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# taz.de -- stadtprotokoll: „Mein Haus steht hier“
Bild: Redouane Miladi, 48, Fleischer und Inhaber eines orientalischen Restauran…
„Ich bin in Casablanca geboren und aufgewachsen. Aber mir war immer klar,
dass ich Marokko verlassen muss, um etwas zu erreichen. Mit 18 oder 19
Jahren bin ich nach Deutschland gegangen.
Zwei meiner Geschwister lebten in Frankreich, ein Bruder in Italien. Meine
eigene Herausforderung war Deutschland. Jeder weiß, dass es das beste Land
ist – nicht nur in Europa, sondern weltweit!
Am Anfang habe ich in Frankfurt am Main in einem Restaurant gearbeitet. Mit
einem befreundeten Koch bin ich dann zum ersten Mal nach Leipzig gefahren.
Seine Frau kam aus Schkeuditz. Es war die Zeit kurz nach der Wende und sie
wollte ihre Familie wiedersehen. Abends sind wir dort zusammen in eine
Disko gegangen – für mich eine Premiere. Dort bin ich meiner heutigen Frau
begegnet.
Sie ist mir für kurze Zeit nach Frankfurt gefolgt. Aber ihr fehlten ihre
Familie und ihre Freunde. Ich hatte zwar Freunde und Arbeit in Frankfurt,
aber meine Frau war nach einem Monat wieder in Leipzig. Da stand für mich
fest, ich ziehe hierher.
Der Anfang war nicht leicht. In Casablanca bekommst du überall und zu jeder
Zeit Essen und Trinken. Darum musst du dir niemals Gedanken machen. In
Leipzig gab es Anfang der 1990er Jahre nichts. Lediglich ein paar
Tankstellen hatten auch am Wochenende geöffnet. Außer Bier und Zigaretten
bekam man dort höchstens eine Tüte mit Brötchen.
Dass mir das Ankommen trotzdem nicht schwergefallen ist, liegt an meiner
Frau. Ich bin ein Familienmensch. In ihr habe ich diese Familie gleich
gefunden. Das war für mich das Wichtigste. Das und meine Arbeit.
Ich bin gelernter Möbeltischler und habe die ersten Jahre in einer Zimmerei
in Eutritzsch gearbeitet. Das was ich jetzt mache, die Arbeit als Gastronom
und Fleischer, ist meine Leidenschaft. Und familiäres Erbe: Schon mein
Vater und Großvater waren Fleischer.
Meine Frau und ich haben auf der Karl-Heine-Straße mit einem Bistro
angefangen und uns Stück für Stück vergrößert. Heute führen wir zusammen
ein Restaurant und den Feinkostladen mit Fleischerei.
Rückblickend glaube ich: Du musst die Leute und den Ort, an dem du bist,
lieben. Sonst kommst du niemals richtig an. Viele, die aus dem Ausland
kommen, hoffen darauf, irgendwann zurückzukehren. Sie sparen so viel Geld
wie möglich und bauen sich in der alten Heimat ein Haus.
Ich habe es anders gemacht: Mein Haus steht hier. Wenn ich nach Marokko
will, miete ich mir für einen Monat eine möblierte Wohnung. Das mache ich
alle fünf oder sechs Jahre. Mittlerweile lebe ich länger in Leipzig als in
Marokko!“ aufgezeichnet von Nadja Mitzkat
8 Dec 2017
## AUTOREN
Nadja Mitzkat
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