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# taz.de -- nordđŸŸthema: Keine Askese, nirgends
> Im Mittelalter zÀhlte es zu den mÀchtigsten im Norden: das prÀchtige
> gotische Kloster Preetz bei Kiel, das bis heute gĂŒnstige Wohnungen fĂŒr
> Frauen bietet. An zwei Weihnachtsmarkt-Wochenenden öffnet es seine Tore
Bild: Einladendes Ensemble: das Preetzer Klostertor und das Haus des Unterprops…
Von Hajo Schiff
Am Kriegerdenkmal vorbeigehen und hinter dem zweistöckigen BacksteingebÀude
mit dem ĂŒbergiebelten und weiß gefassten Tor einen Ă€lteren Teil der kleinen
schleswig-holsteinischen Stadt Preetz entdecken: Weitere BacksteinhÀuser,
ein grĂŒner Platz gesĂ€umt von einer seltenen HĂ€ngebuche und einer Kirche mit
kleinem kupfergrĂŒnem Turm auf dem Dach sowie weitere HĂ€user
unterschiedlichen Alters erwecken einen romantischen Eindruck. Wie in einer
Parksiedlung spielen vor einigen HĂ€usern Kinder mit selbst gebauten
GefÀhrten, vor anderen parken Autos. Und doch hat der Ort eine besondere
AtmosphÀre, die geradezu zwingend nach der Geschichte fragen lÀsst: Hier
ist das GelÀnde eines adeligen Klosters, eines der Àltesten und einst
mÀchtigsten des Landes.
Schon im Jahr 1210 wurde hier in Insellage, geschĂŒtzt vom Fluss der
Schwentine und einem Graben, das Benediktinerinnenkloster „Campus Beatae
Mariae“ gegrĂŒndet. Das einst fĂŒr etwa 90 Nonnen angelegte Kloster
beherrschte in seiner mÀchtigsten Zeit 24.000 Hektar Land, vor allem
Grundbesitz in den so genannten Walddörfern bei Kiel und in der Probstei an
der Ostsee. Die Bauern von mindestens 40 Dörfern gaben ein Zehntel ihres
Ertrags ab, Fischerei, MĂŒhlenrechte und Schweinemast in den KlosterwĂ€ldern
wurden verpachtet, Landwirtschaft auf drei Eigenhöfen betrieben. Zudem ĂŒbte
das Kloster die Gerichtsbarkeit aus.
Das Ànderte sich grundlegend erst mit der Aneignung Schleswig-Holsteins
durch Preußen Mitte des 19. Jahrhunderts. Denn zusammen mit Schleswig,
Itzehoe und Uetersen war Preetz so stark an die schleswig-holsteinische
Ritterschaft gebunden, dass die Klöster auch nach der Reformation nicht
aufgegeben wurden, sondern weiterhin unverheirateten Töchtern des Adels als
Versorgungswerk dienten. Einerseits war das Leben im Kloster fĂŒr die Frauen
eine Verbannung, andererseits ermöglichte es ihnen eine Freiheit – etwa zu
Bildung und Aufstieg –, die sie im Familienverband nie gehabt hĂ€tten.
GerÀumige Familienlogen
Besucht man dort heute einen Markt oder den Klosterladen oder besichtigt
die wertvoll ausgestattete Kirche, wird man kaum Stiftsdamen treffen. Die
einzige, die auf dem GelĂ€nde in einem schneeweißen GebĂ€ude von 1847 wohnt,
ist die derzeitige Priörin Viktoria von Flemming. Denn die Gemeinschaft von
aktuell 14 Frauen ist heute eine virtuelle. Die Konventualinnen entscheiden
zwar noch gemeinsam ĂŒber Belange des Klosters, erhalten eine kleine Rente
und haben Wohnrecht, können aber genauso gut woanders leben. Doch ganz ohne
traditionelle Bedingungen geht es nicht: Ledig oder verwitwet und
christlich – evangelisch oder katholisch – mĂŒssen die adeligen FrĂ€ulein
sein.
Auch wenn die um 1330 gebaute Klosterkirche nur mit FĂŒhrung und im
Winterhalbjahr gar nicht zu besichtigen ist, muss unbedingt vom Inventar
des Kirchenraums geschwÀrmt werden, eines der prÀchtigsten in
Schleswig-Holstein. Der barocke Hochaltar etwa ist um Rafaels „VerklĂ€rung
Christi“ gebaut, das Bild eine perfekte Kopie des GemĂ€ldes aus dem Vatikan.
