# taz.de -- Ab nach Tantatula | |
> MAGAZINRELEASE Wer etwas über Science-Fiction aus China und mehr über das | |
> Reich der Mitte erfahren möchte, der sollte das neue, bilinguale Berliner | |
> Literaturmagazin „Kapsel“ testen | |
Bild: Eine Illustration im Science-Fiction-Magazin „Kapsel“ | |
von Natalie Mayroth | |
Auf dem Cover sieht man bienenwabenartige Zellen in Lila, Grün und Blau. | |
„Fantastische Geschichten aus China“ steht in kleiner Typografie im oberen | |
Drittel geschrieben, und darunter, in großen Lettern: „Kapsel“. | |
Eingeklammert, sodass es auch wie eine Kapsel anmutet. Im Inneren findet | |
man dann eine dystopische Kurzgeschichte der Autorin Chi Hui – „Das | |
Insektennest“ heißt sie. Und dann sind da noch Briefe, ein Chat-Interview | |
mit der schüchternen Autorin und ein Essay über die zeitgenössische | |
Science-Fiction-Szene Chinas. Ein buntes Potpourri. | |
Im Mai erschien die erste Ausgabe dieses neuen Literaturmagazins, das sich | |
dem Genre Science-Fiction in der chinesischen Literatur widmet. Konzipiert | |
und veröffentlicht hat es Lukas Dubro, es ist das Abschlussprojekt seines | |
Studiums Angewandte Literaturwissenschaft an der FU. Unterstützt von seinem | |
Kollegen Chong Shen, hat der 30-Jährige die Story aus dem Chinesischen | |
übersetzt – die Geschichte bildet das Herzstück des Magazins. Mitgewirkt | |
haben neben den beiden Redaktionsmitglied Zhonglou, Gestalter Marius Wenker | |
sowie knapp 20 weitere Helferinnen und Helfer. | |
„Endlich einmal Sci-Fi, die nicht von einem Mann aus Amerika geschrieben | |
wurde“, zitiert Dubro einen Freund. Als freie Autorin ist Chi Hui in ihrem | |
Genre eine Seltenheit, auch wenn die Anfänge des Genres in China über 100 | |
Jahre zurückliegen und Sci-Fi heute neu entdeckt wird. Das Besondere an | |
„Kapsel“ ist nicht nur, dass hier eine Erstübersetzung vorliegt, es ist | |
auch bilingual aufgebaut: Chinesisch in Rot, Deutsch in Schwarz gedruckt. | |
Mit ihrer „Old-School-Geschichte“ von 2008, wie sie Chi Hui im Interview | |
nennt, möchte sie kein anderes Bild der chinesischen Gegenwart entwerfen. | |
Sie baut hingegen eine Welt auf, in der neben Menschen sogenannte „Tanla“ | |
und „Nahai“ leben. In die dritte Jahreszeit überführt zu werden – und d… | |
ins Erwachsensein – ist auf dem friedvollen Planeten Tantatula eine Strafe, | |
die nur für grobe Vergehen ausgesprochen wird. | |
Die weibliche Heldin ist Yiansa Rui, eine Insektenhüterin aus Tantatula. | |
Sie bringt den Erdling und Forscher Chen Qiangyan an sein gewünschtes Ziel: | |
das Insektennest. Doch schließt die Erzählung düster ab, indem dem Forscher | |
klar wird, dass Menschen nicht die mächtigsten Lebewesen der Milchstraße | |
sind und sie nach all ihren Vergehen niemand mehr schützt. Die Menschheit | |
muss nun erwachsen werden – oder sterben. | |
Science-Fiction in China ist in seinen Narrativen ein Bündel aus Gegenwart | |
und Vergangenheit, was nicht nur bei der Lektüre des „Insektennest“ langsam | |
klar wird, sondern auch von der Wissenschaftlerin Frederike | |
Schneider-Vielsäcker in ihrem Essay erläutert wird. | |
„Kapsel“ ist jedoch nicht das erste Magazin, das aus Dubros Engagement | |
entstand. 2011 als Blog gestartet, wurde im Jahr darauf das erste | |
„Cartouche“-Magazin gedruckt. Der Konzertbesuch einer Pekinger Punkband | |
verleitet Dubro Jahre später zu einem Chinesisch-Sprachkurs. Um seine | |
Kenntnisse zu nutzen, entstand die Idee zu einem neuen Magazin. | |
„Kapsel“ bedient sich nicht nur im Magazin verschiedener literarischer | |
Genres, sondern das Release wird ergänzt von weiteren Formaten: Es gibt | |
einen eigenen Soundtrack – und eine Performance begleitete die | |
Veröffentlichung. Finanziert wurde “Kapsel“ aus eigenen Mitteln. | |
Unterstützung erhielt Dubro von Kommilitonen und Freunden. Bisher arbeiten | |
alle ehrenamtlich, doch auf längerer Sicht wollen sie sich um Fördergelder | |
bemühen, um die Arbeit des Grafikers zu entlohnen. | |
„Kapsel“ ist ein idealistisches Projekt, das viel will, aber auch kann: Es | |
öffnet Tore in andere Welten, zum einen in das Universum der Tanla und | |
Nanhai, zum anderen in die Literaturgeschichte eines noch jungen Genres. | |
Selbst für Nicht-China-Kenner und nicht-übermäßige Sci-Fi-Freunde bietet | |
das Magazin beim Lesen und Blättern durch die 80 Seiten mit 17 | |
Illustrationen Freude. „Kapsel“ ist eine Reise. Anfang nächsten Jahres soll | |
die nächste beginnen. | |
„Kapsel“ kostet 10 Euro und ist erhältlich auf kapsel-magazin.de | |
8 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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