| # taz.de -- Rechtsextremismus in Zossen: Anziehungspunkt für Neonazis | |
| > Fünf Monate nach dem Anschlag auf das "Haus der Demokratie" in Zossen | |
| > werden zwei Jugendliche angeklagt. Die Stadt streitet sich über den | |
| > Umgang mit Neonazis | |
| Bild: Sie zeigen Gesicht: Der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck… | |
| Dort, wo das "Haus der Demokratie" stand, wächst längst Unkraut. Die | |
| Bürgerinitiative "Zossen zeigt Gesicht" hatte das Gebäude als Zentrum für | |
| ihren Kampf gegen Rechtsextremismus genutzt - bis am Abend des 22. Januar | |
| ein 16-Jähriger Feuer legte, um sich in der rechten Szene zu etablieren, | |
| wie er der Polizei gestand. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Potsdam | |
| Anklage gegen ihn und einen 15-jährigen Mittäter erhoben. | |
| Damals war das ein Schock für den Sprecher der Bürgerinitiative, Jörg | |
| Wanke: "Ich hätte nie für möglich gehalten, dass sie sich das trauen, fast | |
| unter den Augen der Polizei." Denn deren Wache ist gleich um die Ecke, | |
| genau wie Wankes Büro und das Rathaus der brandenburgischen Stadt. Aber so | |
| kurz die Wege auch sind, die Gräben zwischen den Zossenern sind tief. Durch | |
| den Brand wurde die Bürgerinitiative weit über die Stadtgrenzen hinaus | |
| bekannt. | |
| Die Akademie der Künste in Berlin sammelte auf einer Benefizveranstaltung | |
| über 5.000 Euro, und zu Festen der Initiative kommen mehrere hundert | |
| Zossener. Nur mit der Stadtverwaltung gibt es Streit. Bürgermeisterin | |
| Michaela Schreiber drückt es so aus: "Ich habe den Eindruck, dass für | |
| einige Mitglieder das Thema Rechtsextremismus nur Mittel zum Zweck für eine | |
| Auseinandersetzung mit mir ist." Jörg Wanke weist das von sich und wirft | |
| ihr seinerseits vor, die Initiative im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht | |
| zu unterstützen - was die Bürgermeisterin wiederum bestreitet. | |
| Für Gideon Botsch, Rechtsextremismusforscher in Potsdam, ist der Zwist weit | |
| mehr als eine lokalpolitische Streiterei: nämlich ein Grund dafür, dass | |
| Zossen zu einer Art Anziehungspunkt für Neonazis geworden ist. "Wir haben | |
| hier eine Situation, in der - anders als sonst in Brandenburg - von | |
| offizieller Seite nicht hinreichend deutlich gemacht wird, dass Zossen eine | |
| Gemeinde ist, die solche Tendenzen nicht will", sagt er. Bürgermeisterin | |
| Schreiber sieht das anders: "Die Stadtverwaltung tut das im | |
| ordnungsbehördlichen Sinne Mögliche." Mit ihrer freien Liste "Plan B" | |
| gehört sie zum konservativen Lager der Stadtverordnetenversammlung, das | |
| zwar anfangs noch in der Bürgerinitiative mitarbeitete, sich dann aber | |
| distanzierte. Schreiber stuft einige der Mitglieder als linksextrem ein, | |
| und nach ihrer Kritik an der Initiative gefragt, sagt sie: "Was seit | |
| Monaten stattfindet, ist eine steigende Gewaltspirale zwischen Rechts- und | |
| Linksextremisten." | |
| Absurd findet die Initiative solche Vorwürfe. Etwa 40 Personen haben sich | |
| seit eineinhalb Jahren zu "Zossen zeigt Gesicht" zusammengefunden. | |
| Überparteilich, wie Sprecher Wanke betont, wie auch, dass von der | |
| Initiative keine Gewalt ausgehe. Gerade hat die Bundesregierung sie für | |
| ihre Zivilcourage ausgezeichnet. Der 44-jährige Versicherungsmakler Wanke | |
| gehört keiner Partei an. Immer wieder sind er und die anderen Mitglieder | |
| bedroht worden. An Wankes Büro hatte jemand "Volksverräter" gesprüht, kurz | |
| danach stand auf einer Mauer "Wanke stirbt bald" und "Zossen bleibt braun". | |
| Feuerwerkskörper zerstörten eine Fensterscheibe in seinem Büro. | |
| "Zossen ist ein Brennpunkt", sagt Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo | |
| Rautenberg. Seit etwa zwei Jahren treten Rechtsextreme dort offen auf. Etwa | |
| 70 Personen rechnet der Verfassungsschutz zur rechten Szene in der Region. | |
| Gegen drei von ihnen ermittelt das Landeskriminalamt auch im Zusammenhang | |
| mit dem Brandanschlag auf das Haus der Demokratie weiter. Sie sollen die | |
| Jugendlichen angestiftet und die Tat später nicht angezeigt haben. | |
| Die mutmaßlichen Drahtzieher werden den "Freien Kräften Teltow-Fläming" | |
| zugerechnet: Neonazis, die zum größten Teil nicht in einer Partei | |
| organisiert sind und ein Gemisch rechtsextremer Ideologie vertreten, wie | |
| Rautenberg sagt. Seit einigen Monaten nennen sie sich "Nationale | |
| Sozialisten Zossen". | |
| Die Bürgerinitiative hat mittlerweile ein neues Haus der Demokratie, das | |
| Nachbarhaus von Wankes Büro. Zur Verfügung gestellt hat es der Landkreis, | |
| der SPD-Landrat arbeitet selbst mit in der Initiative. Es ist massiver als | |
| das alte, die Fenster im Erdgeschoss sind vergittert und gleich gegenüber | |
| ist die Feuerwehr. | |
| 26 Jun 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Dörthe Nath | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |