# taz.de -- heute in hamburg: „Nicht per se kurdisch“ | |
taz: Frau Özban, warum sollte man sich „Veşartî“ nicht entgehen lassen? | |
Esra Özban: Es ist ein Film, den man so noch nie gesehen hat. Er ist | |
absolut einzigartig und auf mehreren Ebenen interessant. Zum einen auf | |
technischer und ästhetischer Ebene, zum anderen die Geschichte. Sehr | |
mehrschichtig und ungewohnt. | |
Inwiefern? | |
Im Film sieht man zum Beispiel nie die Person, die gerade spricht, sondern | |
nur die, die zuhört. Das ist zunächst verwirrend und man muss sich erst | |
daran gewöhnen. Außerdem handelt es sich um einen sehr politischen Film, | |
aber nicht, wie man es von einem kurdischen Film erwartet. | |
Was unterscheidet den Film von anderen kurdischen Filmen? | |
Viele Leute erwarten, dass kurdische Filme sich mit dem Kurdenkonflikt | |
beschäftigen. In „Veşartî“ geht es aber nicht um den Konflikt. Der | |
Regisseur Ali Kemal Cinar nimmt eher feministische Perspektiven ein, | |
dekonstruiert seine eigenen männlichen Privilegien. Er beschäftigt sich | |
viel damit, Normen aufzubrechen, und mit Themen wie Geschlechterkonvention | |
und Familie. | |
Worum geht es in dem Film? | |
Es geht um einen Mann, der einen Kiosk besitzt. Er heißt Ali Kemal, wie der | |
Regisseur. Der spielt auch die Hauptrolle. Eines Tages kommt eine Frau zu | |
ihm und sagt ihm, dass er bald eine Frau sein werde. Der Mann führt jedoch | |
ein ziemlich heterosexuelles Leben und will bald seine Frau heiraten. Die | |
Prophezeiung stürzt ihn und seine Familie also in einen Konflikt. Die | |
Geschichte ist eine Referenz auf die kurdische Sage „Mem und Zin“. | |
Die Zuschauer*innen verfolgen also seine Verwandlung zu einer Frau? | |
Nicht direkt. Eher seine Gedanken und die Konflikte, die jetzt entstehen, | |
seinen Umgang mit der zukünftigen Situation, die Reaktion seiner Familie | |
und die Frage, was aus der Beziehung zu seiner Frau wird. Es geht viel | |
darum, zu verhandeln, was männlich und was weiblich ist. | |
Gibt der Film einen Einblick in Debatten über Männlichkeit in Kurdistan? | |
Das würde ich so nicht sagen. Das Thema ist nicht kurdisch per sé, sondern | |
es werden generelle, gesellschaftliche Fragen aufgeworfen: Wie gehen wir | |
mit Geschlecht um, wie mit sexueller Orientierung? Der Film geht über | |
klassische LGBTQI-Themen hinaus und betrifft uns alle. | |
Interview: Katharina Kücke | |
Kino „Veşartî | Hidden“ (kurdisch mit türk. und engl. Untertiteln), im | |
Rahmen der Lesbisch Schwulen Filmtage: 17.15 Uhr, Passage Kino, | |
Mönckebergstraße 17 | |
20 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Katharina Kücke | |
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