# taz.de -- Britische „Vogue“ wird politisch: Tradition beruht auf Verände… | |
> Für Edward Enninful ist Mode ein Dialog zwischen Leser*innen und ihrer | |
> Zeit. Der neue Chef krempelt die „Vogue“ zum Gesellschaftsmagazin um. | |
Bild: Edward Enninful und Naomi Campbell, nachdem ihm der Orden des britischen … | |
Es ist nicht nur interessant, dass Edward Enninful im Editorial der | |
britischen Vogue nicht zuerst von Mode, sondern von Politik schreibt. Es | |
ist vielleicht sogar entscheidend. Er spricht von seiner Mutter, die mit | |
ihrem Mann und sechs Kindern von Ghana nach London migrierte. Er spricht | |
davon, dass, egal ob man nun Brexit-Befürworter oder -Gegner ist, | |
anerkennen muss, dass die Tradition Großbritanniens – genauso wie die | |
Tradition der Mode – auf Veränderung beruht und die britische Gesellschaft | |
divers ist. Mode sei für ihn ein ständiger Dialog zwischen den Leser*innen | |
und der Zeit, in der sie leben – ein Gemenge aus Kunst, Politik und | |
Gesellschaft, schreibt Enninful. | |
Mit großer Spannung wurde die erste Ausgabe der britischen Vogue unter dem | |
neuen Chefredakteur erwartet. Am vergangen Freitag ist sie erschienen, und | |
schon zwei Tage zuvor, als schon das Cover veröffentlicht wurde, war klar: | |
Enninful macht Ernst. In der ersten Ausgabe geht es um Fragen nach | |
Herkunft und Klasse. Seit Jahren ist Edward Enninful einer der lautesten | |
Stimmen, wenn es um Diversität in der Modeindustrie geht, die Darstellung | |
nichtweißer Personen und gegen Rassismus. 2008 brachte er als Fashion | |
Director der italienischen Vogue zum ersten Mal eine Ausgabe nur mit | |
schwarzen Models heraus. 2016 bekam er für sein Engagement einen | |
Verdienstorden des britischen Empire verliehen. | |
Die Dezemberausgabe der britischen Vogue, für die Enninful nun als | |
Chefredakteur verantwortlich zeichnet, trägt den Titel „Great Britain“. Es | |
soll eine Ode an das großartige, das diverse Großbritannien sein. Und am | |
besten kann man die Tonlage und den Anspruch wohl unter dem fassen, was man | |
„postmigrantisch“ nennt. Also die Forderung danach anzuerkennen, dass man | |
in einer Einwanderungsgesellschaft lebt. | |
Die Seite [1][eins zeigt Adwoa Aboah mit Turban] und schillernd blauem | |
Lidschatten – eine Reminiszenz an ein [2][italienisches Vogue-Cover aus dem | |
Jahr 1971] mit Donna Jordan. Das Cover erinnert an die Mode der berühmten | |
Studio54-Partys im New York der späten 70er Jahre. Und in der Coverstrecke | |
im Blatt (Fotos: Steven Meisel, Styling: Edward Enninful) ist Aboah | |
dynamisch in Szene gesetzt: mal als Showgirl, mal als Diva, und immer sind | |
ihre Haare verhüllt mit einem Turban. | |
## Teil eines großen Ganzen | |
Adwoa Aboah ist das erste schwarze Model mit einem Solocover seit 12 | |
Jahren. Aboah ist britischghanaischer Herkunft, genau wie Enninful. Dass | |
ausgerechnet mit ihr aufgemacht wird, ist ein Statement. Denn Aboah ist | |
auch als Aktivistin bekannt. Die 25-Jährige tritt auf ihrer [3][Website | |
„Gurl Talk“] mit jungen Frauen in den Dialog über Feminismus, Diversität | |
und psychische Erkrankungen. Auf die Fotostrecke folgt ein Interview mit | |
ihr und Edward Enninful. „Was bedeutet es für dich, schwarz und britisch zu | |
sein?“, fragt er. Es sei etwas Besonderes, sagt sie. Aboah fühle sich als | |
Teil eines großen Ganzen. Enninful im Gegensatz habe sich zu Beginn seiner | |
Karriere in der Modeindustrie als eine der wenigen schwarzen Personen sehr | |
isoliert gefühlt. | |
Überhaupt sind neben der Mode (zum Beispiel die Schauspielerin Gwendoline | |
