# taz.de -- Sakralkunst am Gleis | |
> Kulturpolitik Der Maler Markus Lüpertz will Karlsruhe für dessen neue | |
> U-Bahn ein Kunstwerk über die Schöpfung der Welt schenken. Doch die Stadt | |
> tut sich schwer | |
Bild: Will sein Gemälde auf Kacheln verewigen: Markus Lüpertz ist großzügig… | |
Aus Karlsruhe Benno Stieber | |
Sieben U-Bahn-Stationen soll die neue U-Bahn in Karlsruhe haben, sieben | |
biblische Schöpfungstage gibt es. So einfach kann Kunst am Bau manchmal | |
sein. Der bekannte Maler und Bildhauer Markus Lüpertz, 76, will der Stadt, | |
in der er einst Kunstprofessor war, insgesamt 14 Bilder schenken, die sich | |
mit der Entstehung der Welt auseinandersetzen. Für jeden Schöpfungstag und | |
jede U-Bahn-Station zwei. Doch weder vom Motiv noch vom Künstler sind viele | |
Karlsruher begeistert. | |
Bis die Bilder hängen, wird es noch eine Weile dauern. Denn die Karlsruher | |
U-Bahn ist noch im Bau. Erst 2019 soll sie, als eine der kürzesten | |
U-Bahn-Linien der Welt, eröffnet werden. Streng genommen handelt es sich um | |
Straßenbahnen, die unter der Fußgängerzone durchgeführt werden. Zwei | |
Volksabstimmungen und eine zählebige Diskussion um die Wirtschaftlichkeit | |
der sogenannten U-Strab begleiten das Milliardenprojekt seit seiner | |
Planung. Jetzt kommt die Diskussion um ein Kunstwerk des Malers und | |
Bildhauers Markus Lüpertz dazu. | |
Die Stadt soll das Kunstwerk keinen Cent kosten. Die entstehenden Kosten, | |
nach Schätzungen eine Million Euro, will der Verein durch private Sponsoren | |
einsammeln. Von denen ist bisher aber offenbar noch keiner an Bord. | |
Vorsitzender des Vereins ist der ehemalige Geschäftsführer der örtlichen | |
Keramik-Manufaktur Majolika, Anton Goll. Die ist chronisch in der Krise, | |
könnte aber so direkt von der Kunst am Bau profitieren. Denn Lüpertz will | |
seine Gemälde auf Kacheln verewigen. Das sorgt für Einnahmen bei der | |
Keramikmanufaktur und für regionale Verwurzelung. | |
Doch Kunstkritiker rümpfen da die Nase. Lüpertz-Werke polarisieren. Seine | |
knollennasige Mozart-Statue in Salzburg war aus Protest gegen die angeblich | |
respektlose Darstellung von Österreichs Nationalheiligtum geteert und | |
gefedert worden. Wie die Karlsruher Schöpfungsdarstellungen aussehen | |
sollen, weiß bisher noch niemand: Es liegen keine Entwürfe vor. Der | |
bekennende Katholik Lüpertz betont aber, es werde sich nicht um christliche | |
Kunst handeln. Denn die Schöpfungsgeschichte komme in allen drei | |
monotheistischen Religionen, Christentum, Judentum und Islam, vor. | |
Kritiker fragen, warum in der IT-Stadt Karlsruhe – mit hohem | |
Migrantenanteil und Sitz der beiden höchsten deutschen Gerichte – | |
ausgerechnet die Schöpfungsgeschichte im öffentlichen Raum auf Keramik | |
gebannt werden muss. Prominentester Kritiker ist der Medienkünstler Peter | |
Weibel, Chef des Karlsruher Museums für Medien und Kunst ZKM, einer | |
weltweit geachteten Institution. Weibel, 73, beklagt sich darüber, dass ein | |
für die Stadt so bedeutendes Kunstprojekt ohne Ausschreibung vergeben | |
werde. Auch die „Sakralisierung von U-Bahn-Stationen“ störe ihn, so Weibel. | |
Und das, obwohl sein Haus gerade eine große Ausstellung mit Werken von | |
Lüpertz zeigt. | |
Trotz der kritischen Stimmen hat der Stadtrat der Schenkung mit großer | |
Mehrheit zugestimmt. Doch die Diskussion um Lüpertz könnten die Stadträte | |
damit nicht beenden. Zuletzt wandte sich auch der zuständige | |
Kulturbürgermeister öffentlich gegen die Schenkung und die Pläne seines | |
Chefs. | |
Was in der aufgeregten Debatte fast untergeht: Das Risiko, das Karlsruhe | |
mit dem Lüpertz-Werk eingeht, ist überschaubar. Anders als etwa der | |
umstrittene Mozart in Salzburg hat die Lüpertz-Schenkung an Karlsruhe ein | |
Verfallsdatum. | |
Nach sechs Jahren, da sind sich Stadt und Künstler einig, sollen die Bilder | |
wieder verschwinden. Dann wird die Schöpfungsgeschichte Werbeflächen | |
weichen. Es geht um Einnahmen der Stadt. Da ist man in Karlsruhe ganz | |
pragmatisch. | |
24 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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