# taz.de -- zwischen den rillen: Gut gewürzt, statt schwülstig | |
Zimt: „Glückstiraden“ (Tapete/Indigo) | |
Es gibt Bands, die sollte man am besten bei einem Open-Air-Festival | |
entdecken. Wenn man entspannt auf der Wiese sitzt, bei den ersten | |
unspektakulären Tönen noch keinerlei Anstalten macht, zur Bühne zu gucken, | |
dann aber immer mehr von den Songs berührt wird – und am Ende des Auftritts | |
glücklich ist. So eine Band ist Zimt. Das Schöne: Der gerade beschriebene | |
Effekt stellt sich auch dann ein, wenn man ihr Debütalbum „Glückstiraden“ | |
irgendwo anders hört. Zimt kommen aus Augsburg und bestehen aus Janina | |
Kölbl (Gesang und Keyboards), Isabella Theil (Bass und Gesang) und Ralf | |
Hess (Schlagzeug). | |
Zimt spielen charmant-rumpeligen, dennoch sanften Mix aus Twee-Pop, | |
Post-Punk und NDW. Ihr Sound ist minimalistisch. Auf eine Gitarre wird | |
meist verzichtet, stattdessen setzt das Trio auf Keyboardmelodien, markante | |
Bassläufe und ein new-waviges Schlagzeug. Es ist auch kein Problem, dass | |
Sängerin Janina Kölbl nicht immer die Töne trifft, denn alles passt ganz | |
wunderbar zusammen. Hier wurde nichts aufgehübscht, sondern im | |
D.I.Y.-Gewand belassen. Und es klingt vielleicht kitschig, aber in ihren | |
Songs schlägt ein großes Herz. | |
„Die Bandgründung und unser Stil haben sich allein durch Zufälle ergeben“, | |
sagt Janina Kölbl. Vor etwas mehr als zwei Jahren ging die heute 27-Jährige | |
in Augsburg zur Femme Jam, einer Jam-Session ausschließlich für | |
Musikerinnen. Dort traf sie auf die Bassistin Isabella Theil. Sie | |
verstanden sich auf Anhieb, mögen dieselben Bands (New Order, The | |
Vaselines, Velvet Underground) und verabredeten sich zum Musikmachen. Ralf | |
Hess, der bei der Band Endlich Blüte singt und Gitarre spielt, kam als | |
Schlagzeuger dazu. „Beim ersten Treffen habe ich einfach mal meine alte | |
Orgel eingeschaltet“, erzählt Janina Kölbl. „Wir haben beim Ausprobieren | |
gemerkt, dass das cool klingt und sie dann auch weiterhin im Vordergrund | |
gelassen.“ | |
An den Kompositionen sind alle drei Bandmitglieder beteiligt, für Texte ist | |
allein Janina Kölbl zuständig: „Ich habe nicht die Absicht, mit meinen | |
Texten Gesellschaftskritik zu üben und die Welt zu verändern“, sagt sie. | |
„Das wollen schon so viele. Ich versuche, Texte zu schreiben, die viel | |
Gefühl ausdrücken und Stimmungen beschreiben.“ So singt sie vom „Weg der | |
Harmonie“ und über ein „Schwaches Herz“, ohne dass es schwülstig wird: | |
„Nehmen kann ich nur mit schwachem Herzen / Wer vergibt mir sonst all die | |
Schmerzen? / Ich hab nicht geweint, ich hab nur geliebt / Was ist auf der | |
Welt, was mir sonst noch so blieb?“ Manche Texte bleiben vage, sind | |
schwierig zu entschlüsseln und wohl nur von der Autorin selbst zu | |
verstehen. | |
## Zimt auf Tapete | |
Im September 2016 erschien die erste Single „Du kannst so leben, wie du | |
willst“ beim Augsburger Label Kleine Untergrund Schallplatten, dadurch | |
wurde Tapete Records auf die Band aufmerksam und bringt nun das vom | |
Tausendsassa Zwanie Jonson produzierte Debütalbum heraus. Von Beginn an | |
musste Janina Kölbl Fragen beantworten, die sich nur am Rande um Musik | |
drehen: „Ich habe leider den Eindruck, dass wir für manche allein schon | |
deshalb interessant sind, weil bei uns zwei Frauen mitspielen“, sagt sie. | |
„Schade, weil die Bandmitglieder dadurch auf ihr Geschlecht reduziert und | |
nicht einfach für ihre Musik beurteilt werden.“ Welchen Hintergrund dieses | |
Interesse hat, ist ihr aber auch klar: „Die Popwelt ist männerdominiert und | |
Frauen werden oft ausgegrenzt. Neulich haben wir auf einem Festival | |
gespielt, da standen zu 90 Prozent Männer auf der Bühne. Wieso eigentlich? | |
Ich denke, dass Frauen das genauso gut können.“ | |
Als bewusst gesetztes Zeichen gegen diesen Missstand will sie die | |
Zimt-Besetzung aber nicht verstanden wissen: „Ich habe nicht krampfhaft | |
nach einer Frau gesucht, mit der ich eine Band gründen könnte. Es war eh | |
alles Zufall, und ich hätte auch mit zwei Männern gespielt. Angesichts der | |
Männerwelt in der Musik finde ich es natürlich trotzdem schön, dass wir | |
eine Bassistin haben. Es ist aber erst dann wirklich etwas erreicht, wenn | |
nicht mehr zwischen Männer- und Frauenbands unterschieden wird.“ Sven | |
Sakowitz | |
18 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |