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# taz.de -- taz. thema : Wir alle können handeln
> Aktiv Da geht was: Wie und wo man sich beim fairen Handel aktiv
> einbringen kann. Dadurch, dass fairer Handel in der Öffentlichkeit eine
> immer größere Rolle spielt, entstehen auch in herkömmlichen Berufen
> anteilig Jobs, die mit dem Segment zu tun haben
Von Christine Berger
Sonntagmorgen in der Berliner Golgatha-Kirche. Bunte Stofftaschen hängen an
einem kleinen Stand am Ausgang, darunter sind Schokolade, Kaffee und Tee
aus fairem Handel drapiert, außerdem Honig aus Mexiko, Perlenketten und
bunte Topflappen mit Patchwork-Motiven. Barbara Nocke, die hinter dem
Eine-Welt-Stand die Stellung hält, wartet, dass der Pfarrer den Segen
spricht, dann geht ihr Geschäft los. Seit über zwanzig Jahren schon
verkauft sie einmal monatlich nach dem Gottesdienst mit wechselnden Helfern
aus dem Umfeld der kirchlichen Jugendarbeit ihre Fairtrade-Waren,
ehrenamtlich versteht sich. Wenn es gut läuft, kommen rund 50 Euro
zusammen. Nicht viel, aber immerhin genug, um mit dem eingenommenen Geld
nicht nur die Produzentinnen der verkauften Waren angemessen für ihre
Arbeit zu entlohnen, sondern auch noch einen Kindergarten in Chile zu
unterstützen. Eine Arbeit, die sich also in zweierlei Hinsicht lohnt.
So wie Barbara Nocke gibt es viele, die Fairtrade-Produkte verkaufen, ohne
selbst geldwert davon zu profitieren. Doch wäre es um den Handel mit fairen
Produkten schlecht bestellt, würde man sich nur auf diesen Vertriebsweg
beschränken. Längst sind Fairtrade-Organisationen wie El Puente, TransFair,
Fairtrade Deutschland oder GEPA professionelle Partner für Wirtschaft und
Politik, und dort sitzen Menschen, die mit Gehalt für den Markt der
Fairtrade-Güter versuchen, eine Schneise in den dichten Konsumdschungel zu
schlagen.
Die Wege, ein professioneller Akteur des fairen Handels zu werden, sind
vielfältig. Der Kieler Markus Schwarz etwa kam über sein Studium der
Politikwissenschaften und Soziologie mit dem Thema in Berührung.
„Nachhaltiger Konsum hat mich schon immer interessiert“, nennt er seine
Hauptintention, in diesem Bereich berufliche Wurzeln zu schlagen. Während
des Studiums absolvierte er mehrere Praktika in entwicklungspolitischen
Organisationen und stieg dort in die Bildungs- und Kampagnenarbeit ein. Als
dann der entwicklungspolitische Dachverband Bündnis Eine Welt
Schleswig-Holstein e.V. (BEI) 2013 ein sogenanntes Promotorenprogramm
auflegte, wusste Schwarz sofort, dass das zu ihm passt, und bewarb sich
erfolgreich. Sein Job ist es seitdem, Akteure im fairen Handel im
nördlichsten Bundesland miteinander zu vernetzen und Aktivitäten so zu
bündeln, dass Wirtschaft und Politik davon Notiz nehmen. So ist etwa mit
seiner Hilfe das jährliche Netzwerktreffen Fairer Handel in
Schleswig-Holstein entstanden, ein Event, zu dem mittlerweile sogar die
Kieler Staatskanzlei Vertreter schickt, um mit den Akteuren neue Wege für
mehr Fairtrade im Bundesland auszuloten. Einiges ist dabei schon auf dem
Weg gebracht: So gibt es in Schleswig-Holstein seit 2013 ein Gesetz, das
dazu verpflichtet, bei Ausgaben des Landes auf sozialverträgliche Güter
zurückzugreifen. Beim Catering oder sonstigem öffentlichen Einkauf kommt da
für den fairen Handel schon mitunter ein hübsches Sümmchen zusammen. „Dass
die Stadt Lübeck Fairtrade-Stadt geworden ist, hat dazu geführt, dass ein
hiesiger großer Müslihersteller auf fair gehandelte Inhaltsstoffe umstieg“,
zählt Schwarz weitere Erfolge auf.
Dadurch, dass fairer Handel in der Öffentlichkeit eine immer größere Rolle
spielt, entstehen auch in herkömmlichen Berufen anteilig Jobs, die mit dem
Segment zu tun haben. So kümmert sich etwa beim Lübecker Stadtmarketing
seit 2011 jemand darum, das Label Fairtrade-Stadt unter anderem mithilfe
einer Homepage (www.fairtrade-stadt-luebeck.de) in der Welt bekannt zu
machen. Auch in den Supermarktketten, die Fairtrade-Waren im Sortiment
haben, gibt es immer mehr bezahlte Jobs rund um die saubere Lieferkette:
Zertifizierung, Kontrolle, Wareneinkauf und andere sind die Bereiche, in
denen sich Profis auch um die Belange des fairen Handels kümmern. Der Markt
ist klein, aber er wächst dynamisch und lag 2016 immerhin schon bei 1,2
Milliarden Euro Gesamtumsatz in Deutschland. So wurden im vergangenen Jahr
etwa rund 72.000 Tonnen Fairtrade-Bananen verkauft. Zwar wird in
Deutschland nur 3,8 Prozent des verkauften Kaffees fair gehandelt, aber
allein das macht schon über 17.000 Tonnen aus. Damit noch mehr
Fachgeschäfte für fair gehandelte Produkte entstehen können, hat sich die
Weltladen-Betreiber-Genossenschaft (weltladen-betreiber.de) gegründet, die
es nachhaltig orientierten Einzelhändlern erleichtern soll, mit Geld, Rat
und Tat am neuen Ort durchzustarten. So entstehen nach und nach immer mehr
Jobs, die den nachhaltigen Konsum zum Thema haben.
Zu verdanken ist der wachsende Markt mit fairen Gütern auch vielen
Bildungsprojekten, etwa Kampagnen für fairen Handel in Städten,
Schulwettbewerben. „Die Personen, die so etwas organisieren, werden in der
Regel für ihren Aufwand entschädigt und bekommen Geld“, erklärt der
Fairtrade-Promoter Schwarz. Ehrenamtlich wie beim Eine-Welt-Stand in der
Kirche wird zwar immer noch viel Arbeit geleistet, doch wer hier seine
Schokolade kauft und zufrieden damit ist, wird vielleicht beim nächsten
Einkauf im Supermarkt oder Fachgeschäft wieder das fair gehandelte Produkt
kaufen. Und bezahlt damit anteilig einen professionellen
Fairtrade-Einkäufer.
16 Sep 2017
## AUTOREN
Christine Berger
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