# taz.de -- nord.thema: „Manche Menschentun für ihr Tier mehr als für ihre … | |
> FÜTTERN Zwar ist die Idee, ein Tier artgerecht zu ernähren, unbestreitbar | |
> gut – aber ob die HalterInnen das nötige Wissen haben, Hunde und Katzen | |
> zu füttern, muss bezweifelt werden: Futtermittelforscher Josef Kamphues | |
> erläutert den Sinn und den Unsinn sogenannter „Home made diets“ für | |
> Haustiere – und erklärt, warum sich nicht bei allen Haustierarten der | |
> Futtermarkt so rasant ändert wie bei Katzen und Hunden | |
Bild: Auf eine lebende Salatgurke zu treffen, gehört zu den absoluten Horrorvo… | |
taz: Herr Kamphues, wie hat sich die Ernährung von Heimtieren verändert? | |
Josef Kamphues: Welche Heimtiere meinen Sie denn? Da gibt es große | |
Unterschiede in der historischen Entwicklung. Kaninchen zum Beispiel waren | |
sehr lange einfach Fleischlieferanten. Bis in die 80er des vorigen | |
Jahrhunderts hatte fast jeder mit einem Garten Kaninchen und hat diese auch | |
geschlachtet. Da war die Fütterung natürlich anders als bei den heutigen | |
Hauskaninchen. Denn wer einen Garten hat, der hat da vielleicht auch noch | |
Möhren, Kohl oder Luzernen angebaut – das kriegten natürlich auch die | |
Kaninchen. Heute hat das kaum noch jemand. Bei Ziervögeln ist es wieder | |
ganz anders, da hat man als Kanarienvogel-Liebhaber auch schon vor 200 | |
Jahren Hirse gekauft. | |
Und wie ist es bei Hunden und Katzen? | |
Man muss zum Beispiel fragen, wie lange diese Tiere Freigänger waren und | |
seit wann sie nur noch im Haus lebten. Damit hat sich die Fütterung stark | |
verändert. Sie bekamen zunächst einfach die Reste vom Tisch, in den 50er- | |
bis 60er-Jahren wurde das dann weniger. Dann war es üblich, dass man sich | |
vom Schlachthof diverse Schlachtnebenprodukte für die Hunde holte. Aber | |
schon bald gab es industriell hergestelltes Futter, was mit großer | |
Begeisterung angenommen wurde. Endlich musste man nicht mehr zweimal die | |
Woche zum Schlachthof, sondern konnte einfach die Tüte aufreißen und | |
fertig. Ungefähr 20 Jahre lang waren alle glücklich. Dann kamen die „home | |
made diets“ – seit zehn Jahren ist das der absolute Trend. Ganz nach dem | |
Motto: „Wenn ich sonst für niemanden mehr kochen kann, dann koch’ich | |
wenigstens für meinen Hund“. | |
Und wenn man für sich nur vegetarisch kocht? | |
Es gibt immer wieder Leute, die ihr eigenes Ernährungsverhalten auf ihren | |
Hund übertragen möchten. Nicht alle, aber doch einige. Solche Anfragen | |
klingen dann oft so: „Nachdem ich meine Ernährung umgestellt habe und nur | |
noch vegetarisch esse, möchte ich das für meinen Hund auch.“ Bei Hunden | |
kann man das, unter bestimmten Voraussetzungen, sogar hinbekommen. | |
Bei Katzen nicht? | |
Nein, bei Katzen absolut nicht! Das sind klassische Beutegreifer, die | |
verputzen die komplette Maus – mit Knochen, Leber und Krallen. Und die | |
brauchen das auch alles. Sie können ihrer Katze drei Mal am Tag Möhrenbrei | |
geben, wenn ihnen das Spaß macht, aber der Katze hilft das nicht. Sie kann | |
aus dem Karotin der Möhren kein Vitamin A machen! | |
Woran liegt es, dass so viele Tierhalter für ihre Hunde selbst kochen? | |
Manchmal tun Menschen für ihr Tier mehr als für ihre Mitmenschen. Dieser | |
Trend des Kochens ist, historisch gesehen, eine Rolle rückwärts. Die | |
