# taz.de -- heute in hamburg: „Ich empfinde mich als Kosmopolit“ | |
Interview Liyang Zhao | |
taz: Herr Friedmann, sind Sie ein Weltbürger? | |
Michel Friedman: Ich empfinde mich als Kosmopolit. Ich bin weltoffen. In | |
meiner Biografie sind unterschiedlichste Kulturen verankert. Meine Eltern | |
kamen aus Polen, ich bin in Paris geboren und lebe in Deutschland. Ich kann | |
mich nicht nur mit einem Land identifizieren. Ich empfinde das Leben in | |
Grenzen als eine vertane Lebenschance. | |
Was macht den Weltbürger aus? | |
Es ist Zufall, an welchem Ort ein Mensch geboren ist. Und der Mensch ist | |
ein wanderndes Lebewesen. Grenzen sind auf dünnstem Eis konstruiert. Der | |
Weltbürger dekonstruiert sie. Er steht der Welt offen gegenüber. | |
Warum entstehen Gegenbewegungen wie national-populistische Parteien und | |
Proteste? | |
Hinter der ursprünglichen Idee der Nationen steckte eine Hoffnung auf | |
bessere Lebensbedingungen, dass man sich besser gegen Feinde wehren kann | |
und Dinge leichter in einer Gemeinschaft zu organisieren sind. Allerdings | |
war die Idee der Nation schon immer auch auf Abgrenzung ausgelegt. In | |
manchen EU-Mitgliedsstaaten wie Polen oder Ungarn sind Rassismus und | |
Nationalismus sogar in der Regierung verankert. | |
Widerspricht das der europäischen Idee? | |
Ja, die reine Betrachtung der Nation ist kontraproduktiv, sie bringt keine | |
Lösungsansätze. Einbeziehung statt Ausgrenzung, Kooperation statt | |
Konfrontation, das ist die Lösung. Wenn wir diesen Zivilisationssprung | |
nicht schaffen, werden die Kriege, die Armut und das Elend auf der Welt | |
nicht weniger. Wir müssen über den Tellerrand hinaus schauen. | |
Ist der Brexit ein Zeichen für ein stärkeres Nationalgefühl? | |
Nein, er zeigt bloß eine Momentaufnahme, die durch Emotionen und die | |
aktuelle Politik beeinflusst war. Das hat allerdings dramatische | |
Konsequenzen. Sich nur als Nation zu identifizieren, bedeutet Isolation. | |
Als Mitglied der EU gibt man keine Identität auf, sondern es kommt eine | |
hinzu. Der Brexit will sagen, dass nichts dominanter ist als | |
Großbritannien. Das ist ein Fehler. Konfrontation statt Kooperation ist ein | |
Rückschritt. | |
Was soll die Gesprächsreihe „Bridging the Gap“ erreichen? | |
Brücken bauen, man muss keine Identität aufgeben. Staaten sollten sich mit | |
ihren Interessen nicht isolieren. Mehr Austausch und Permeabilität bilden | |
die Zukunft. Das zu schaffen ist unsere Aufgabe. | |
Dialogreihe„Bridging the Gap“: 20 bis 22 Uhr, Bucerius Kunst Forum, | |
Rathausmarkt 2 | |
27 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Liyang Zhao | |
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