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# taz.de -- Dicke Luft in Hamburgs Knästen
> Justiz Hamburgs Gefängnisse werden voller, ohne dass mehr Personal
> hinzukommt. Schuld sind laut Opposition und Gewerkschaft Sparmaßnahmen
> der letzten Jahre
Bild: Allein auf weitem Flur: Justizvollzugsbeamte fühlen sich im Dienst oft �…
von Morten Luchtmann
Für Thomas Wittenburg, Gewerkschaftssprecher der Hamburger
Strafvollzugsbeamten, ist das Maß voll: Hamburgs Gefängnisse seien konstant
unterbesetzt mit Personal und überlastet mit Insassen.
Laut der Senatsantwort auf eine kleine Anfrage der CDU vom Anfang August
seien 95 Prozent aller Haftplätze in Hamburg zum 31. Juli belegt gewesen.
In den Haftanstalten Glasmoor und in der Untersuchungshaft am Holstenglacis
waren mit 102 und 108 Prozent sogar überbelegt.
Laut Justizbehörde seien dies kurzfristige Engpässe bis voraussichtlich
Anfang nächsten Jahres. Doch für einen vernünftigen Betrieb, sei das laut
Wittenburg zu lang: „Eine Haftanstalt ist schon bei 90 Prozent Belegung
vollständig ausgelastet.“ Das liege an einem Stufensystem, das Häftlinge
nach guter und schlechter Führung in verschiedene Bereiche aufteilt.
„Dieses System funktioniert unter der jetzigen Auslastung überhaupt nicht
mehr“, sagt Wittenburg. In der JVA Fuhlsbüttel säßen planmäßig eigentlich
nur Täter von schweren Gewalt- und Sexualverbrechen. Neuerdings jedoch auch
teilweise wiederholte Schwarzfahrer, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen
konnten.
Dass Hamburgs Knäste nach Jahren der sinkenden Häftlingszahlen plötzlich
nahezu wieder voll sind, hat mehrere Gründe. Eine Sprecherin der
Justizbehörde sagt, besonders durch die Arbeit der Soko Drogen und der Soko
Castle zur Einbruchsbekämpfung habe es mehr Verurteilungen gegeben. Anfang
dieses Jahres wurden zudem die Strafen für Wohnungseinbrüche bundesweit
hochgestuft: auf Haftstrafen von mindestens einem Jahr. Hinzu kämen 57
weitere Häftlinge, die im Zuge des G20-Gipfels verhaftet wurden.
Wittenburg sieht das Bevölkerungswachstum als weiteren Grund: „Mehr
Menschen bedeutet meistens auch mehr Kriminelle – unabhängig davon, ob
jemand Ausländer ist oder nicht.“ Doch das viel größere Problem sieht
Wittenburg im Personalmangel: Die Gefängnisse seien chronisch unterbesetzt
mit Aufsichtspersonal.
„Wir können unseren Aufgaben nicht mehr gerecht werden“, sagt Wittenburg.
Ein Beamter müsse manchmal die Schicht von zwei weiteren Kollegen
mitübernehmen: „Dann hat derjenige 75 statt 25 Leute, um die er sich
kümmern muss.“ Hinzu kämen Probleme durch Sprachbarrieren. „Das führt
insgesamt dazu, dass die Stimmung aggressiver und gewalttätiger wird“, sagt
Wittenburg: „Wenn gute Betreuung nicht gewährleistet ist, regiert das Recht
des Stärkeren.“ Erst Anfang Juli ist es in der JVA Fuhlsbüttel zu einer
Massenschlägerei zwischen Insassen gekommen.
„Die Situation in den Gefängnissen ist das Resultat jahrelanger Fehlplanung
im Vollzug unter Justizsenator Steffen“, sagt die Hamburger
FDP-Justizexpertin Anna von Treuenfels-Frowein: „Überbelegung, Personalnot
und politisches Versagen führen zu einem gefährlichen Mix in den
Gefängnissen.“
Auch wenn Justizsenator Till Steffens (Grüne) wenig Einfluss auf das
Bevölkerungswachstum hat, den Personalmangel hat er selbst mitverschuldet:
2009 setzte der heutige und damalige Justizsenator die Ausbildungsjahrgänge
für Strafvollzugsbeamte für drei Jahre aus, um Kosten zu sparen. Genau
diese Beamten fehlen heute. Da halfen auch die späteren
Ausbildungungsinitiativen wenig: Die geplante Anzahl an Ausbildungsplätzen
wird regelmäßig unterschritten, da es an geeigneten Bewerbern mangelt. „Die
Einsparungen im Strafvollzug kommen die Gesellschaft teuer zu stehen“,
kritisiert Richard Seelmaecker, Justizexperte der CDU: „Schlecht betreute
Häftlinge werden schneller wieder straffällig.“
Dass sich die Situation vorerst nicht verändert, regt den
Strafvollzugsbeamten Wittenburg auf: „Die Lasten für die Sparpolitik tragen
die, die den Vollzug die letzten Jahre am Leben gehalten haben.“
24 Aug 2017
## AUTOREN
Morten Luchtmann
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