# taz.de -- heute in bremen: „Da wurde ich skeptisch“ | |
taz: Herr Buhlrich, warum treten Sie als Zeitzeuge auf? | |
Friedrich Buhlrich: Drei meiner Geschwister wurden im Zuge der sogenannten | |
Euthanasie-Programme in der NS-Zeit getötet. Ich erzähle diese Geschichte, | |
damit Geschehnisse wie diese nicht in Vergessenheit geraten. Ein weiterer | |
wichtiger Punkt ist die Wiedergutmachung für die Opfer und deren | |
Angehörigen. Die hat meiner Meinung nach bis heute nicht richtig | |
stattgefunden. | |
Sie treten heute im Zuge der Ausstellung „Medizinverbrechen an Bremer | |
Kindern im Nationalsozialismus“ auf. Wovon genau werden Sie berichten? | |
Mein Leben besteht aus zwei Geschichten. Mit 21 Jahren wurde mir erzählt, | |
dass ich adoptiert sei. Irgendwann habe ich eine große Unruhe in mir | |
verspürt, wissen zu wollen, wo ich herkomme und wer meine leiblichen Eltern | |
sind. Ich habe mittels alter Fotoalben nach meinen Eltern gesucht. | |
Haben Sie Ihre Eltern gefunden? | |
Ich habe meine Mutter gefunden. Außerdem habe ich in einem alten Fotoalbum | |
die Sterbeurkunden meiner drei Geschwister entdeckt. Alle sind in Pflege- | |
und Heilanstalten untergekommen und sind kurze Zeit später gestorben. Als | |
Todesursache wurden Lungenentzündungen genannt. Da wurde ich skeptisch und | |
habe angefangen zu recherchieren. | |
Was haben Ihre Recherchen ergeben? | |
Mein Bruder Hans Wilhelm wurde in eine Pflegeanstalt gebracht, weil er | |
seinen rechten Arm nicht richtig kontrollieren konnte. Als meine Schwestern | |
bei einem Bombenangriff im Bunker nicht ruhig bleiben konnten, wurde dies | |
dem Jugendamt gemeldet. Von der gleichen Jugendamtsangestellten, von der | |
auch Hans Wilhelm seine Diagnose erhalten hatte, wurden auch meine | |
Schwestern Margret und Erika als bösartig und nicht lebenswert eingestuft. | |
Daraufhin wurden auch sie in ein Pflegeheim gebracht und kurze Zeit später | |
getötet. | |
Haben sich die Nachforschungen als schwierig erwiesen? | |
Mein Bruder war zuerst in einer Einrichtung in Oldenburg und wurde dann mit | |
102 anderen Kindern nach Bayern verlegt. Noch immer existiert die | |
Einrichtung als Krankenhaus und ich versuche seit mehreren Jahren | |
vergeblich Kontakt zu dessen leitendem Direktor aufzunehmen. Das war bis | |
jetzt vergeblich. Ich fordere seit Jahren auch von politischer Seite mehr | |
Unterstützung. Es gibt da sehr wenig Entgegenkommen. | |
Interview: Paula Högermeyer | |
7 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Paula Högermeyer | |
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