# taz.de -- Luxus, Events und Intrigen | |
> Der Kunstmarkt boomt wie nie. Dass es vor 300 Jahren schon Vergleichbares | |
> gab, zeigt die Ausstellung „Die Geburt des Kunstmarkts“ im Hamburger | |
> Bucerius Kunst-Forum | |
Bild: Neben Hochpreisigem gab es auch damals schon Kunst fürs breite Publikum:… | |
Von Hajo Schiff | |
Jede Woche ist in Europas Städten irgendwo eine Kunstmesse, dieses Jahr | |
gilt aufgrund der großen Ausstellungen gar als „Superkunstjahr“. Der | |
Kunstbetrieb ist längst unverzichtbarer und erfolgreicher Bestandteil der | |
Kultur geworden und der Kunstmarkt scheint trotz einzelner Skandale und | |
aller Kritik zu boomen wie noch nie. Aber ein Blick zurück in die | |
Kunstgeschichte lehrt: Es gab Vergleichbares schon vor 300 Jahren. | |
Zwar war Hamburg im 18. Jahrhundert einer der führenden deutschen | |
Kunstauktionsorte (was auch wenig bekannt ist), aber nirgends explodierten | |
die Kunstvermarktung und die Kunstproduktion derartig wie in den nördlichen | |
Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Es ist das Verdienst der ersten eigenen | |
Ausstellung von Franz Wilhelm Kaiser als Direktor des Bucerius Kunst-Forums | |
in Hamburg, diesen boomenden Luxusmarkt als Basis der im Prinzip ja | |
bekannten Bildproduktion der damaligen Zeit zu thematisieren. | |
## Boomender Luxusmarkt | |
Mitten in für Europa kriegerischen Zeiten hatte sich zwischen 1580 und 1620 | |
die Zahl der Künstler in den bevölkerungsreichen und wohlhabenden | |
holländischen Handelsstädten am Wasser rund verzehnfacht. Aufträge von Adel | |
und Mäzenen sowie der weitgehend bilderfeindlichen reformierten Kirche | |
spielten allerdings keine große Rolle mehr, Bilder wurden in der neureichen | |
Bürgergesellschaft stattdessen zur allgemeinen Massenware für die | |
Wohnungsausstattung. | |
Von der Bilderflut der abertausend schnell gemalten Kleinformate zum Preis | |
von wenigen Gulden ist heute nur wenig erhalten, aber auch von den besseren | |
und bekannteren im Gegenwert eines Facharbeitertageslohns höchstens ein | |
Drittel. Erst eine Vorstellung davon, wie viel größer als erhalten diese | |
Produktion war, lässt den ungeheuren Umfang erahnen. | |
Das Erhaltene zeigt aber auch die hohe Wertschätzung, die der neuen | |
Thematik und Malweise mit den realistischen und oft drastischen | |
Genrebildern oder den „Tronies“ genannten Typenporträts, den höchst | |
präzisen Stillleben und kleinen, aber den Bildraum weit öffnenden | |
Landschaftsmotiven in neuer Ton-in-Ton-Malerei noch lange nach dem | |
damaligen Boom entgegengebracht wurde, so beispielsweise in den Sammlungen | |
in Hessen-Kassel oder in Mecklenburg. Bis heute ist eine bemerkenswert | |
große niederländische Kleinmeister-Sammlung im Landesmuseum in Schwerin | |
erhalten. | |
Neu war neben dem Verkauf der Bilder auf dem Markt damals auch die | |
Spezialisierung der Maler. Um den Markt schneller kompetent bedienen zu | |
können, produzierten sie serienweise nur gering variierte Themen. Die | |
Ausstellung im Bucerius Kunst-Forum macht dies durch entsprechende | |
Gruppierungen der gut hundert Arbeiten gut nachvollziehbar: Philips | |
Wouwerman war der Pferdemaler, bei Paulus Potter ging es stets um Kühe, für | |
Jagdstillleben mit toten Hasen war Jan Weenix zuständig. | |
Im variantenreichen Thema Landschaft gab es Fachmaler für die Visionen von | |
für Holland ganz exotischen, reißenden Gebirgsbächen und natürlich, für die | |
niederländische Seehandelsmacht kaum verwunderlich, allerlei sehr | |
geschätzte und deshalb dann auch teure Seestücke. Hier gibt es ein für den | |
