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# taz.de -- „Die Konservativen haben die FPÖ ins politische System integrier…
> Der Politologe Hajo Funke über den Wahlsieg der ÖVP in Österreich und die
> Strategie konservativer Parteien, rechte Inhalte für sich zu
> vereinnahmen.
Interview Antonia Groß
taz: Herr Funke, sieht man am Wahlsieg der ÖVP in Österreich, dass eine
konservative Partei die Inhalte einer rechten Partei übernehmen und damit
gewinnen kann?
Hajo Funke: So kann man das nicht sagen. Dem ging in Österreich eine
spezifische Entwicklung voraus. Die FPÖ hat sich seit etwa 30 Jahren
rechtspopulistisch radikalisiert. Und sie ist schon einmal, 2000, mit der
ÖVP eine Koalition eingegangen. Das heißt, es ist umgekehrt: Die ÖVP hat
die FPÖ anerkannt und de facto in das System integriert.
Die ÖVP hat schon seit geraumer Zeit ähnliche Thesen wie die FPÖ vertreten.
Nun gab es eine Eskalation der innenpolitischen Lage. Sebastian Kurz ist im
Grunde ein rechtspopulistischer Putsch gegen die alte ÖVP gelungen. Diese
spezifische Entwicklung ging nur in Österreich, wo ein beträchtlicher Teil
der Bevölkerung ohnehin schon diesen Kurs unterstützt. Sonst wäre der
Erfolg gar nicht denkbar. Es haben sich ja schon Jörg Haider und dann
Strache mit rechtspopulistischen Thesen gegen den Islam und die Flüchtlinge
durchgesetzt. Die rechtspopulistische Mehrheit gab es also schon längst –
Kurz hat sich jetzt an deren Spitze gesetzt. Das wäre in Deutschland so
nicht möglich gewesen.
Die konservative Partei hat also die rechten Wähler nicht abgegriffen?
Die waren in der ÖVP schon da. Kurz hat diesen Prozess nur radikalisiert.
In Österreich haben wir eine besondere Situation. Für die deutsche
Konstellation wäre das eher verhängnisvoll und würde zur Spaltung führen.
Nehmen wir Osteuropa mit in den Blick. Nähern sich rechte Parteien
ideologisch einander an?
Die können sich schon einigen, dass sie alle gegen den Islam und die
Muslime im Land sind. Ihre jeweiligen Nationalismen sind nicht automatisch
gegeneinander gerichtet, es gibt durchaus ideologische Schnittmengen. Das
gilt für Russland, Ungarn, Polen. Sie stehen sich nah in der Frage eines
undifferenzierten Umgangs mit dem Islam und Muslimen.
Es geht aber darüber hinaus: Die Rechtspopulisten plädieren in
unterschiedlicher Intensität für eine autoritäre Umordnung. Und sie sind
erheblich euroskeptisch. Das ist Kurz nur begrenzt, zumindest in seiner
Ausdrucksweise. Aber natürlich erschwert das Ergebnis die Zukunft
proeuropäischer Initiativen. Die FPÖ ist nicht nur Europa-, sondern auch
euroskeptisch. Ich sehe aber nicht kommen, dass sich Österreich aus dem
Euro zurückzieht. In der FPÖ gibt es zwar diese Tendenzen, die haben aber
nicht die Mehrheit.
Was bedeutet denn Kurz’ Wahlsieg für den sich stabilisierenden Trend
rechter Parteien in Europa?
Er erhöht die Lähmungs-Trends. Es kommt jetzt darauf an, dass es nicht zu
weiteren Rückschlägen kommt. Die Ideen des französischen Präsidenten Macron
gehen ja dahin, dass man neue Initiativen für Europa braucht – besonders
für eine flexible Wirtschafts- und Finanzpolitik oder gegen
Jugendarbeitslosigkeit. Man kann arbeitsmarktpolitisch unendlich viel
gestalten, ohne die europäischen Verträge ändern zu müssen. Ein Kleinstaat
wie Österreich ist erst einmal keine so erhebliche Bremse. Selbst die
kleinen Staaten in Osteuropa müssen das nicht behindern, wenn die
europäische Kommission und besonders Deutschland und Frankreich flexibel
gegensteuern.
Und das Verhältnis zu Ungarn und Polen?
Man orientiert sich stark an Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Das ist
nicht gut für Minderheiten. Das betrifft nicht nur Flüchtlinge, da lugt
auch der Antisemitismus schnell hervor. Kurz hat seinen populistischen
Wahlkampf durch das Bashing der Flüchtlinge gewonnen. Er kann aber die ÖVP
auch nicht völlig vor den Kopf stoßen. Wenn er es zu weit treibt, bricht er
die Brücken nach Deutschland ab. Außerdem ist es ein kleiner Staat. Wenn
Kurz sich zu groß aufbauscht, wird er an anderen Sachen scheitern.
17 Oct 2017
## AUTOREN
Antonia Groß
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