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# taz.de -- Wer Dialoge scheut und wer nicht
> Die Filmemacherinnen Antje Kruska und Judith Keil über ihre Dokumentation
> „Inschallah“, Dreharbeiten in der Neuköllner Dar-Assalam Moschee und die
> schwierige Kommunikation mit dem Verfassungsschutz
Bild: Szene aus „Inschallah“: Imam Taha Sabri predigt in der Dar-Assalam Mo…
Interview Toby Ashraf
Antje Kruska und Judith Keil haben als Regisseurinnen und
Drehbuchautorinnen acht Filme in Co-Regie realisiert. Darunter die
Dokumentarfilme „Der Glanz von Berlin“ (2001), „Dancing with Myself“ (2…
und „Land in Sicht“ (2013). „Inschallah“ gewann bei der der Duisburger
Filmwoche den Publikumspreis, führte aber auch zu kontroversen
Diskussionen.
taz: Ihr Spezialgebiet sind dokumentarische Ensemble-Filme. Nun widmen Sie
sich zum ersten Mal einer einzelnen Person, dem Imam Taha Sabri. Wie kamen
Sie auf ihn?
Judith Keil: Unseren letzten Film „Land in Sicht“ hatten wir bereits in der
Dar-Assalam Moschee in Neukölln gedreht, weil einer unserer Protagonisten
da zur Freitagspredigt ging. Dort ist Taha Sabri Imam. Wir hatten zuerst
damit gerechnet, dass es nicht leicht sein würde, in einer Moschee eine
Drehgenehmigung zu bekommen, uns wurden jedoch sofort die Türen geöffnet.
Das war spontan eine tolle Begegnung mit Taha Sabri, bei der wir merkten,
dass sich unsere Befangenheit und unsere Vorbehalte in Luft auflösten, weil
wir sofort willkommen geheißen wurden. Wir konnten uns da dann auch ohne
Absprachen sehr frei bewegen.
Ihr Film beginnt mit dem Kamerablick auf eine Gruppe betender Männern. War
der Dreh also mit allen aus der Gemeinde abgesprochen oder reichte das Wort
des Imam?
Antje Kruska: In diesem Fall hat Taha Sabri den Dreh vor der
Freitagspredigt angekündigt, sodass Gemeindemitglieder vorher entscheiden
konnten, ob sie Teil nehmen möchten. Taha Sabri kann nicht jedes Mitglied
der Gemeinde befragen.
Keil: Es gehört zur Devise der Moschee, sich Medien und allen Neugierigen
zu öffnen. Das wissen die Gläubigen, die in diese Moschee kommen. Darüber
gibt es auch geteilte Meinungen. Nicht alle finden das toll.
Man merkt Ihrem Film an, dass zwischen Ihnen und Ihrem Protagonisten ein
freundschaftliches Verhältnis bestand.
Kruska: Was uns mit Taha Sabri verbunden hat, ist, dass wir ein ähnliches
Interesse teilen. Er ist zwar Imam und wir Dokumentarfilmerinnen, aber
trotzdem interessieren wir uns, wie er, für menschliche Geschichten und
versuchen durch sie zu verstehen, wie größere gesellschaftliche
Zusammenhänge funktionieren. Wir haben erst durch den Dreh richtig
verstanden, dass ein Imam nicht nur Predigten hält, sondern seine
Hauptaufgabe eine seelsorgerische ist. Seine Arbeit ist eine Gratwanderung
zwischen den Meinungen der Mehrheitsgesellschaft und einem muslimisch
treuen Leben.
Ihr Film hat einen erzählerischen Höhepunkt mit der Verleihung des
Verdienstordens des Landes Berlin an Taha Sabri. Danach gab es jedoch einen
medialen Backlash, als bekannt wurde, dass die Dar-Assalam Moschee unter
Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, weil man ihr und Sabri eine
Verbindung zur Muslimbruderschaft unterstellt. Es wirkt im Film wie eine
Kampagne gegen die Moschee, allerdings gehen Sie auch nicht weiter darauf
ein. Durch diese Wendung wird das vorherige, positive Bild in Frage
gestellt.
