# taz.de -- Der unpraktische Bote | |
> Zukunftskram Hätte der Droide R2D2 aus Starwars einen tollpatschigen, | |
> minderbegabten Cousin dritten Grades: Sein Name wäre „6D88“. Für Domino… | |
> apportiert der Lieferroboter derzeit die Pizza zum Kunden und zeigt: Der | |
> Weg in die Zukunft ist holprig. | |
Bild: 70 Prozent der Passanten reagieren nicht auf ihn: den Lieferroboter der F… | |
von Anna Gröhn | |
Technik, die faul macht, gibt es zur Genüge. Doch da geht noch mehr: | |
Künftig sollen Lieferroboter auch die Pizza nach Hause liefern. Für die | |
Pizzakette Domino’s ist seit Mitte Mai Roboter 6D88 in Hamburg-Ottensen | |
unterwegs. Er ist klein, wendig und sieht ein wenig aus wie ein Inkubator | |
auf sechs Rädern. Entwickelt wurde er von der estnischen Firma Starship | |
Technologies, die ihre Lieferroboter an Unternehmen weltweit vermietet und | |
von Skype-Mitbegründer Ahti Heinla geführt wird. | |
Die kleinen Androiden sind in Hamburg keine Neuheit: Ende letzten Jahres | |
war es der Paketdienst Hermes, der für einen Pilottest gemietete | |
Lieferroboter ein halbes Jahr lang Päckchen ausliefern ließ. Nun kooperiert | |
Starship Technologies in Hamburg mit den Lieferdiensten Foodora und | |
Domino’s. „Es geht darum, Erfahrungen im Bereich Lebensmittel- und | |
Fastfood-Lieferung zu sammeln“, sagt Starship-Händler Dino Dessi. | |
Bei Domino’s geht es wohl eher darum, ein wenig die Werbetrommel für sich | |
zu rühren: Selbstfahrende Fahrzeuge, autonome Roboter, alles unter dem | |
Deckmantel der Mobilität der Zukunft – darauf springt die Presse an. | |
Karsten Freigang, Geschäftsführer von Domino’s Deutschland, drückt das | |
bedächtig aus: „Wir erhoffen uns eine größere Aufmerksamkeit bei | |
potenziellen Mitarbeitern und Kunden“, sagt er. | |
Auch ökonomische Gründe habe das Ganze: „Der Lieferroboter ermöglicht es | |
uns, bei hohem Bestellaufkommen zusätzliche Lieferungen durchzuführen und | |
Wartezeiten zu vermeiden“, sagt Freigang. Noch in diesem Jahr plane das | |
Unternehmen in weiteren Filialen in Hamburg Lieferroboter einzusetzen. | |
Ersetzen sollen die Roboterboten die Mitarbeiter aber nicht. Man sei | |
regelmäßig auf der Suche nach weiteren Angestellten. | |
Ein Blick auf die Maschinenboten zeigt: Konkurrenz für den Menschen ist | |
noch nicht in Sicht. Ein Beispiel: Während ein Fahrer durchschnittlich drei | |
bis vier Bestellungen pro Stunde ausliefern kann, schafft der Roboter | |
gerade mal eine. Maximal zehn Kilogramm kann er befördern, auch sein | |
Stauraum ist begrenzt: Etwa fünf Pizzen passen in das Paketfach, ein Bote | |
kann je nach Transportmittel mindestens das Doppelte transportieren. Zudem | |
decken die Roboter nicht das gesamte Liefergebiet ab. Auch reden oder gar | |
kommunizieren können sie nicht. Dafür sehen sie recht knuffig aus. Also | |
alles nur Spielerei? | |
## Die Zentrale muss 6D88 über die Straße helfen | |
An diesem Dienstagmorgen rollt Lieferroboter 6D88 durch den Bahrenfelder | |
Steindamm, Dino Dessi begleitet ihn auf seinem Lieferweg. Denn noch darf | |
das 21 Kilo schwere Gefährt nur in Begleitung eines Starship-Mitarbeiters | |
unterwegs sein. Dessi soll Passanten Fragen beantworten und auf den | |
Miniroboter aufpassen. Auch von der Zentrale in Tallin wird der Roboter | |