Christie in Haute Couture fotografiert von Juergen Teller) die Texte dieser | |
Ausgabe besonders interessant und von prominenten Autoren. Salman Rushdie | |
schreibt, wie in seiner multireligiösen Familie Weihnachten gefeiert wird. | |
Oder Naomi Campbell, die mit Enninful eng befreundet ist, trifft den | |
Londoner Bürgermeister Sadiq Khan. Beide wuchsen zur selben Zeit im Süden | |
Londons auf, beide als Kinder von Einwanderern. Das Gespräch ist nicht nur | |
aufgrund der vielen biografischen Parallelen interessant, sondern auch | |
deshalb, weil Campbell eine sehr gute Interviewerin ist. | |
Und noch ein großer Name taucht auf: Zadie Smith, herausragende | |
Schriftstellerin und ebenso geistreiche Essayistin, schreibt über die | |
Queen. Über deren etwas missbilligenden Blick, den Smith genauso aus der | |
britischen unteren Mittelklasse kennt. | |
Enninful ist der erste schwarze und der erste männliche Chefredakteur in | |
der über 100 Jahre alten Geschichte der britischen Vogue. Aber allem voran | |
ist er einer der weltweit profiliertesten Moderedakteure und Stylisten. Mit | |
gerade mal 19 Jahren wurde er Fashion Director des britischen Magazins i-D. | |
20 Jahre blieb er dort und prägte in den [4][90er] und [5][nuller] Jahren | |
die Ästhetik des einflussreichen Hefts maßgeblich. Er war für das Styling | |
von einigen ikonischen Bildern von Kate Moss und Naomi Campbell | |
verantwortlich. | |
## Diversität in der ästhetischen Repräsentation | |
Die Berufung von Enninful ist spannend, weil sie zeigt, dass Fragen nach | |
Diversität wichtiger werden in der Modeindustrie. Das hat nicht zuletzt | |
damit zu tun, dass Models wie Adwoa Aboah ihre eigene Wirkung in den | |
sozialen Medien nutzen, um Fragen nach Diversität in Redaktionen und | |
ästhetischer Repräsentation zu stellen. | |
Ende August zum Beispiel postete Naomi Campbell auf Instagram das Foto der | |
scheidenden Vogue-Chefin Alexandra Shulman, umringt von ihrer Redaktion – | |
[6][allesamt weiße Frauen]. Campbell freue sich auf ein inklusives und | |
diverses Team, wenn Edward Enninful kommt, schrieb sie darunter. | |
Aber die Berufung ist auch deshalb interessant, weil sie in eine Zeit | |
fällt, in der neben Feminismus auch Diversity zu einem Verkaufsargument für | |
die Branche zu werden scheint. Vielleicht wird bald über Modefragen hinaus | |
darüber diskutiert werden, inwieweit antirassistische Ideen in den | |
Mainstream schwappen und zu Sprüchen auf H&M-Mottoshirts verkümmern. | |
Ähnlich wie bereits Diskussionen über Popfeminismus breit geführt werden. | |
Enninful hat in jedem Fall einen starken Aufschlag gemacht. Wenn er das | |
Magazin so weiterführt, kann man die britische Vogue in Zukunft nicht nur | |
als Mode-, sondern in gleicher Weise als Gesellschaftsmagazin lesen. | |
14 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://covers.condenast.co.uk/api/v1/vg/2017/12/image/print/300/ | |
[2] https://agnautacouture.files.wordpress.com/2015/09/mx-2600n_20111005_133151… | |
[3] http://www.gurlstalk.com/ | |
[4] https://i-d.vice.com/de/article/7xbe99/ein-blick-zurueck-auf-edward-enninfu… | |
[5] https://i-d.vice.com/de/article/xwxdew/i-d-archiv-edward-enninfuls-beste-i-… | |
[6] https://www.instagram.com/p/BYGCHeFHW32/ | |
## AUTOREN | |
Amna Franzke | |
## TAGS | |
Mode | |
Mode | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zeitschriftenlaunch „Vogue Arabia“: Die Genugtuung der Außenseiter | |
2017 bringt der Verlag Condé Nast die neue „Vogue Arabia“ als | |
Hochglanzmagazin auf den Markt. Online gibt es das Heft schon jetzt. |