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# taz.de -- Mit unlauteren Mitteln
> Der ehemalige EWE-Chef Michael Brückmann will vor dem Landgericht
> Oldenburg um seine Kündigung streiten. Sollte es keine gütliche Einigung
> geben, stehen brisante Zeugen bereit
Bild: Es geht um Spionage und Untreue: Auch EWE-Vorstandsmitglieder greifen ger…
Aus Oldenburg Christina Gerlach
Jetzt fordert der ehemalige EWE-Chef Matthias Brückmann Revanche für das
K.O., das ihm der Aufsichtsrat im Februar 2017 verpasst hat: seine
fristlose Kündigung. Wie in manchem Boxring geht es vor dem Landgericht
Oldenburg nicht nur um Geld, sondern auch um die Ehre.
Gestolpert ist Brückmann über seine angeblich enge Freundschaft zu
Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko, die er bei jeder Gelegenheit gern
erwähnt. Brückmann hatte sich mit einer großzügigen Zuwendung an die
Stiftung der Klitschko-Brüder in der Ukraine seinerzeit selbst
disqualifiziert: Stolze 253.000 Euro, versprochen auf einer glamourösen
Spenden-Gala in Kiew.
Nicht etwa aus dem privaten Portemonnaie des damaligen
Vorstandsvorsitzenden, sondern aus dem Etat der Energieversorgung Weser-Ems
(EWE). Allerdings ohne den Finanz- und Prüfausschuss des Oldenburger
Energieversorgers – wie erforderlich – zu informieren. Jetzt kämpft
Brückmann gegen seinen Rauswurf und verlangt ausstehendes Gehalt, wie ein
Sprecher des Oldenburger Landgerichts bestätigt. Aber selbst ein
EWE-Vorstandsvorsitzender kann solche Summen nicht allein anweisen. Die
Unterschrift eines zweiten Vorstandsmitglieds ist nötig. Die stammt von
Michael Heidkamp, zuständig für den Bereich Markt. Das Landgericht hat ihn
als Zeugen benannt. Spannend – denn er müsste erklären, weshalb er die
enorme Summe nach Kiew freigab, wo die EWE doch gerade in der Region
Weser-Ems ihr Sponsoring drastisch gekürzt hat.
Wenn Heidkamp aussagen müsste, bekommt er unter Umständen ein Problem. Denn
zurzeit ermittelt die Oldenburger Staatsanwaltschaft auch gegen ihn. Der
Vorwurf: Untreue. Eben weil er die besagte Zahlungsanweisung mit
unterschrieben hat. Mit seiner Zeugenaussage könnte er sich also selbst
belasten.
Die EWE hat ihn trotz allem bislang gehalten. Der Versorger war damals
ziemlich in der Klemme, das Führungsgremium mächtig ausgedünnt. Von
ursprünglich fünf Vorstandsposten waren noch zwei besetzt. Das absolute
Minimum laut EWE-Statut. Heidkamp musste also unter allen Umständen
bleiben.
Einer, der alles über die Spende in die Ukraine wissen könnte, der Chef der
EWE-Buchhaltung, ist ebenfalls als Zeuge geladen. Auch Nikolaus Behr,
ehemaliger EWE-Personalvorstand, ist als Zeuge benannt. Auch er kassierte
im vergangenen Jahr ein vorzeitiges Aus – durch einen „erzwungenen“
Rücktritt. Behr lies einen Ex-Mitarbeiter illegal bespitzeln und hatte
veranlasst, einen Peilsender an dessen Privatauto zu montieren. Die
kriminelle Nummer flog auf. Der Ex-Mitarbeiter liegt seit Jahren
arbeitsrechtlich im Clinch mit der EWE.
Jetzt zählen sich alle Beteiligten gegenseitig an. Die Detektei, die den
Sender montierte. Die renommierte Hamburger Anwaltskanzlei, die Behr eine
entsprechende Empfehlung gab – und Behr selbst, der sich über die
rechtliche Zulässigkeit der filmreifen Maßnahme falsch informiert fühlt.
Kein Zweifel, bei der EWE wird manchmal unter der Gürtellinie gekämpft.
Auch die Oldenburger Staatsanwaltschaft ist häufig mit dabei. Immer wieder
bekommt sie EWE-interne Angelegenheiten auf den Tisch. Überraschend häufig
werden diese Verfahren aber auch eingestellt. Etwa das gegen einen
Mitarbeiter, der Diensthandys und Tabletcomputer bei Ebay versteigert haben
soll.
Auch massive Anschuldigungen gegen Brückmanns Vorgänger, den langjährigen
EWE-Vorstandsvorsitzenden Werner Brinker, ein Schwergewicht in der Region,
haben die Ermittler nicht verfolgt. Anonym wurden zahlreiche Vorwürfe
erhoben, unter anderem Privatflüge auf Firmenkosten. Die Staatsanwaltschaft
sah allerdings keine Anhaltspunkte für strafbares Verhalten.
Und die EWE sorgt weiter für Arbeit für die Ermittler. Seit Frühjahr geht
es um den Verdacht der Steuerhinterziehung und des Sozialabgabebetrugs
unter anderem gegen den Geschäftsführer der EWE Netz GmbH, Torsten Maus,
und gegen Timo Poppe, ehemals EWE-Generalbevollmächtigter, mittlerweile
Vorstand bei der Bremer EWE-Tochter swb.
Offenbar wurden Zeitzuschläge für EWE-Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß
abgerechnet. Maus und Poppe sollen das gewusst und geduldet haben. (Die taz
berichtete.) Der EWE-Aufsichtsrat beauftragte eine externe Prüfung. Sowohl
Maus wie auch Poppe hatten damals gerade zum Karrieresprung in den
EWE-Vorstand angesetzt. Doch die vertraulichen Prüfberichte vermasselten
beiden die Tour.
Am heutigen Donnerstag werden sich Brückmann, Heidkamp und Behr nicht
persönlich vor die Augen treten. Das Landgericht hat Heidkamp und Behr als
Zeugen überraschend wieder ausgeladen. Offenbar hofft die Kammer auf eine
gütliche Einigung. Ein weiterer Prozesstermin ist noch nicht anberaumt.
Brückmann muss als Kläger trotzdem erscheinen.
18 Jan 2018
## AUTOREN
Christina Gerlach
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