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# taz.de -- berliner szenen: Eine traurige Botschaft vom Postboten
Hallo, Frau B., wie geht’s dir?, fragt Postbote Michael. Seine Stimme
klingt wie immer sanft und entspannt. Er hat ein Päckchen in der Hand, für
Inge von oben. Sie bestellt viele Klamotten online. Wir sind die nette
Annahmestelle des Hauses, weil eine von uns immer gerade zu Hause
„arbeitet“.
Ich muss mit Postbote Michael sprechen, zum Glück ist auf Inges Kauflust
Verlass. Seit zwei Wochen hängt nämlich in unserem WG-Flur ein Flyer mit
dem Bild von einem traurigen Hund hinter Gittern, als Hinweis zu einer
Kundgebung gegen den Verzehr von Hundefleisch in China. „Den hat der
Postbote mir gegeben und irgendwie hat er ein bisschen aufgeregt gewirkt“,
sagte meine Mitbewohnerin.
Michael ist irgendwas mit 40 und trägt stets eine coole Southpark-Mütze. Er
weiß, dass ich Vegetarierin bin, ich hatte mal Blätterteigteile im Ofen und
ihm was davon angeboten, das er sofort in den Mund gesteckt hatte.
„Danke für den Flyer, meine Mitbewohnerin hat mir gesagt, dass der von dir
kam“, sage ich. „Aber solange die Leute hier Kühe und Schweine futtern,
werde ich niemandem in China sagen, welche Tiere sie dort essen können.“
„Ja, stimmt“, meint Michael, „ist natürlich auch ein Problem.“ Aber es…
gerade ein Jahrestag gewesen, deshalb hätten sie die Kundgebung gemacht.
„Wäre ja schon was, wenn hier weniger Leute viel Fleisch essen“, meine ich.
„Aber vegetarisch ist ja nicht richtig konsequent“, entgegnet er.
Michael ist seit circa einem Dreivierteljahr Veganer. Seitdem ist er
schmaler geworden und wirkt blasser. Aber so was kann ich ja nicht zu
meinem Postboten sagen.
„Besser als nichts“, sage ich deswegen, wir grinsen beide, und ich setze
meine Unterschrift zur Quittierung des Päckchens auf den kleinen
Bildschirm, den er mir entgegenstreckt. Bald ziehe ich um. Ich weiß noch
nicht, wann ich ihm das verrate.
Marion Bergermann
18 Nov 2017
## AUTOREN
Marion Bergermann
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