Der mittelalterliche Hauptaltar von 1425 steht heute im Nationalmuseum in
Kopenhagen – eine Erinnerung daran, dass Schleswig-Holstein
jahrhundertelang zum dÀnischen Gesamtstaat gehörte. Vor dem Hochchor liegt,
durch ein vergoldetes Barockgitter getrennt, im Langhaus der Nonnenchor mit
prunkvollem ChorgestĂŒhl und Ausmalungen mit Bibel-Motiven.
Allerdings ließen die keineswegs asketischen Konventualinnen um 1700 vor
die spÀtmittelalterliche Inszenierung an den LÀngsseiten gerÀumige
Familienlogen bauen, was den Raum heute eher weltlich wirken lÀsst. Durch
eine Wand abgetrennt ist dann nach Westen die einstige Laienkirche mit
einem Altar von 1360. Hier stehen auch Vitrinen mit ausgewĂ€hlten BĂŒchern
aus der wertvollen Klosterbibliothek. Und darĂŒber thront die große
Barockorgel.
Freiraum auch fĂŒr Frau Reventlow
Draußen auf dem GelĂ€nde wurde in preußischer Zeit vieles nicht restauriert,
sondern abgerissen, etwa der spÀtmittelalterliche Kreuzgang. Aber andere
Teile wie die Nordfassade der Kirche wurden repariert und, dem Zeitgeist
gemĂ€ĂŸ, neugotisch ĂŒberformt.
Allerdings fĂŒhren diese Interventionen des 19. Jahrhunderts dazu, dass der
gotische Remter – der einstige Speisesaal – etwas zusammenhanglos im
GelÀnde steht. Er passt nicht recht zu den NachbarhÀusern, die wohlhabende
Adelsfamilien nach Aufhebung der Klausurpflicht seit dem 16. Jahrhundert
fĂŒr ihre Töchter bauten. Heute tragen die vielen frei stehenden GebĂ€ude mit
etwa 65 Mietern zum Einkommen des Klosters bei, manche von ihnen leben in
den ehemaligen Verwaltungsbauten in kleinen Wohnungen.
Doch die AdelshÀuser bieten nicht nur Wohnraum, sondern sind auch
architektonische Manifestationen der großen schleswig-holsteinischen
Familien. Da finden sich HĂ€user der Ahlefeldts, der Blomes, der
Liliencrons, der Rumors und der Qualens. Oder jenes der Baronin von
Reventlow, die zeitweilig ihre Nichte Franziska beherbergte, ein
skandalumwittertes Mitglied der MĂŒnchner Boheme des ausgehenden 19.
Jahrhunderts: Ein adeliges Damenstift wie eine kleine Stadt, formal ein
Kloster, faktisch eher ein Freiraum fĂŒr Frauen.
Das Leben und die Kunst hier basieren seit alten Zeiten vor allem auf der
Landwirtschaft und nicht auf finanzwirtschaftlichen Tricks. Es hat etwas
sehr BodenstÀndiges zu erfahren, dass beispielsweise die Sanierung eines
Kirchendaches gefÀhrdet ist, wenn die diesjÀhrige Getreideernte durch
Dauerregen faulig wird und der Wald durch wiederholte SturmschÀden schwer
geschÀdigt wurde.
Die Menge an Kaminholz fĂŒr den diesjĂ€hrigen Weihnachtsmarkt ist dafĂŒr umso
grĂ¶ĂŸer. Und auf dem Markt gibt es nicht nur WeihnachtsbĂ€ume aus den
KlosterwÀldern, sondern neben allerlei Kunsthandwerk auch eine Ausstellung
internationaler Weihnachtskrippen. Hinzu kommt die Versteigerung von
GemÀlden des Sylters Wolfgang Thoms. Vom Ertrag soll die Restaurierung der
im Kern mittelalterlichen, barock ĂŒberformten Malereien im Nonnenchor
mitfinanziert werden.
Adeliges Kloster zu Preetz, Klosterhof 5, 24211 Preetz. Weihnachtsmarkt am
9./10 und 16./17. 12., 11–18 Uhr, Kirchen- und KlosterfĂŒhrungen wieder ab
Ostern;www.klosterpreetz.de
9 Dec 2017
## AUTOREN
Hajo Schiff
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