# taz.de -- nord.thema: Im Kampf gegen Kulturbanausen | |
> Lüneburg Der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt setzt sich für den Erhalt | |
> des historischen Stadtbildes ein. Dabei hat er es nicht immer ganz | |
> leicht. Die allseits präsente Crew der Telenovela „Rote Rosen“ ist da | |
> noch das geringste Problem | |
Bild: Vor dem Abriss gerettet: das 541 Jahre alte Haus des ehemaligen ALA-Vorsi… | |
von Lena Eckert | |
Im Speicher riecht es nach Holz, die Luft ist angenehm kühl. Eine schlichte | |
Deckenlampe taucht den Raum in schummriges Licht. Vom mit Kopfsteinen | |
gepflasterten Boden ist nicht viel zu sehen: Dicht an dicht sind hier | |
zahlreiche Tische, Stühle, Schubkarren und Fässer aus dunklem Holz | |
gestapelt. Ganz unten steht der Leiterwagen, weiter hinten im Raum die | |
Bratwurststände. An der Wand lehnen alte Fenster und Türen neben | |
Hellebarden und Stangen mit bunten Wimpeln. | |
Die Materialien und der Speicher gehören dem Arbeitskreis Lüneburger | |
Altstadt (ALA). Dessen Vorsitzender Christian Burgdorff lässt einen | |
prüfenden Blick durch den Raum schweifen. „Manchmal ist es hier | |
aufgeräumt“, versichert er. „Aber das hängt von der Lust unserer Leute ab… | |
fügt er hinzu und grinst verschmitzt. Der im Jahr 1470 errichtete Speicher | |
verbirgt sich hinter einem dunkelgrünen Tor in der kleinen Straße Am | |
Iflock. Sie ist eng und holprig und gesäumt mit liebevoll gepflegten, alten | |
Fachwerkhäusern – ein typisches Bild in der Lüneburger Altstadt. | |
Deren Erhaltung und Pflege hat sich der ALA zum Ziel gesetzt. So will er | |
wichtige Zeugnisse ursprünglicher Bau- und Lebensweisen bewahren. Dazu | |
gehören nicht nur die historischen Fassaden, die das Stadtbild Lüneburgs | |
prägen. Auch Häuserkerne sind schützenswert, weil sie oftmals älter als | |
ihre Fassaden sind. Der ALA will Häuser als Ganzes erhalten. Dazu nimmt er | |
mit den Hausbesitzern Kontakt auf und steht ihnen bei Restaurierungen und | |
Instandhaltungen beratend und finanziell zur Seite. | |
Burgdorff war von Anfang an beim ALA dabei – seit dem Jahr 1972, seit 2015 | |
ist er dessen Vorsitzender. Er kennt die Altstadt in- und auswendig und | |
geht kaum drei Schritte, ohne etwas zu entdecken, bei dem der ALA seine | |
Finger im Spiel hatte. Häuserkerne, Haustüren, Fenster, Fassaden, | |
Straßenlaternen, Straßenpflaster. „Wenn man das nicht erhält, gehen viel | |
Atmosphäre und baugeschichtliche Zeugnisse drauf“, erläutert Burgdorff die | |
Motivation des ALA. Letztendlich sei der Einsatz des Vereins zum Nutzen | |
aller: „Ein guter Schuss Gemeinsinn ist auch dabei“. | |
Der ALA hat 600 Mitglieder. Seine Projekte finanziert er hauptsächlich mit | |
den Einnahmen seines jährlichen Christmarkts und der zweijährlichen „Alten | |
Handwerkerstraße“, die bei der Michaeliskirche im Herzen der Lüneburger | |
Altstadt stattfinden. Bei diesen Veranstaltungen kommen die Geräte und | |
Möbel aus dem Speicher zum Einsatz. | |
Bei der „Alten Handerkerstraße“ zeigen Handwerker in Trachten der | |
Renaissance alte Arbeitstechniken, die auch heute noch benötigt werden – | |
zum Beispiel, um alte Häuser zu restaurieren. „Manche gehen da richtig drin | |
auf“, erzählt Burgdorff. „Die stehen darauf, sich mittelalterlich zu | |
verkleiden.“ Dabei stammen die meisten der durch den ALA betreuten Gebäude | |
gar nicht aus dem Mittelalter sondern aus der Frühen Neuzeit. „Aber das | |
nehmen wir dann auch nicht so genau“, sagt Burgdorff. Sein Lächeln wirkt | |
