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# taz.de -- In der Trigonometrie des Kreisels
> Petition der Woche Binzen kämpft um sein Wahrzeichen: Der „Dreispitz“,
> ein Kunstwerk inmitten eines Kreisverkehrs, soll abgerissen werden
von Björn Struß
Ein Auto fährt ungebremst, ohne zu lenken und mit unerlaubt hoher
Geschwindigkeit auf das Bauwerk zu – dieses Szenario wird in einem
Gutachten verwendet, das der Beurteilung folgender Frage dient: Ist der
„Dreispitz“ von Binzen in Baden-Württemberg eine Gefahr für den
Straßenverkehr? Der „Dreispitz“, eine massive Betonskulptur des Künstlers
Reinhard Bombsch, steht inmitten eines Kreisverkehrs, der Landesstraßen aus
drei Richtungen miteinander verbindet. Das Tempolimit beträgt hier 30 km/h,
doch der Gutachter urteilt, dass das trigonometrische Gebilde bei einer
Schussfahrt zur Gefahr von Leib und Leben würde. Konsequenz: Es müsse er
entfernt werden.
Gegen diese Entscheidung des Landratsamts Lörrach wehren sich nun die
Binzer Bürger mit einer Petition. Sie kritisieren das gutachterliche
Szenario: „Konsequenterweise müssten zigtausende weitere sogenannte
Gefahrenquellen beseitigt werden“, heißt es im Petitionstext. Lichtanlagen
oder Bäume am Straßenrand – bei einer Schussfahrt könnte schließlich fast
alles am Straßenrand zur Gefahr werden. Mehr als 1.300 BürgerInnen haben
unterzeichnet, über 1.100 stammen aus dem Landkreis Lörrach. Sie wollen
ihren „Dreispitz“ behalten. Die Skulptur auf dem Kreisel verleiht dem
ansonsten an Wahrzeichen armen Binzen einen gewissen Wiedererkennungswert.
Binzen, das ist ein Dorf im südwestlichsten Zipfel Deutschlands, dem
Dreiländereck , dass an Frankreich und die Schweiz grenzt. Die Dichte an
Kreisverkehren ist hier, für Deutschland eher untypisch, besonders hoch. In
Binzen leben rund 3.000 Menschen, im anliegenden Gewerbegebiet sind über
1.500 Arbeitsplätze entstanden. Die Lage ist für Unternehmen attraktiv. Und
sämtliche Berufstätige und Kunden, die aus östlicher Richtung Binzen
ansteuern müssen den Kreisverkehr passieren, in dessen Mitte im Jahr 2001
der „Dreispitz“ errichtet wurde. Drei Betonspitzen ragen acht Meter in die
Luft, in der Nacht werden sie von Lichtstrahlern in Szene gesetzt. Das
Kunstwerk ist längst untrennbar mit dem Gewerbegebiet verbunden. Es steht
auch für den wirtschaftlichen Erfolg der Gemeinde.
Den Bau des Gewerbegebiets hatte einst Ulrich May vorangetrieben. Er war
von 1989 bis 2012 Bürgermeister von Binzen, inzwischen wurde er zum
Ehrenbürger ernannt. Dank seiner Initiative erwarb die Gemeinde
Grundstücke, um einen Gewerbepark „aus einem Guß“ zu erschaffen. Auch das
Kunstwerk auf der Verkehrsinsel war sein Projekt. „Ich fühle mich
persönlich betroffen“, sagt May, der nun „seinen“ Dreispitz mit einer
Onlinepetition retten will.
Bereits Anfang Juni wies das Landratsamt Lörrach die Gemeinde Binzen an,
den „Dreispitz“ zu entfernen. Hinter dieser Entscheidung steht ein Erlass
des baden-württembergischen Verkehrsministeriums. Um die Zahl der
Verkehrstoten zu reduzieren, hatte Minister Winfried Hermann (Grüne) die
Landkreise angewiesen, Gefahrenstellen im Straßenverkehr zu überprüfen, so
auch in Binzen. Im Jahr 2015 befand ein Gutachten, dass von der kantigen
Skulptur eine Gefahr für den Straßenverkehr ausgehe. Doch das daraufhin
eingeführte Tempolimit reicht dem Landratsamt nicht aus. Die Gemeinde hat
nun gegen die Abrissverfügung Widerspruch eingelegt und will notfalls auch
vor Gericht ziehen.
„Auch wenn wir selbstverständlich die Bedeutung des Kunstwerks kennen, sind
uns hier die Hände gebunden“, sagt Ulrich Hoehler, erster Landesbeamter in
Lörrach. Er verweist auf die Verantwortung für die Verkehrssicherheit und
die Vorgaben des Verkehrsministeriums.
Exbürgermeister May kann das nicht verstehen. „Seit 2001 haben etwa 90
Millionen Fahrzeuge den Kreisverkehr befahren, und es gab nur 20 Unfälle
mit acht Leichtverletzten.“ Der „Dreispitz“ sei also laut May gar keine
Gefahr, ganz im Gegenteil: „Das sichtbare Hindernis lässt die Fahrer
langsamer fahren“, meint May.
19 Aug 2017
## AUTOREN
Björn Struß
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