Futterindustrie hat tolle Produkte, der Mensch will das aber gar nicht | |
alles. Das Füttern ist Teil seines Hobbys. Er verbringt möglichst viel Zeit | |
damit, das Tier möglichst glücklich zu machen. Er freut sich, wenn sein | |
Hund sich freut. | |
Ist selbst gekochtes Futter denn besser? | |
Grundlegend ist der Gedanke, ein Tier artgerecht zu ernähren, richtig. Und | |
bei den „home made diets“ oder auch Barf ist die Vorstellung, dass das der | |
natürlichen Nahrungsaufnahme am nächsten kommt. Aber ich bezweifle, dass | |
die Tierhalter, als Laien, das tatsächlich hinbekommen. Wir in der | |
Forschung, und auch die Futtermittelproduzenten, wissen genau, welche | |
Inhaltsstoffe in den einzelnen Ausgangskomponenten enthalten sind und | |
welche der Hund davon in welcher Menge braucht. Man kann Hunde mit | |
gekochten Kartoffeln und Bauchspeck gut ernähren, wenn man genau weiß, was | |
da drin ist und welche Stoffe dann noch fehlen. Ich weiß das, aber wissen | |
dass auch andere Tierhalter? Um für seinen Hund artgerechtes Futter | |
herzustellen, muss man sich viel Wissen aneignen, Bücher und Tabellen zu | |
Rate ziehen und sich einige Gedanken machen – sonst scheitert man bei dem | |
Versuch. | |
Gibt dazu wissenschaftliche Untersuchungen? | |
Viele sogar! Bei einer Studie wurde unlängst herausgefunden, dass zirka 20 | |
Prozent der Hunde, die mit selbst gekochtem Futter ernährt wurden, an | |
Calcium-Mangel litten. Das lässt sich auch ganz einfach erklären. Rotes | |
Fleisch hat kaum Calcium, dafür viel Phosphor; um den Calciumbedarf zu | |
decken, muss mindestens einmal pro Woche Knochen gefüttert werden. | |
Und bei fertigem Futter besteht die Gefahr nicht? | |
Immer wenn das Futter als „Alleinfuttermittel“ ausgewiesen ist, bin ich | |
beruhigt. Dann kann nicht mehr viel schief gehen. Denn diese Bezeichnung | |
dürfen nur Produkte tragen, die alle relevanten Inhaltsstoffe enthalten. | |
Natürlich gibt es dann noch Qualitätsunterschiede. Einfach gesagt, können | |
es sich die Produzenten von teurem Futter leisten, qualitativ hochwertigere | |
Ausgangskomponenten zu verwenden – das macht sich dann auch im Endprodukt | |
bemerkbar. | |
Also ist teures Futter besseres Futter? | |
Pauschal kann man das so nicht sagen, aber oft schon. Doch man muss auch | |
mal über die eigenen Ansprüche nachdenken. Es ist völlig in Ordnung zu | |
sagen, dass man bewusst günstiges Futter kauft – sofern es das Tier auch | |
gut verträgt. Viele tanken ja auch dort, wo der Sprit am günstigsten ist | |
und ihr Auto fährt trotzdem. Wenn es darum geht, sein Tier gut zu | |
versorgen, ohne viel Geld auszugeben, ist das doch sehr vernünftig und | |
ebenso artgerecht. | |
Aber man hört doch immer wieder, dass im billigen Futter Kadavermehl drin | |
ist … | |
Dieses Gerücht hält sich hartnäckig – es stimmt aber überhaupt nicht. Es | |
werden nur Tiere für die Futterproduktion freigegeben, die als | |
lebensmitteltauglich eingestuft sind. Das heißt also, vom gleichen Rind | |
oder Huhn, was die Tierhalter essen, frisst auch der Hund. Nur eben die | |
Teile, die wir Menschen nicht mehr essen – zum Beispiel Innereien oder | |
knochige Fleischstücke. Es gibt kein Kadavermehl im Tierfutter. Punkt. | |
interview Pia Siber | |
30 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Pia Siber | |
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