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# taz.de -- Eröffnung der Frankfurter Buchmesse: Macron spricht, Merkel läche…
> Emmanuel Macron hält die Eröffnungsrede und spricht über die Vision eines
> kulturell und politisch geeinten Europas. Merkel hört aufmerksam zu.
Bild: „Mon Dieu, Emmanuel!“ Macron, Merkel
Frankfurt/Main taz | Wenn Emmanuel Macron kommt, dann kommt sie auch:
Kanzlerin Angela Merkel eröffnete gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsident
die 69. Frankfurter Buchmesse. „Macron liebt Merkel“, hat der
deutsch-französische Politiker und Publizist Daniel Cohn-Bendit bereits am
Rande diverser Treffen mit Macron während des Dienstags gesagt. Und die
Kanzlerin zeigte dies tatsächlich am Abend im Congress Center der
Frankfurter Messe.
„Mein lieber Emmanuel“, begrüßte Merkel den 39-jährigen französischen
Staatspräsidenten. Man hörte und sah es: Das kommt von Herzen. Ein „mein
lieber Horst“ dürfte kaum je so klingen. Und mit einem Scherz, dass sie,
die frühere DDR-Bürgerin, näher am Russischen als am Französischen gebaut
sei, griff sie Macrons voriges Plädoyer für eine gemeinsame europäische
Sprach-, Austausch- und Bildungsoffensive auf.
Doch im Gegensatz zu Macron blieb die deutsche Kanzlerin dabei sehr im
freundlich Ungefähren. Macron betonte, was er auch in einem Gespräch mit
Cohn-Bendit an der Frankfurter Universität zuvor ausführte und in einer
programmatischen Rede an der Pariser Sorbonne formuliert hatte: Europa
braucht gemeinsame kulturelle Visionen. Gegen den Geist von Abschottung und
nationalistischer Provinzialität setzt er auf das „Erasmus-Prinzip“.
## Sechs Auslandsmonate für alle
Alle, ob Schüler, Lehrlinge oder Studenten, sollen bis zu ihrem 25.
Lebensjahr sechs Monate im Ausland zugebracht haben. Sich unabhängig von
ihrer Herkunft in anderen Sprachen und Kulturen bewegen lernen. Ein
europäisches Studium muss her. Universitäten, an denen Sprachvielfalt
selbstverständlich sein muss. Allein 550.000 Schüler würden seit September
in Frankreich Deutsch lernen. Sprachen, die Brücken der Verständigung.
Und die Kanzlerin? Sie hörte es gerne, sagte aber wenig. Offenbar sah ihr
Manuskript dazu wenig vor. Immerhin freute sie sich, dass Macron auch die
Russen ins Europäische mit eingeschlossen hatte. Und auch beim Thema
Meinungsfreiheit (Türkei etc.) schöpfte sie aus ihrer DDR-Erfahrung: „Ich
weiß, wie wichtig es ist, auch die Bücher lesen zu dürfen, welche man lesen
möchte.“ Man glaubt es ihr. Anderes auch, wie ihre Appelle an die Tradition
des deutsch-französischen Kulturaustauschs, der stärker sei als die
zerstörerische Kraft der früheren Kriege.
Doch die Impulse für die Gegenwart kamen in Frankfurt von Macron. Sie
überwanden auch eine nur halbdurchdachte Dramaturgie der Eröffnungsfeier
und die verunglückte Simultanübersetzung. Macron musste nach einer Sprach-
und Bildperformance von Wajdi Mouawad auf die Bühne. In dieser ging es
zuvor um das antike Troja, ein Massaker an Kindern während des
libanesischen Bürgerkriegs, Hundegebell sowie um die unabdingbare
moralische Verantwortung des Einzelnen. An Drastik war dies kaum zu
überbieten.
Offenbar sollte mit dieser einzigen künstlerischen Position der Raum für
den Ehrengast Frankreich symbolisch abgesteckt werden. Doch wer nicht
wusste, dass Mouawad ein in Paris lebender Kanadier libanesischer Herkunft
ist, konnte dies als einen Hinweis auf den neuesten Stand zur Debatte um
die „Francophonie“ bestenfalls erahnen.
Fragen von Identität, pluralen und globalisierten Nationen war Macron
tagsüber an der Universität nachgegangen. Er, der sich den Studenten auch
generationell nahe zu fühlen scheint, sprach davon, eine Vision von Europa
zu entwickeln.
## Helmut Schmidts „Visionen“
Cohn-Bendit wies ihn aber darauf hin, dass in Deutschland immer noch ein
Satz von Altkanzler Helmut Schmidt gelte: „Wer Visionen hat, sollte zum
Arzt gehen.“ Macron setzt für die Zukunft auf europäische Wahllisten, wo
mit der Erststimme national gewählt und mit der Zweitstimme europaweit die
Präsidentschaft der Kommission bestimmt wird.
Fragen von nationaler Souveränität und Dumping könne man ohnehin nur
europäisch begegnen. Wofür man, wie für die gemeinsame Einwanderungs- oder
Bildungspolitik, entsprechende europäische Haushalte brauche.
Wohin sich Merkel da künftig bewegen wird, ließ sie noch nicht richtig
anklingen. Immerhin: Die zwei mögen sich. Und wer nicht will, dass Le Pen
oder Linkspopulisten wie Mélenchon die EU zertrümmern, wird den beiden viel
Erfolg wünschen. Und darauf hoffen, dass das kommende Kabinett Merkel den
französischen Reformzug nach Kräften unterstützt.
Was Didier Eribon und einige andere französische Linksintellektuelle
derzeit hingegen an Macronkritik (wie am Dienstag in der SZ) verbreiten,
ist eine Posse. Es klingt eins zu eins wie die alte KP-These vom
Sozialfaschismus aus den 1920er Jahren. Dabei hat der vulgäre
Antikapitalismus mit seinen schablonenhaften Neidmetaphern schon einmal
einen verhängnisvollen Beitrag geleistet, um Europa und die Welt in
Abgründe zu schicken.
11 Oct 2017
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
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