nach Gesprächen mit Bühnenbildstudentinnen und einem Schauspieler, der sich | |
| vom Koksen auf dem Klo keine Namen mehr merken kann, geht es wieder rein. | |
| Zu dem Lied „Love“ von den Knight Bros und dem nächsten Gin Tonic wird so | |
| getan, als könnten wir Twist tanzen. Um 6 Uhr kommt der Rausschmeißsong | |
| „Imagine“ von John Lennon, woraufhin wir das Theater sowie die letzten | |
| Gäste hinter uns lassen und zum U-Bahnhof Friedrichstraße torkeln. | |
| Samstag. 11 Uhr. Der Kater ist kleiner als erwartet, aber nach vier Stunden | |
| Schlaf doch bemerkbar. Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass der Abend | |
| gut war. Der Rest vom roten Lippenstift ist noch im Mundwinkel versteckt | |
| und die Augenringe erinnern an die eines Waschbären. | |
| Ich habe keine Lust auf eine Zigarette, aber auf einen Kaffee. | |
| 27 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Daryna Sterina | |
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