# taz.de -- Beide Seiten sind gefragt | |
> AUSBILDUNG Auch in diesem Jahr werden nicht alle freien | |
> Ausbildungsstellen besetzt. Arbeitsagenturen raten Ausbildungssuchenden | |
> zu einem „Plan B“, kritisieren aber auch falsche Vorstellungen und | |
> mangelnde Transparenz von Seiten der Betriebe | |
Bild: Miese Arbeitszeiten, miese Bezahlung: Ausbildungsplätze in der Gastronom… | |
von Sebastian Krüger | |
Für viele SchulabgängerInnen beginnt gerade das neue Ausbildungsjahr. Aber: | |
Ausbildungsberufe haben mit Problemen zu kämpfen: „Die Anzahl der Bewerber | |
schrumpft nach und nach“, sagt Sonja Kazma, Sprecherin der Agentur für | |
Arbeit Niedersachsen-Bremen. Unternehmen gäben immer häufiger an, keine | |
Stellen besetzen zu können. „Diese Tendenz gibt es bereits seit ein paar | |
Jahren“, sagt sie, „und sie wird auch noch so weitergehen.“ | |
Dieses Jahr gab es in Niedersachsen 57.545 BewerberInnen, von denen sich | |
Ende Juli noch 16.598 weiterhin auf der Suche befanden. Von den 53.187 | |
Lehrstellen waren zu dem Zeitpunkt noch 17.894 unbesetzt. In Bremen waren | |
von 4.534 BewerberInnen noch 1.658 auf der Suche. 1.010 Lehrstellen von | |
4.427 waren Ende Juli noch offen. In Hamburg waren Ende Juli von 10.942 | |
gemeldeten Ausbildungsstellen noch 3.855 unbesetzt. Von 9.304 Suchenden | |
hatten 3.756 noch keinen Platz gefunden. | |
Die nächsten aktuellen Zahlen seien jetzt, Anfang September zu erwarten, so | |
Kazma. In diesem Zeitraum passiere allerdings in der Regel noch am meisten: | |
„Die unbesetzten Lehrstellen dürften sich bis dahin noch kräftig | |
zurechtgeschrumpft haben.“ Rein rechnerisch seien die Probleme jedoch nicht | |
zu lösen. Die knapp 17.000 BewerberInnen ohne Ausbildungsplatz in | |
Niedersachsen etwa würden die 18.000 unbesetzten Ausbildungsplätze nicht | |
einfach so ausfüllen können. „Nicht jeder Bewerber würde jeden Job | |
übernehmen, viele haben ganz bestimmte Vorstellungen und Interessen“, sagt | |
sie. | |
Kazma empfiehlt Jugendlichen auf Berufssuche, zweigleisig zu fahren und | |
sich einen „Plan B“ zu überlegen. „Viele Ausbildungen haben verwandte | |
Berufe“, sagt sie. ArbeitgeberInnen auf der anderen Seite sollten sich von | |
unrealistischen Wunschvorstellungen verabschieden. „Den optimalen Bewerber | |
gibt es nicht“, sagt sie, und: „Gebt auch den Schwächeren eine Chance.“ … | |
Agentur für Arbeit helfe da, wo es nicht ganz passe, auf beiden Seiten. | |
Männliche Bewerber würden sich laut Kaszma vor allem für kaufmännische und | |
technische Berufe interessieren. Unter den beliebtesten seien | |
KFZ-Mechatroniker, Kaufmann im Einzelhandel oder in der Industrie sowie | |
technische Arbeitsfelder. „Bei jungen Frauen sind Berufe im Büro, im | |
Verkauf oder im medizinischen Bereich am beliebtesten“, so Kazma. Platz | |
eins belege die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement, gefolgt von der | |
zur medizinischen Fachangestellten. Auch Zahn- und Tiermedizin seien | |
beliebte Felder. „In vielen Köpfen gibt es immer noch Vorurteile“, erklärt | |
sie diese Unterschiede. Dies betreffe jedoch nicht nur ArbeitgeberInnen, | |
sondern auch Jugendliche. „Das sieht man ja auch an den jeweils häufigsten | |
Berufswünschen“, so Kazma. | |
Eine gemeinsame Tendenz aller BewerberInnen kann sie jedoch feststellen: | |
„Junge Leute schrecken immer mehr vor Berufen zurück, die körperlich | |
anstrengend sind oder schmutzig sein können“, sagt sie. Auch Arbeiten mit | |
geringem Verdienst oder ungünstigen Arbeitszeiten würden seltener in | |
Betracht gezogen. Zu den unbeliebtesten Arbeitsfeldern zählt sie Hoch- und | |
Tiefbau, Hotelgewerbe, Gastronomie sowie Lebensmittelgewerbe wie etwa | |
Bäckerei, Fleischerei oder Konditorei. Als einen weiteren Faktor sieht | |
Kazma die „Coolness“ des Berufs: „Ist das eine anerkannte Arbeit? Wie seh… | |
andere das? Auch solche Fragen bewegen junge Menschen.“ | |
„Die Arbeitgeber müssen etwas an ihren Ausbildungen verbessern, anstatt | |
sich nur darüber zu beschweren, dass sie nicht genügend Bewerber finden“, | |
fordert Nathalie Sander von der Arbeitnehmerkammer Bremen. Insbesondere bei | |
den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung müssten Betriebe noch nachbessern, | |
um die Berufe attraktiver zu gestalten. | |
„Die Betriebe müssen schon sehr früh an die Bewerber herantreten“, findet | |
Knut Böhrnsen, Sprecher der Agentur für Arbeit Hamburg. Die Kooperation sei | |
besonders sinnvoll: „Schulpraktika ermöglichen, sich in Schulen | |
präsentieren – auch in Zusammenarbeit mit unserer Berufsberatung.“ Zwar | |
hätten Betriebe in dieser Hinsicht schon vieles verbessert, müssten aber | |
besonders im Hinblick auf Transparenz noch mehr leisten. „Die | |
Ausbildungsinhalte müssen für Interessenten klarer sein,“ fordert er. | |
„Gastronomische Berufe sind aktuell nicht sehr beliebt“, so Böhrnsen. Dabei | |
seien größere Ketten oder Hotels durch den internationalen Charakter des | |
Geschäfts sehr attraktiv für Azubis, die gern im Ausland arbeiten würden. | |
„Auch während der Ausbildung gibt es häufig die Möglichkeit dazu, auch | |
außerhalb Europas“, sagt er. Groß- und Einzelhandel seien ebenfalls Felder | |
mit vielen internationalen Verflechtungen. „Solche Erfahrungen sind auch | |
sinnvoll, wenn man später eine Führungsposition übernehmen möchte“, sagt | |
er. | |
„Bewerber müssen viel Eigeninitiative zeigen und flexibel sein“, so | |
Böhrnsen. Dann hätten sie beste Chancen. „Die Wirtschaft hat einen Bedarf | |
an Fachkräften“, sagt er. „Das heißt, dass Betriebe ausbilden müssen.“… | |
Böhrnsen rät BewerberInnen, sich während der Ausbildungssuche nach | |
Alternativen zum Traumberuf umzuschauen. „Besonders kaufmännische Berufe | |
gibt es ohne Ende“, sagt er. Ob Einzelhandel, Schifffahrt oder Industrie: | |
Diese Berufe könnten Alternativen darstellen, falls es mit dem | |
ursprünglichen Plan nicht klappt. | |
2 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Krüger | |
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