ein bisschen gequält. | |
Zurzeit arbeitet der ALA am Kapitelsaal des ehemaligen Michaelisklosters. | |
Bereits im Jahr 1376 hielten Mönche dort Versammlungen ab. Nachdem seine | |
Überreste beim Bau der Kreisverwaltung in den 70er-Jahren zufällig entdeckt | |
worden waren, legten ihn Archäologen in umfangreichen Ausgrabungen frei. | |
„Die Stadt wollte ihn eigentlich wieder zuschütten“, erzählt Burgdorff. F… | |
zu teuer hätte sie seine Instandhaltung gehalten. | |
Im Jahr 1978 übernahmen daraufhin die Mitglieder des gerade erst | |
gegründeten ALA um Curt Pomp die Pflegschaft der Ruine. Sie steckten eine | |
Menge Arbeit und umgerechnet rund 80.000 Euro hinein. Sogar über eine | |
Erneuerung des eingestürzten Daches dachte der ALA nach, musste den Plan | |
jedoch aus Kostengründen verwerfen. Dennoch wird am Kapitelsaal regelmäßig | |
gearbeitet: Um Wände und Boden zu erhalten, müssen ständig der Putz | |
erneuert und das Unkraut entfernt werden. | |
Nicht immer wurde auf den Erhalt der Lüneburger Altstadt so viel Wert | |
gelegt wie heute. In den 1970er-Jahren wurden viele der historischen | |
Gebäude in der westlichen Altstadt abgerissen, um an ihre Stelle moderne | |
Häuser zu bauen. Der damalige Vorsitzende des ALA, Curt Pomp, kämpfte | |
lautstark gegen diese Pläne. Auch sein heute eigenes Haus konnte Pomp | |
gerade noch vor dem geplanten Abriss retten. Es ist 541 Jahre alt. Pomp | |
brachte 1991 die Inschrift an: „Herr schütze mich und die hier hausen vor | |
Planern und Kulturbanausen“. | |
Burgdorff grinst: „Das konnte er sich damals nicht verkneifen.“ Aber der | |
Schriftzug sei auch ein Indiz für den schweren Kampf, den der Verein | |
zunächst führen musste, bis der Wert der alten Gebäude anerkannt wurde. Er | |
selbst sei nicht ganz so polemisch wie sein Vorgänger, sagt Burgdorff. | |
„Aber heute ist das auch nicht mehr so nötig. Damals mussten wir uns erst | |
einmal Gehör verschaffen.“ | |
Heute hat der ALA im Verkehrs- und im Bauausschuss der Stadt Rederecht. | |
Trotzdem stößt der Verein mit seinen Anliegen nicht immer auf Begeisterung. | |
„Wir hören immer wieder den Satz: Lüneburg ist doch kein Museum“, erzählt | |
Burgdorff. Aber Lüneburg zu einer Touristenattraktion zu machen, ist gar | |
nicht das Ziel des Vereins. „Wir möchten, dass die Leute hier wohnen“, sagt | |
Burgdorff. „Wir beobachten, dass immer mehr sich hier eine Ferienwohnung | |
kaufen und die meiste Zeit gar nicht da sind“, fügt er hinzu. „Das ist | |
schade und bedenklich.“ Gerade bei den jüngeren Hausbesitzern fehle oftmals | |
die Sensibilität dafür, wie wichtig das Anliegen des ALA sei. | |
Durch die Arbeit des Vereins ist nicht nur das Michaelisviertel sehr | |
attraktiv geworden: Auch der Hafen Lüneburgs hat dem ALA viel seines | |
Charmes zu verdanken. Und so ist der „Stint“ nicht nur bei Touristen und | |
Einwohnern beliebt. | |
Auch die Crew der ARD-Telenovela „Rote Rosen“ nutzt ihn gern als Drehort. | |
Die sei übrigens ständig auf der Suche nach neuen Drehorten in Lüneburg für | |
die seit mehr als zehn Jahren laufende Endlosserie, erzählt Burgdorff. Vor | |
allem für Innenszenen sind restaurierte Häuser beliebt. Burgdorff ist davon | |
nicht sonderlich begeistert, aber er nimmt es gelassen: „Oftmals ist da ja | |
die Handlung nicht so prickelnd, da braucht man dann halt umso | |
interessantere Drehorte.“ | |
12 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Lena Eckert | |
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