# taz.de -- Journalismus bleibt in der Türkei ein großes Risiko | |
> Wegen seiner Bilder wurde der Fotograf Uygar Önder Şimşek in der Türkei | |
> festgenommen. Jetzt lehnte ein Gericht die Untersuchungshaft ab, aber er | |
> ist nur unter Auflagen wieder frei | |
Bild: Der Fotograf Uygar Önder Şimşek, festgenommen wegen „Terrorpropagand… | |
Aus Berlin Andreas Lorenz und Ali Çelikkan | |
Türkische Journalisten und Journalistinnen riskieren ihre Freiheit – wenn | |
sie ihre Arbeit im Internet teilen. Diese bittere Erfahrung hat gerade der | |
Fotograf Uygar Önder Şimşek gemacht. Polizisten nahmen den 30-Jährigen am | |
Donnerstag voriger Woche auf dem Flughafen Sabiha Gökçen in Istanbul fest. | |
Şimşek wollte ursprünglich nach Beirut fliegen, er kam aus Berlin. | |
Bis Dienstag musste Şimşek befürchten, wegen der Anklage „Terrorpropaganda… | |
in Untersuchungshaft zu kommen. Das hatte die Staatsanwaltschaft gefordert. | |
Am Nachmittag lehnte ein Gericht die Untersuchungshaft jedoch ab, und | |
Şimşek wurde unter Sicherheitsauflagen freigelassen. Er darf die Türkei bis | |
auf Weiteres nicht verlassen und muss sich einmal wöchentlich bei einer | |
Polizeidienststelle melden und eine Unterschrift leisten. Die Anklage | |
bleibt bestehen. | |
Zunächst war er nach seiner Festnahme auf die Polizeiwache in Bursa | |
transportiert und dort zu den Fotos befragt worden, die er für die | |
französische Nachrichtenagentur AFP sowie zahlreiche internationale Medien | |
in Kriegsgebieten aufgenommen hatte. Die Staatsanwälte werfen ihm vor, in | |
den sozialen Netzen mit seinen Fotos Propaganda für eine terroristische | |
Organisation gemacht zu haben. | |
Der Fotograf erklärte, er habe die Fotos aus beruflichen Gründen | |
aufgenommen. Sie seien nicht als Terrorpropaganda zu bewerten. Şimşek hatte | |
im vorigen Jahr vor allem über die Kämpfe gegen den IS im syrischen Rakka | |
und im irakischen Mossul berichtet, zuvor hatte er Kämpfe im von Kurden | |
kontrollierten Kobane beobachtet. Er begleitete unter anderem Einheiten der | |
syrischen Kurdenmiliz YPG, viele internationale Medien haben seine Fotos | |
veröffentlicht. | |
Auch vor Gericht stritt Şimşek die Vorwürfe vehement ab, wie sein Anwalt | |
mitteilte. „Ich mache diese Fotos im Auftrag von Medienunternehmen. Ich | |
habe sie geteilt, um meine Arbeit zu bewerben, nicht um Terrorpropaganda zu | |
betreiben“, sagte Şimşek. | |
Die türkische Armee greift derzeit die YPG im türkisch-syrischen | |
Grenzgebiet an. Sie versucht, die kurdische Hochburg Afrin zu erobern. | |
Ankara wirft der Truppe vor, syrischer Ableger der verbotenen Kurdischen | |
Arbeiterpartei PKK und deshalb eine terroristische Vereinigung zu sein. Im | |
Kampf gegen den IS hatte die US-Armee Waffen und Munition an die YPG | |
geliefert. | |
Şimşek ist nicht der Einzige, der sich in diesen Tagen gegen den Vorwurf | |
der Terrorpropaganda wehren musste. Die türkische Polizei hat seit dem 20. | |
Januar nach Angaben des Innenministeriums 573 Kritiker der sogenannten | |
Operation Olivenzweig festgenommen, sie beschuldigt 449 Personen, über | |
soziale Medien Terrorpropaganda verbreitet zu haben. Die übrigen 124 wurden | |
bei Protesten gegen die Militäroffensive festgenommen. | |
Şimşeks Schwester Özlem zeigte sich erleichtert. „Journalismus sollte | |
nirgends auf der Welt ein Verbrechen sein. Ich bin froh, dass mein Bruder | |
freigelassen wird. Ich hoffe, dass er weiter arbeiten kann.“ | |
Der Fotograf war bis Ende Januar drei Monate Gast der taz-Panter Stiftung | |
und von Reporter ohne Grenzen in Berlin. In dem Auszeitprogramm bekommen | |
Journalisten aus aller Welt die Gelegenheit, sich zu erholen. Die | |
Stipendiaten sind Reporter oder Fotografen, die aus Kriegs- und | |
Krisengebieten berichten oder die in Ländern arbeiten, in denen Polizei, | |
Geheimdienste oder Rebellengruppen starken Druck auf Journalisten ausüben. | |
7 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Andreas Lorenz | |
Ali Çelikkan | |
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