# taz.de -- Kurzkritik: Deutschland im Zerrspiegel | |
„Fatima Merkel?“ Heißt die deutsche Kanzlerin nicht Angela? Die beiden | |
Geflüchteten schauen verwundert von ihrem Hotelzimmer in Dresden auf die | |
Plakate der Pegida-Demonstrierenden. Die beiden gehören zum Exil Ensemble, | |
bestehend aus sieben Schauspieler*innen aus Afghanistan, Palästina und | |
Syrien, die sich Anfang des Jahres während einer Busreise auf die Suche | |
nach dem romantischen Deutschland gemacht haben. Stattdessen fanden sie: | |
Pegida, Polyamory und Kartoffelsalat. | |
Inszeniert wird das Stück „Winterreise“ von der aus Israel stammenden | |
Regisseurin Yael Ronen, die es schafft, ein Stück auf die Bühne zu bringen, | |
das, vor dem Hintergrund der Fluchtgeschichten der Schauspieler*innen, | |
einen ironisch erstaunenden Blick auf Deutschland präsentiert. | |
Die Schauspieler*innen agieren vor einer teilbaren Wand, die | |
Videoaufnahmen, Fotos und Zeichnungen ihrer Reisestationen zeigen. Als | |
Reiseleiter fungiert der einzige deutsche Schauspieler des Ensembles: Niels | |
Bohrmann. Der wird mit Fragen seiner Kolleg*innen konfrontiert und | |
scheitert daran, Deutschland zu erklären. „Wie lerne ich im Winter in | |
Deutschland neue Leute kennen? Arbeiten alle so viel, damit sie nicht | |
einsam sind?“ – die jungen Geflüchteten halten dem Publikum durch ihren | |
Blick als Neuankömmlinge einen Spiegel vor. | |
Besonders beeindruckend ist, wenn deutlich wird, was hinter Schlagwörtern | |
wie „Heimatverlust“ steht: In Monologen werden Einzelschicksale der | |
Schauspieler*innen und die Herausforderung, sich in einem neuen Land | |
zurechtzufinden, deutlich. Maryam Abu Khaled fasst ihre Ratlosigkeit | |
zusammen: „Niemand interessiert sich dafür, was du tust. Diese Freiheit | |
habe ich mir in meiner Heimat immer gewünscht, aber nun fühle ich mich | |
alleine.“ Sentimentalität kommt trotz der Schicksale durch den gekonnten | |
Umgang der Regisseurin mit Ironie im Kontext von historischen Konflikten | |
nicht auf. | |
Beruhigt geht man als Zuschauer*in dennoch nicht aus dem Stück heraus. Der | |
ehrliche Blick auf Deutschland – er ist zugleich erhellend als auch | |
erschreckend. Paula Högermeyer | |
Das Gastspiel war im Rahmen der „Bremer Freiheit“ am Theater Bremen zu | |
sehen. | |
4 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Paula Högermeyer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |