Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gewehre aus der Welt waschen
> „A Journey of Belonging“: Künstler*innen im Exil, die aus Syrien,
> Afghanistan und dem Irak stammen, stellen im Bikini-Kaufhaus aus. Gewalt
> und Ernsthaftigkeit prägen ihre Arbeiten
Von Daphne Weber
Weiche Materialien, wie Fäden, Fell, Stoff und Watte, und harte,
scharfkantige, wie Glas, dominieren die Werkschau „A Journey of Belonging“
von 15 Stipendiat*innen der Contemporary Arts Alliance CAA, einer privaten
Initiative zur Förderung zeitgenössischer Kunst in Berlin. Die Ausstellung
wird heute im Bikini-Kaufhaus eröffnet.
Eine Bettdecke hat die Künstlerin Hiba al-Ansari genäht, die an drei
Stellen Löcher aufweist, aus denen das Innenfutter herausquillt. Wild
gesetzte Nähte bilden grundrissartige Muster auf der Decke – und
tatsächlich: An der Wand hängen Fotos aus der Vogelperspektive, die ein
Stadtviertel zeigen, in dem gerade drei Häuser explosionsartig
zusammenstürzen. Es sind Bilder aus al-Ansaris Heimat Syrien. Die
Geborgenheit der Heimat ist aufgebrochen, zerstört.
Der Künstler Ahmed Ramadan sammelt leere Weinflaschen, um aus dem Glas
spitze Pfeile zu schneiden. Diese sticht er mit der Spitze nach vorne von
hinten durch die Leinwand eines Keilrahmens. Von vorn betrachtet ergeben
sich aggressiv anmutende Formen, die durch die Krümmungen der Glaspfeile
eine eigene Dynamik erhalten. Man möchte die Reliefs instinktiv berühren,
schreckt aber vor den scharfen Kanten zurück.
## Allegorie des Kunstmarkts
Abdulkarim Majdal Albeik kerbt mit schwarzer und weißer Farbe haptische
Konturen auf eine massive Platte. Es seien Wände, die eine Geschichte
tragen, sagt er, Zeugen von Lebensspuren. Akel Amer beschäftigt sich
ebenfalls mit Gegenständen aus dem Alltag: Er hat mehrere Stücke
Alepposeife in eine rechteckige Form auf einen Tisch gelegt und ein großes
Relief in Form eines Gewehrs hineingestanzt. „Die Seife steht für Reinheit,
das Gewehr für all den Schmutz des Krieges. Ich frage mich, wie wir die
Welt von den Gewehren reinwaschen können“, sagt er zögerlich.
Die meisten der Künstler*innen sind zum Studieren aus Syrien, Afghanistan
und dem Irak nach Deutschland gekommen. Zuvor haben sie bereits
künstlerisch in ihren Heimatländern gearbeitet. Zurück können sie nicht.
Spuren der Gewalt zeichnen sich in ihren Arbeiten ab, die sich zwischen
Malerei und Plastik bewegen. Auf einen Status als Geflüchtete wollen sie
nicht reduziert werden. Ramadan bevorzugt die Bezeichnung „Künstler im
Exil“.
Exil haben sie auch in dem großen Raum im Bikini-Kaufhaus Berlin gefunden,
der mit Palisaden in kleinere Ateliers unterteilt ist. Dieser ungewöhnliche
Ort, der den Kurator*innen von der CAA angeboten wurde, erscheint geradezu
als Allegorie des gesamten Kunstmarkts: Angedockt und doch etwas abseits
der luxuriösen Konsumhallen des Bikini ist die Kunst in
durchkapitalisierten Verhältnissen platziert. Die Bedingung, die das Bikini
für die traumhafte Lage der Ateliers stellt: Ein Pop-up-Store mit
exotisierten Waren, den man durchqueren muss, bevor man die Ateliers
betritt.
„Wir möchten diese jungen Künstler an die Kunstszene andocken und auch ihre
wirtschaftlichen Perspektiven stärken“, sagt Pressesprecherin Lydia Schmid.
Die Ausstellung konnte zuvor als Atelierbesichtigung besucht werden: ein
Work-in-Progress, der den Prozess der Arbeit an den Produkten und die
Künstler*innen in ihrem Schaffen selbst ausstellt.
Dieser Sachverhalt ist mindestens so interessant wie die Werke selbst. Die
Ausstellung des Arbeitsprozesses hat „A Journey of Belonging“ den übrigen
Geschäften im Bikini jedenfalls voraus. Dort werden lediglich die fertigen
Waren zum Konsum präsentiert. „A Journey of Belonging“ zeigt die Risse im
Gegensatz zur perfekten Oberfläche und den Schmerz über die Verhältnisse,
aus denen die Werke entstehen.
14.–22. Dezember, Bikini Berlin, 1. Etage
14 Dec 2017
## AUTOREN
Daphne Weber
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.