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# taz.de -- Im Notfall schnelle Hilfe
> Delhi gilt als Vergewaltigungshauptstadt. Indiens Polizei hat besonders
> bei Frauen einen schlechten Ruf – und will ihn nun mit Hilfe von
> Motorradpatrouillen und Apps verbessern
Bild: Gemeinsames Gebet für eine vergewaltigte Studentin. Seit der grausamen G…
Aus Delhi Gundula Haage
Ein Vorzeigeprojekt der Polizei von Delhi soll die indische Hauptstadt für
Frauen sicherer machen: [1][„Raftaar“ heißt es]– zu Deutsch
Geschwindigkeit. Dabei patrouillieren 600 Polizist*innen auf Motorrädern
durch die Stadt. Ausgestattet mit GPS-Sendern, Pfeffersprays, modernen
Schusswaffen und Teasern sollen sie ein Zeichen setzen gegen sexuelle
Gewalt – und im Notfall schnell zur Stelle sein.
Durch die engen Gassen in der Altstadt Delhis, voller Menschen,
Verkaufsständen, Fahrradrikschas und heiligen Kühen, kommen Polizeiautos
kaum hindurch. Daher findet die 23-jährige Aakanksha M.,
Geschichtsstudentin an der Delhi University, die Motorradidee gut. Erste
raftaar-Fahrerinnen sind seit Mitte Dezember 2017 unterwegs. „Frauen in
Polizeiuniformen auf Motorrädern, das ist schon ein starkes Bild“, sagt M.
und hofft auf den Abschreckungseffekt für potentielle Täter.
Sexuelle Belästigungen wie das sogenannte „Eve-teasing“ sind weit
verbreitet und gelten vielen Männern gar als Freizeitbeschäftigung: Mit dem
verharmlosenden Euphemismus – zu deutsch „Eva necken“ – werden nicht nur
anzügliche Andeutungen, sondern auch grapschen oder gar die Androhung zu
sexueller Gewalt bezeichnet. Seit der grausamen [2][Gruppenvergewaltigung
einer Delhier Studentin] im Dezember 2012 hat Delhi den Ruf einer
„Vergewaltigungshauptstadt“. Neue Gesetze stellen unter anderem
Vergewaltigungen in der Ehe, Stalking und Voyeurismus unter Strafe. Ein
aktueller [3][Bericht von Human Rights Watch] beschreibt diese Reformen
zwar als positiv, beklagt aber ihre lückenhafte Umsetzung. Das National
Crime Records Bureau berichtete jüngst, dass Delhi 2017 statistisch ganz
vorn bei Gewalt gegen Frauen und Kindern lag. In dem Jahr wurden bis zum
15. November in der Stadt über 11.500 Übergriffe angezeigt, darunter 894
Vergewaltigungen.
Die Dunkelziffern dürften sehr viel höher sein, glaubt Ranjana Kumari,
Leiterin des Centre for Social Research in Delhi: „Sexuelle Gewalt wird von
weiten Teilen der Bevölkerung normalisiert und die Opfer in einer
„she-was-asking-for-it“-Manier („sie hat es herausgefordert“) selbst f�…
ihr Unglück verantwortlich gemacht. Darum werden immer noch viel zu wenig
Fälle angezeigt“, erklärt sie.
Delhis Polizei setzt nicht nur mit Hightechmotorrädern ein Zeichen gegen
sexuelle Gewalt, sondern auch mit der Notruf-App „Himmat“ – zu Deutsch:
Mut. Ist die App auf dem Handy installiert, wird per Knopfdruck die Polizei
alarmiert, der Standort der Betroffenen versendet und ein Livemitschnitt
der jeweiligen Telefonkamera gestartet. Damit sollen etwaige Täter*innen
schnellstmöglich identifiziert werden.
Die Figur des indischen Polizisten ist nicht nur in vielen Bollywoodfilmen
ein Synonym für Korruption, Brutalität und beiläufige Frauenfeindlichkeit.
Die Zeitung [4][Hindustan Times] befragte im vergangenen November 38 der 45
Polizeireviere in Delhi. Bereits in dieser Auswahl zählte sie über 150
Fälle, in denen Polizisten innerhalb der letzten sechs Jahre wegen
sexueller Übergriffe angeklagt wurden.
Nun hat die Polizei von Delhi sich etwas einfallen lassen: Sie hat den als
Darsteller machohafter Polizisten bekannten Bollywoodstar Salman Khan
verpflichtet. Der Schauspieler bewirbt neuerdings offiziell die – bereits
2015 eingeführte, aber zunächst kaum benutzte – Notruf-App himmat, um sie
bei seinen Fans populär machen. Noch in diesem Monat soll evaluiert werden,
ob und inwieweit raftaar sich inzwischen bewährt hat.
Der Delhier Frauenrechtsaktivistin Manasi Mishra bleibt skaptisch:
Öffentlichkeitswirksame Projekte wie raftaar und himmat dienten „eher dem
angeschlagenen Image der Polizei, als dass sie die aktuelle Situation
effektiv verbessern“, erklärt sie und fordert eine Quotenregelung von 33
Prozent Frauen innerhalb der Polizei. 2017 waren nur etwas über 10 Prozent
aller Polizist*innen Delhis weiblich.
Navaneetha Mokkil, Dozentin am Centre for Women’s Studies der Jawaharlal
Nehru University Delhi, betrachtet raftaar und himmat als wichtige Schritte
in die richtige Richtung. Aber es bleibe noch viel zu tun, sagt sie:
„Solange Eltern ihre Söhne bevorzugen und den Bildungszugang von Mädchen
als weniger wichtig erachten, solange sich der Stellenwert von Mädchen und
Frauen in der Gesellschaft nicht grundsätzlich verbessert, wird auch das
Problem sexuell motivierter Gewalt nicht zu lösen sein.“
6 Feb 2018
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=U6aF_A2YIEg
[2] /Archiv-Suche/!5052588&s=sexuelle+gewalt+indien/
[3] https://www.hrw.org/report/2017/11/08/everyone-blames-me/barriers-justice-a…
[4] http://www.hindustantimes.com/delhi-news/no-conviction-in-150-sexual-harass…
## AUTOREN
Gundula Haage
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