Kruska: Wir waren auf eine Art selbst geschockt, weil wir das vorher nicht
selbst herausgefunden hatten, und es auch nicht auf unserer Agenda stand
gegen Ende des Filmes nochmal eine Tiefenrecherche anzusetzen. Unsere
Haltung war aber sofort solidarisch mit unserem Protagonisten, was nicht
bedeutet, dass wir uns nicht mit dem Verfassungsschutz und einigen Experten
in Verbindung gesetzt hätten. Natürlich haben wir auch mit Taha Sabri
darüber geredet. Wir sind ziemlich schnell zu dem Schluss gekommen, dass
die Beschuldigungen gegen Sabri, heimlich radikal zu sein oder
verfassungswidrig zu operieren, nicht zusammenzubringen sind mit seinem
täglichen Engagement und dem, was er an der Seite des Bürgermeisters und
auch sonst öffentlich verkündet. Er hat uns in seiner Menschenliebe so
überzeugt, dass wir diesem Misstrauen gar nicht anheimfallen konnten und
uns ein Stück weit auch innerlich dagegen gewehrt haben. Wir wussten aber
gleichzeitig, dass wir dem auch nachgehen müssen. Wir hätten es im Film
gerne noch einen Tick ausführlicher behandelt, aber die entsprechenden
Vertreter, die man dafür hätte vor die Kamera bitten müssen, wollten das
nicht.
Was für Vertreter?
Kruska: Konkret hätten wir gerne einen sehr kritischen Journalisten mit
Herrn Sabri zusammen vor der Kamera erzählen lassen. Der Betreffende meinte
aber nur, er sehe darin keinen Sinn. Er hatte sein Urteil wohl schon
gefällt und den Willen, noch einmal hinter die Vorwürfe zu schauen und
durch ein ausführlicheres Gespräch wirklich den Dialog zu suchen, konnte er
nicht aufbringen. Das ist schade, einerseits für den Film, andererseits
besonders für den Imam, dessen Ruf durch wenige harte Zeitungsartikel
dauerhaft geschädigt bleibt. Den Leiter des Berliner Verfassungsschutzamts
hatten wir auch angefragt, sind aber nur bis zur Pressesprecherin
durchgedrungen, die uns erklärte, daran hätten sie kein Interesse. Außerdem
sei alles Wissenswerte im Verfassungsschutzbericht dokumentiert.
Was genau steht da?
Keil: In den Verfassungsschutzberichten 2014 und 2015 stand lediglich ein
Satz, der besagt, dass diese Moschee wie andere muslimische Vereine und
Verbände Verbindungen zum IGD (Islamische Gemeinschaft in Deutschland) hat,
der wiederum im Verfassungsschutzbericht im Kontext der Muslimbruderschaft
steht, die unter Beobachtung steht. Es ist quasi ein Drei-Stufen-Modell.
Dass Taha Sabri Menschen vom IGD kennt, bestreitet er nicht, was nicht
heißt, dass er dort Mitglied ist.
Es scheint für einen Skandal aber zu genügen, jemandem vom IGD die Hand zu
schütteln oder ihn in seiner Moschee zu begrüßen.
Kruska: Der Vorwurf, der Taha Sabri immer ereilt, ist, dass er sich nicht
genug vom IGD abgrenzt und sich nicht komplett von ihm lossagt. Viele
Reformer innerhalb des islamischen Diskurses fordern radikal ein, sich von
bestimmten Auslegungen des Korans und bestimmten Menschen klar zu
distanzieren. Die Frage ist: Wie entscheidet man sich in so einer
Schlüsselposition? Auf der einen Seite ist es wichtig und legitim klare
Grenzen zu setzen, auf der anderen Seite finden wir Sabris Weg legitim,
weil er engen Kontakt zu seiner Gemeinde hält und ihr durch seine liberale
Art in Bezug auf ein religiöses Leben ohnehin schon oft eine Nasenlänge
voraus ist. Es geht Sabri in seiner Arbeit darum, dass die Mitglieder der
Gemeinde glücklich sind und ihr Leben auch mit Freude leben können, ohne
sich durch die Religion eingeschränkt zu fühlen. Das versucht er zu
predigen und weiterzugeben und verweigert dabei nicht den Handschlag mit
Menschen, die für konservativere Varianten des Islam stehen. Das kann man
kritisch sehen oder aber sehen, dass Sabri dadurch eine Bewusstwerdung
bewirkt für bestimmte Problematiken und Risiken.
Keil: Wenn man sieht, was Taha Sabri tagtäglich macht, kann man an seinem
Wirken und Tun ablesen, wofür er eintritt, und dass das eben auch nicht
immer einfach ist innerhalb dieser Welt der Muslime. Sabri hat auch
innerhalb dieser Kreise viele Gegner und Feinde, weil er jemand ist, der
zum Beispiel Homosexuelle in die Moschee einlädt und sich für Frauenrechte
stark macht. Dafür, dass er viele Grenzen aufweicht, steckt Sabri viel
Kritik ein. Es zeigt sich, wie stark dieses Feld von allen Seiten
aufgeladen ist. Es ist ein heißes Pflaster, auf dem man mit jedem Schritt
eigentlich nur Fehler machen kann, egal in welche Richtung man geht. Dass
Sabri wacker dabeibleibt, bereitwillig Interviews gibt und den Dialog nicht
scheut, ist bewundernswert.
24 Nov 2017
## AUTOREN
Toby Ashraf
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