# taz.de -- das portrait: Konservativ und säkular: die türkische Parteigründ… | |
Meral Akşener ist eine starke Frau. Rhetorisch eindrucksvoll, nicht | |
einzuschüchtern und mit enormem Willen zur Macht, hat die 61-Jährige das | |
Potenzial, mit ihrer neugegründeten rechtskonservativen IYI-Partei (Gute | |
Partei) zu einer ernsthaften Bedrohung für Präsident Recep Tayyip Erdoğan | |
und dessen AKP zu werden. | |
Nach der früheren Ministerpräsidentin Tansu Çiller (1993–1996) ist Akşener | |
nun die erste Frau, die wieder auf der Führungsebene der türkischen Politik | |
mitspielt. Sie ist von Haus aus Akademikerin, zuletzt als | |
Fachbereichsleiterin für Geschichte an der Universität in Izmir, blickt | |
aber auch auf einen langen Weg als Politikerin zurück. | |
Im Jahr 1995 wurde sie erstmals als Abgeordnete ins türkische Parlament | |
gewählt, für die konservative Dogru Yol Partei (DYP) des damaligen | |
Präsidenten Süleyman Demirel. Nur ein Jahr später wurde sie in der | |
Koalitionsregierung unter dem Islamisten Necmettin Erbakan Innenministerin. | |
Sie war die erste und bislang letzte Frau auf diesem Posten in der Türkei. | |
Im Gegensatz zur islamischen AKP repräsentiert Meral Akşener die | |
republikanische, säkulare Rechte, die sowohl in der ultrarechten MHP und | |
dem rechten Flügel der sozialdemokratischen CHP als auch beim | |
nationalistischen Flügel der AKP Unterstützer hat. Akşener, verheiratet und | |
Mutter eines Sohnes, ist zwar Muslimin und auch schon nach Mekka gereist. | |
Sie würde sich nach eigener Aussage aber nie ein Kopftuch aufsetzen. | |
Nachdem Dogru Yol in den nuller Jahren zerbrach, machte Akşener Karriere | |
bei den Ultranationalisten in der MHP. Ihr politischer Aufstieg dort endete | |
abrupt, als MHP-Chef Devlet Bahçeli sich immer mehr Erdoğan andiente, | |
dessen Islamisierungspolitik sie ablehnt. Innerhalb der MHP trat sie gegen | |
Bahçeli an, um selbst die Parteiführung zu übernehmen. | |
Die Folge war eine auch von der AKP mitinitiierte Verleumdungskampagne | |
gegen die Politikerin. Da Erdoğan wusste, dass er die Unterstützung der MHP | |
für seine Verfassungsänderung verlieren würde, wenn Meral Akşener den | |
MHP-Chef Bahçeli ablöst, unterstützte er alle juristischen Tricks, mit | |
deren Hilfe Akşener letztlich aus der MHP herausgeworfen wurde. | |
Im Herbst 2016 musste sie die MHP verlassen. Schon bald darauf kündigte sie | |
an, sie werde eine neue Partei gründen. Im April dieses Jahres unterstützte | |
sie bei etlichen Auftritten die Nein-Kampagne gegen die | |
Verfassungsänderung. Sie ließ sich auch von gewaltsamen Angriffen nicht | |
davon abbringen. | |
Auf dem Gründungsparteitag am Mittwoch erklärte sie, dass sie 2019 für das | |
Präsidentenamt kandidieren will. Akşeners Partei könnte zu einem | |
Sammelbecken der laizistischen Rechten werden, die auch für viele | |
bisherigen AKP-Wähler, die den zunehmend islamischen Kurs Erdogan ablehnen, | |
attraktiv wäre. | |
Meinungsforschern zufolge dürfte die neue Partei bei Wahlen rund 20 Prozent | |
erzielen. In der patriarchalischen türkischen Politik könnte damit | |
ausgerechnet eine Frau zur größten politischen Herausforderung für | |
Präsident Erdoğan werden. Wolf Wittenfeld | |
26 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Wolf Wittenfeld | |
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