Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- nord.thema: „Das ist echt eine Faszination“
> GästetransportMadlen Günther ist mit Begeisterung Kutscherin in der
> Lüneburger Heide. Im Interview spricht sie über Pferde und Kutschen,
> männliche Kollegen und singende und trinkende Passagiere
Bild: „Die Lüneburger Heide ist ein Traum“: Kutscherin Günther vorn auf d…
Interview Lena Eckert
taz: Frau Günther, haben Sie manchmal die Schnauze voll von der Heide?
Madlen Günther: Zum Ende der Saison wird die Luft ein bisschen dünn, aber
ansonsten ist es traumhaft schön. Und nicht nur im Sommer, wenn die Heide
blüht. Auch im Herbst, wenn die Blätter bunt werden, oder im Frühjahr, wenn
alles grün wird. Dann siehst du, da kommt wieder was und dann geht dir das
Herz auf.
Und auch bei Regen?
Es gibt natürlich ein paar Regentage, aber wir sind ja nicht aus Zucker.
Und die Kutschen haben auch ein Verdeck, das man aufbauen kann.
Was für Gäste haben Sie hauptsächlich?
Unsere Kunden sind hauptsächlich ältere Leute, die nicht mehr so gut laufen
können. Viele wollen gar nicht mehr ins Ausland, weil Deutschland auch
schöne Ecken hat. Da ist die Lüneburger Heide ein Traum. Für uns Kutscher
auch. Wenn wir hier fahren, geht uns jedes Mal das Herz auf. Dann geht das
andauernd: „Ach, gucken Sie mal da“ und „gucken Sie mal dort“. Das ist …
eine Faszination. Das musst du leben.
Hatten Sie schon einmal negative Erlebnisse? Hätten Sie im Nachhinein
manche Gäste lieber nicht gefahren?
Nein, eigentlich nicht. Und auch meine Gäste waren immer alle glücklich.
Manche schreiben sich richtig den Namen auf, damit ich sie das nächste Mal
wieder fahre. Das ist echt schön. Kutscher sind eher Mangelware, aber ich
mag den Beruf sehr.
Gibt es viele Kutscherinnen, oder sind das hauptsächlich Männer?
Es sind viele Männer. Viele ältere Männer. Aber es gibt auch ein paar
wenige Damen. Und es werden mehr. Hier auf dem Hof steht es fifty-fifty. Da
geht aber auch noch was.
Kriegen Sie manchmal blöde Kommentare von den männlichen Kollegen?
Ich sag mal so: Ich bin schon ein paar Tage länger da, und wenn ich was
sage, dann machen die das auch. Die haben alle Respekt vor mir. Das macht
schon Spaß.
Den Respekt mussten Sie sich also erst erarbeiten?
Als Frau musst du schon ein bisschen Kontra geben. Wenn du zu lieb bist,
wirst du gerne mal untergebuttert. Da musst du manchmal eine Großschnauze
sein. Aber eigentlich bin ich ganz lieb. Auch wenn ich manchmal nach außen
nicht so wirke.
Sie wirken, als hätten Sie hier alles und alle ziemlich gut im Griff.
Ich muss immer alles gleichzeitig im Blick haben. Wir kutschieren ja nicht
nur. Wir müssen die Kutschen sauber machen und instand halten,
Fahrunterricht geben und die Pferde pflegen, putzen und anschirren. Und der
Hof und die Ställe müssen natürlich auch in Ordnung gehalten werden. Wenn
es irgendwo Fragen gibt, kommen die Leute oft zu mir. Ich bin ein bisschen
Mädchen für alles auf dem Hof.
Oder doch eher die heimliche Chefin?
Naja, im Stall vielleicht ein bisschen. Aber ansonsten überlasse ich das
dem richtigen Chef. Mit der Buchführung will ich zum Beispiel nichts zu tun
haben. Büroarbeiten sind nicht so mein Ding, da werde ich unglücklich.
Sie packen lieber richtig an?
Ja. Der Job ist schon hart. Manchmal fährst du morgens um 10 Uhr los und
kommst erst um 18 Uhr wieder. Da bist du manchmal froh, wenn der Tag zu
Ende ist. Im Sommer bist du manchmal sieben, acht Tage hintereinander
unterwegs. Und wir haben an die 60 Pferde, das ist viel harte Arbeit. Der
Hufschmied kommt zweimal die Woche, da musst du die Füße der Pferde
hochheben. Wenn du von 60 Pferden die Füße hoch gehoben hast, weißt du
abends auch, was du gemacht hast.
60 Pferde – die hinterlassen sicher auch Spuren in der Heide.
Es gibt immer zwei Wege: einen für Fußgänger und Radfahrer und einen für
die Kutschen. Das ist auch wichtig. In den Sommermonaten haben wir 20
Gespanne im Einsatz. Wenn die alle auf den Fußwegen fahren würden, wären da
keine Fußwege mehr. Diejenigen, die heute mit dem Fahrrad fahren, sind
unsere Gäste von morgen. Die Pferdeäpfel können wir in der Heide übrigens
liegen lassen, das ist ja alles Natur. In Ortschaften machen wir Säcke
dran, in die die Äpfel reinfallen.
Hinterlassen Ihre Gäste auch Spuren?
Klar fällt da mal ein Taschentuch runter. Zu Himmelfahrt sind dann auch
schon so Leutchen unterwegs, bei denen mal ein Becher oder eine Flasche
runterfällt. Aber im Großen und Ganzen hinterlassen sie die Natur sauber.
Meistens findet sich irgendeiner, der den Müll dann aufsammelt und
mitnimmt.
Es ist also auch Alkohol im Spiel.
Für die Kutscher und Kutscherinnen erst nach der Arbeit. Sonst ist man
schnell seinen Führerschein los. Nicht nur den für die Kutsche, sondern
auch den für PKWs. Aber die Gäste nehmen gern ein bisschen Proviant mit.
Oft machen wir auch einen Zwischenstopp zum Einkehren. Da werden die
Kutscher oft eingeladen, aber du kannst ja nicht einfach deine Pferde
draußen abstellen und erst mal gemütlich Kaffee trinken gehen. Auch während
der Fahrten versuchen die Gäste immer wieder, den Kutschern was anzudrehen,
aber das dürfen die einfach nicht annehmen.
Stört es Sie, wenn die Gäste Alkohol trinken?
Das ist in Ordnung, solange sie den Kutscher und die Pferde in Ruhe lassen.
Es ist auch nicht so, dass sie sich immer übermäßig betrinken würden.
Auf jeden Fall scheint immer gute Stimmung zu sein. Als Kutscherin sind Sie
auch ein bisschen Entertainerin für die Gäste, oder?
Ja, klar. Manchmal haben wir einen Reiseleiter dabei, aber oft machen wir
das auch selber. Wir erzählen viel über die Heide und haben da auch
regelmäßig Fortbildungen, bei denen wir was Neues lernen. Es ist wichtig,
die Leute auch zu unterhalten. Sonst hast du so ein Stillschweigen auf der
Kutsche. Da machst du dann mal ein kleines Witzchen zwischendurch. Es gibt
ja richtig Heidewitze.
Bitte.
Was sagt der Zwerg, wenn er durch die Heide läuft? „Erika, lass das!“
Und das funktioniert?
Ja, dann sind die Gäste happy. Viele fangen dann auch an zu singen, „Hoch
auf dem gelben Wagen“ zum Beispiel. Dann singt man selber irgendwann auch
noch mal mit – auch wenn man nur die ersten Strophen kennt.
12 Aug 2017
## AUTOREN
Lena Eckert
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.