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# taz.de -- heute in bremen: „Gefährder sind ein politisches Konstrukt“
taz: Frau Graebsch, wann wird ein Mensch als Gefährder bezeichnet?
Christine Graebsch: Ein Mensch, der als „Gefährder“ bezeichnet wird, muss
niemanden gefährden. Es reicht zum Beispiel aus, wenn eine vage Vermutung
über Bezüge zum sogenannten „Islamischen Staat“ besteht. Zuletzt wurde der
Begriff „Gefährder“ einfach auf Menschen angewendet, die sich in
Abschiebungshaft befinden. Daran erkennt man, wie ungenau dieser Begriff
ist.
Wie genau wird bei einer Abschiebung von sogenannten „Gefährdern“
vorgegangen?
Die Abschiebung läuft im Schnellverfahren. Aufgrund eines polizeilichen
Verdachts kann der Innensenator eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die
Verdachtsmomente werden zuvor nicht von einem Gericht überprüft. Häufig
werden die Menschen dann sofort in Abschiebungshaft genommen. Sie haben
daraufhin sieben Tage Zeit, zum Bundesverwaltungsgericht zu gehen. Dies ist
die einzige gerichtliche Instanz, die über den Fall entscheidet.
Welche Bedenken haben Sie bei einem solchen Verfahren?
Die Abschiebung beruht auf einer bloßen Prognose, die auf Vermutungen und
Unterstellungen basiert. Es gibt nicht einmal mehr die Möglichkeit, sich
gegen den Verdacht in einem Strafverfahren zu verteidigen. Findet die
Abschiebung auf Grundlage des Verdachts statt, wird das Strafverfahren
einfach eingestellt.
Wie sollte Ihrer Meinung nach stattdessen mit „Gefährdern“ umgegangen
werden?
Dafür braucht es kein neues Konzept. Es muss hier, wie bei jedem Menschen,
garantiert sein, dass keine schwerwiegenden Eingriffe in Rechte auf
Grundlage von Vermutungen vorgenommen werden. „Gefährder“ sind ein
politisches Konstrukt, mit der der Staat sich erlaubt, Menschen
abzuschieben, selbst wenn sie hier verwurzelt sind, eine
Aufenthaltserlaubnis haben und noch niemals strafrechtlich in Erscheinung
getreten sind. Es ist ein Schritt in eine Precrime-Logik, wie sie aus
„Minority Report“ bekannt ist.
Interview: Paula Högermeyer
13 Nov 2017
## AUTOREN
Paula Högermeyer
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