# taz.de -- Allein lebenbirgt steigendes Armutsrisiko | |
> Der Berliner Forscher Markus Grabka macht Niedriglohnsektor | |
> verantwortlich | |
Von Jakob Kulick | |
Die Wirtschaft wächst, aber der Wohlstand kommt bei den Alleinstehenden in | |
Deutschland nicht an. Die Zahl der allein lebenden Menschen stieg 2016 auf | |
16,43 Millionen – ein Drittel von ihnen ist von Armut bedroht. Das zeigen | |
die neuesten Zahlen des europäischen Statistikamtes Eurostat, auf die die | |
Linke im Bundestag aufmerksam machte. Demnach vergrößerte sich der Anteil | |
der armutsgefährdeten Alleinstehenden seit 2007 um über 5 Prozentpunkte und | |
stand 2016 bei 32,9 Prozent. | |
In einem Einzelhaushalt ohne festen Lebenspartner zu wohnen, ist in | |
Deutschland weit verbreitet: In fast 41 Prozent aller privaten Haushalte | |
leben Alleinstehende. Verglichen mit der Europäischen Union ist das ein | |
besonders hoher Wert. Der Durchschnitt aller EU-Länder liegt mit einem | |
knappen Drittel wesentlich niedriger. | |
Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin | |
(DIW) sagt, dass unter anderem zwei Faktoren zu der steigenden Tendenz | |
beitragen: die Altersarmut, besonders in Ostdeutschland, sowie die hohe | |
Zahl junger alleinstehender Erwachsener, denen lange Ausbildungszeiten zu | |
schaffen machten. „Natürlich macht sich auch die wachsende Zahl von | |
Studierenden bemerkbar“, konstatiert der Berliner Forscher. | |
Als von Armut bedroht gilt, wessen Einkommen 60 Prozent des mittleren | |
Einkommens in einem Land unterschreitet. Diese Grenze lag 2016 bei 1.064 | |
Euro pro Monat. | |
Dass auch erwerbstätige Alleinstehende zunehmend Bedrohung durch Armut | |
erfahren, zeigen die Daten von Eurostat ebenfalls. So stieg das | |
Armutsrisiko dieser Bevölkerungsgruppe auf 17 Prozent. Für diese | |
Entwicklung macht Grabka nicht zuletzt den großen deutschen | |
Niedriglohnsektor verantwortlich. | |
Ob allerdings eine Aufstockung des Mindestlohns, wie sie die Linke fordert, | |
die Lösung des Problems bietet, sieht Grabka skeptisch. „Erstens würde die | |
Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro noch lange nicht bedeuten, dass alle | |
Betroffenen der Armutsgefährdung entkommen.“ Zweitens führe diese Maßnahme, | |
so Grabka, mittelfristig zu höherer Arbeitslosigkeit und damit zu einem | |
weiteren Anstieg der Armutsrisikoquote. | |
Die Einführung des Mindestlohns sei zwar sinnvoll und notwendig gewesen, | |
„aber man sollte dieses Instrument nicht mit sozialpolitischen Wünschen | |
überfrachten“. | |
Statt die Symptome zu bekämpfen, empfiehlt Grabka, zuerst die Ursachen | |
dafür zu verstehen, weshalb bestimmte alleinstehende Bevölkerungsgruppen | |
besonders von Armut betroffen sind. | |
Eine Vorhersage zur weiteren Entwicklung der Armut unter Alleinstehenden | |
wagt der Berliner Wissenschaftler jedoch nicht: „Die Armutsrisikoquote | |
reagiert auf verschiedenste wirtschaftliche und gesellschaftliche Faktoren | |
– eine Prognose ist daher sehr schwierig.“ | |
14 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Jakob Kulick | |
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