# taz.de -- Auf Abwegen durchs Watt | |
> Wattenmeer Zwischen Norddeich Mole und der Insel Juist ist eine drei | |
> Kilometer lange, offenbar künstlich angelegte Rinne in der Nordsee | |
> entdeckt worden. Naturschützer nennen das „kriminell“. Fährbetreiber und | |
> Behörden wissen von nichts | |
Bild: Ordentlich mehr als eine Handbreit Wasser unterm Kiel? Die Fähren der Re… | |
Aus Leer Thomas Schumacher | |
Schnurgerade, wie mit dem Lineal gezogen, erstreckt sich eine mysteriöse | |
Rinne durch die Nordsee. Auf Luftbildern im Internet bei Marinetraffic.com | |
und Google Maps ist sie deutlich zu erkennen. Parallel im Süden zur Insel | |
Juist verlaufend, wie in den Wattboden geritzt. Genutzt wird der neue | |
„Fahrweg“ von der AG Norden Frisia aus Norderney. Die Reederei organisiert | |
Personen- und Frachttransporte von Norddeich nach Juist und Norderney. Zur | |
ostfriesischen Insel Juist wird die Überfahrtzeit durch die neue Rinne | |
vermutlich halbiert. Das spart allein bei maximal vier Hin- und Rückfahrten | |
pro Tag eine Menge Diesel. | |
Wie die Rinne ins Watt gekommen ist, weiß angeblich keiner. Detlev Becker | |
vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt des Bundes Emden (WSA) streitet die | |
Existenz einer neuen Fahrrinne ab: „Da wurde nicht gebaggert. Da müssten | |
Anträge gestellt werden. Uns liegen keine Anträge vor. Wir beobachten die | |
Fahrrouten mit unseren Radaren, uns ist nichts aufgefallen.“ Den Hinweis | |
auf die vorliegenden Luftbilder belächelt er: „Vielleicht sind die Bilder | |
ja falsch.“ Tatsächlich zeigen Vergleiche mit Archivbildern, dass schon | |
2013 an dieser Stelle im Watt gekratzt worden ist. Die neueren Bilder | |
belegen, so bestätigen Wasserbauexperten, dass es dauerhafte und | |
regelmäßige Arbeiten an dem Kanal gegeben haben muss. | |
Fred Meyer, Nautiker bei der AG Norden Frisia, nimmt das Ganze gelassen: | |
„Wir können eigentlich im Watt so fahren, wie wir gerade können und wo | |
genügend Wasser ist.“ Dabei ist die Reederei gerade auf der Strecke | |
Juist–Norddeich sehr gebeutelt. Wegen der vielen Verklappungen, | |
Wasserbaumaßnahmen und Strömungsverlagerungen gibt es wechselnde Untiefen | |
in der offiziellen Fahrrinne. Manchmal laufen die Fähren auf Grund, die | |
Fahrzeit verlängert sich. | |
Mit der neuen Rinne ist die Überfahrt sicherer und kürzer. „Wenn unsere | |
Kapitäne einen Weg gefunden haben, nehmen sie den natürlich auch. Aber | |
gebaggert oder offizielle Anträge auf einen neuen Fahrweg haben wir nicht | |
gestellt. Da sind ja so viele Behörden dran beteiligt: das | |
Wasserschifffahrtsamt, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserbau, | |
Küsten- und Naturschutz, die Nationalparkverwaltung. Das würde auch so ohne | |
weiteres im Nationalpark nicht genehmigt werden“, erklärt Meyer von der | |
Norden Frisia. | |
Bei der Nationalparkverwaltung ist die neue Rinne offiziell kein Thema. | |
Sicher ist, dass es im Nationalpark Wattenmeer keine Eingriffe geben darf, | |
ohne die entsprechenden Ausnahmeerlaubnisse einzuholen. Der | |
Nationalparkverwaltung liegen derzeit keine Anträge der Norden Frisia vor, | |
dauerhafte Veränderungen im geschützten Watt vorzunehmen. | |
Vor einigen Jahren deckte die taz bei Kabelverlegungen vor Norderney | |
illegale Zerstörungen im Watt auf. Die Baufirma musste gehen, der | |
Kabelverleger Tennet musste sich eine neue Technik für die Installation der | |
Stromkabel einfallen lassen. In diesem Fall hatte die Natur die Schäden im | |
Watt innerhalb von ein paar Monaten weitgehend ausgeglichen. | |
Ein dauerhafter Eingriff in den Wattboden sei unter Umständen schon | |
kriminell, meint Manfred Knake vom Wattenrat, einer unabhängigen | |
Vereinigung von Naturschützern. Dabei bezieht sich der Wattenrat auf | |
Informationen von Bewohnern der Insel Juist. Die beschuldigen die Reederei | |
Norden Frisia, ihren Frachtern sogenannte Dalben, schwere Balken, an denen | |
die Schiffe am Anleger festmachen, hinter ihre Frachter gespannt zu haben. | |
So soll durch jahrelanges „Sägen“ die neue Fahrrinne ausgeschrappt worden | |
sein. | |
Die Reederei Frisia bestreitet diesen Vorwurf. „Es wurde nicht gebaggert, | |
aber so ein Schiff wirkt natürlich auch wie einen Art Bagger. Ich sage mal, | |
da können so eine Art Trampelpfade entstehen, wenn Schiffe immer die | |
gleiche Strecke gehen“, sagt Fred Meyer. Offiziell jedenfalls würden seine | |
Fähren keine neue Fahrrinne benutzen, so der Nautiker. | |
15 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Thomas Schumacher | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |