# taz.de -- Portrait: Der Ameisenfotograf | |
Eine Bergkette ist zu sehen. An deren Hängen ist eine Linie gezogen, wohl | |
ein Zeugnis längst vergangener Wasserhöhen. Was sich auf den ersten Blick | |
als Landschaft präsentiert, ist aber in Wahrheit die Aufnahme eines | |
Zinnkristalls, nur ums 40-Fache vergrößert. | |
Wie auf allen Fotografien von Manfred Kage ist nicht das ganz Große, | |
sondern das ganz Kleine abgelichtet. Seit über 50 Jahren beschäftigt sich | |
der Fotograf mit Mikrofotografie, durch die eine Welt jenseits des | |
Sichtbaren erfahrbar wird. Was sonst im Gebiet der Wissenschaft verbleibt, | |
tritt hier an die Öffentlichkeit. Nun auch diesen Freitag im | |
Wattenmeer-Besucherzentrum von Cuxhaven, denn dort stellt Kage seinen | |
Mikrokosmos aus. | |
Als Modell dient Kage alles, was klein genug ist. Seit den ersten | |
Schwarz-Weiß-Bildern der Zinnkristalle gelangten Nervenzellen oder auch | |
Algen unter sein Mikroskop. Eine Grünalgen-Kolonie, deren Durchmesser nur | |
einen Millimeter misst, erscheint als große, lichtdurchflutete Kugel. Auch | |
Milben dienten ihm als Modell, der die Tiere als einer der ersten vor die | |
Kamera gebracht hat. Ihre kartoffelartige Gestalt mit den vielen Fühlern | |
machte er berühmt. | |
Der gelernte Chemotechniker fotografierte auch für populärwissenschaftliche | |
Magazine wie Geo und wurde als „Grenzgänger zwischen Wissenschaft und | |
Kunst“ mit Preisen geehrt. Sein Meisterstück ist wahrscheinlich die | |
Fotografie einer lächelnden Ameise samt Zahnrad über einem Fuß. Damit | |
gewannen er im Jahr 2006 den Wettbewerb „Bilder der Forschung“. | |
Die nötigen Aufnahmetechniken entwickelte Kluge auch selbst. 1957 erfand er | |
den sogenannten Polychromator. Das ist ein Schärfefilter, der detaillierte | |
Aufnahmen und satte Farben ermöglicht - und dessen Konstruktion vom | |
Fotografen bis heute geheimgehalten wird. | |
Auch sein erstes Mikroskop bastelte sich Manfred Kage selbst. Das war 1947 | |
mit gerade einmal zwölf Jahren. Ein altes Zeiss-Objektiv, ein | |
Märklin-Baukasten und ein Zahnarztspiegel reichten dafür aus. | |
Mittlerweile führt Kage ein Familienunternehmen, das er mit seiner Frau | |
Christina, seiner Tochter Ninja-Nadine und deren Mann Oliver Kage leitet. | |
Kleinststrukturen favorisiert der Fotograf also nicht nur vor der Kamera. | |
Florian Schlittgen | |
26 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Florian Schlittgen | |
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