unheroischen Realismus dieser bürgerlichen Malerei besonders schönes | |
Beispiel: Ein dem siegreichen Maerten Harpertsz. Tromp gewidmetes Bild | |
zeigt den Admiral kaum erkennbar mit anderen in einem kleinen Beiboot, | |
während das weite Meer und das stolze Schiff das Bild von Simon de Vlieger | |
dominieren. | |
## Kunstkauf als Event | |
Anfang des 17. Jahrhunderts wurde der Kunstmarkt schon mit allen, auch | |
heute noch ebenso gern genutzten wie kritisch gewerteten Tricks angeheizt: | |
Es gab Kneipenausstellungen und Messen, Auktionen und Lotterien und sogar | |
Schießwettbewerbe für Bilder. Mit Kunst wurde spekuliert (es ist ja auch | |
die Zeit der Tulpenzwiebel-Spekulation) und für das breite Publikum wurde | |
die Kunst „eventisiert“ und im Pauschalangebot mit Musik, Getränken, Essen | |
und Tabak vertrieben. | |
Aber neben dem großen Markt gab es ein Hochpreissegment vor allem für den | |
Export: Hier ging es um monatelang produzierte Feinmalerei etwa von Gerard | |
Dou aus Leiden und um die jahrhundertelang stets wichtigste Kunstgattung, | |
die Historienmalerei, hier aus der Amsterdamer Schule von Pieter Pietersz. | |
Lastman. Dabei wurden niederländische Werke an die internationale | |
Kundschaft nun erstmalig durch spezialisierte Kunsthändler vermittelt – | |
auch wenn sie dabei noch oft von der Fürsprache der Hofmaler der Fürsten | |
abhingen. | |
So diskreditierte der selbst in Holland ausgebildete Henrik de Fromantiou | |
wohl im Interesse eigener Favoriten ein Angebot aus Amsterdam von 13 | |
Bildern für den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg als | |
Fälschungen. Obwohl er damit im Unrecht war, ruinierte das trotzdem die | |
Geschäfte des Händlers Gerrit van Uylenburgh. | |
Die schönen Künste kannten also immer schon höchst unschöne Intrigen. | |
Dieses Thema des europaweiten Handels mit hochpreisiger, teils damals auch | |
schon historischer und importierter Ware wird im oberen Stockwerk des | |
Ausstellungshauses am Rathaus behandelt. Ein Beispiel dafür ist die Firma | |
Hendrick van Uylenburgh & Zoon. Hier wurden in der eigenen Werkstatt Bilder | |
und Rahmen produziert, Aufträge für beispielsweise immer gut bezahlte | |
Porträts akquiriert, aber auch anonyme Marktware und Drucke vertrieben. | |
Auch der heute so berühmte Rembrandt Harmensz. van Rijn kaufte sich als | |
Werkstattleiter in diesen Kunstbetrieb ein – und heiratete dazu noch | |
Saskia, die Nichte des Betreibers. Interessant ist auch die neuerdings gut | |
dokumentierte Geschichte des Börsenhändlers, Kunstliebhabers und eben nicht | |
aus Malerkreisen stammenden Kunsthändlers Johannes de Renialme. | |
Wie zum Ende des niederländischen „Goldenen Zeitalters“ die Kunstvorlieben | |
sich vom speziell holländischen Realismus abwandten und dem allgemeinen | |
Barock anglichen oder sich historischen Positionen zuwandten, zeigt die | |
Ausstellung dann anhand des Ausmalungsprojekts für das höchst prunkvolle | |
neue Amsterdamer Rathaus um 1660, bei dem Rembrandts Entwürfe schon als zu | |
altmodisch abgelehnt wurden. Insgesamt ist das Schöne an dieser | |
Ausstellung: Sie lässt die Wahl, in alter Feinmalerei zu schwelgen oder | |
sich mit viel Lesen in die hochinteressante Sozialgeschichte der Kunst zu | |
vertiefen. | |
„Die Geburt des Kunstmarktes“, Bucerius Kunst-Forum, Hamburg. Bis 7. Januar | |
2018 | |
Katalog im Hirmer-Verlag, 208 S., 29 Euro | |
14 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Hajo Schiff | |
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