überwacht, die ihn auch steuern kann. | |
Seine Umwelt nimmt 6D88 mithilfe von neun installierten Kameras und sechs | |
Sensoren wahr, ähnlich wie bei einem Parkassistenten. Er kann Dinge in | |
einer Entfernung von rund 50 bis 80 Metern erblicken. Je nach Distanz | |
greift er auf Stereokameras, Radar- und Ultraschallsysteme oder neuronale | |
Netze zurück. | |
Mithilfe solcher Sensorik und Navigationssoftware sucht er sich seine Wege | |
selbstständig. Fahrradwege und Straßen hat er gelernt zu umfahren. Muss er | |
dennoch eine Straße überqueren, meldet er sich in der Firmenzentrale; ein | |
Mitarbeiter schaltet sich in sein System ein und übernimmt die Steuerung. | |
„Wir zielen darauf ab, dass unser Roboter 99 Prozent autonom fährt, jedoch | |
wird dies noch eine Weile dauern“, sagt Dino Dessi. Zwar sei geplant, den | |
Lieferroboter in Zukunft ohne menschliche Begleitung loszuschicken, aber: | |
„Bei schwierigen und komplexen Situationen ist es wichtig, dass sich ein | |
Mensch online zuschalten und den Roboter unterstützen kann.“ | |
Denn nicht nur der Straßenverkehr ist komplex, auf Gehwegen passieren | |
Fußgänger, Fahrradfahrer, Skater, Rollstuhlfahrer den Roboter. Wer haftet | |
dafür, wenn 6D88 mit jemandem kollidiert oder einen Unfall verursacht? | |
Dieser Frage weicht der Starship-Mitarbeiter aus, stattdessen betont er: | |
„Unser Roboter ist sehr, sehr vorsichtig und zurückhaltend. Sobald er etwas | |
vor oder neben sich wahrnimmt, wird er sofort langsamer oder stoppt.“ An | |
Orten, wo viele Leute unterwegs seien, würde der Roboter ständig anhalten. | |
Für solche Strecken sei er nicht geeignet. – Eher unpraktisch in einer | |
Großstadt. | |
6D88 rollt in Schrittgeschwindigkeit den holprigen Gehweg entlang, maximal | |
sechs Stundenkilometer kann er erreichen. Eine Baustelle liegt im Weg, nur | |
ein halber Meter ist bis zum Fahrradweg frei. Der kleine Roboter gerät ins | |
Stocken, windet sich abwechselnd nach links und rechts, bis er schließlich | |
vor den Bauzäunen stehen bleibt. Einen kurzen Moment lang überkommt einen | |
das Gefühl, 6D88 denke intensiv über sein zu überwindendes Hindernis nach. | |
Das erledigen jedoch die installierten Systeme. | |
Ein neuer Versuch: 6D88 surrt und macht einen Schlenker nach hinten, dann | |
wendet er nach rechts und ruckelt langsam über den halben Meter zwischen | |
Baustelle und Fahrradweg. Das geht etwa eine Minute lang gut. Eine Gruppe | |
Erdenbewohner steht nun mitten auf dem Fußgängerweg und unterhält sich | |
angeregt. Sie bemerken gar nicht, wie 6D88 vor ihnen stehen bleibt und sich | |
auf der Stelle ruckartig hin- und herbewegt. Lediglich der schwarze | |
Pinscher schaut den Roboter an, dreht sich dann aber wieder weg und | |
betrachtet seine Herrchen. | |
Erste Tests zeigten, dass rund 70 Prozent der Leute gar nicht auf den | |
Roboter reagieren, so Dino Dessi. Und wenn, dann reagierten sie durchweg | |
positiv. Das sei eine ganz andere „experience“, als wenn ein normaler Bote | |
vorbeikäme. In den Genuss dieser futuristischen Liefermethode kommt | |
allerdings nicht jeder, denn die Roboter können höchstens einen 20 | |
Zentimeter hohen Bordstein erklimmen. Wer also im vierten Stock wohnt oder | |
aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht vor die Tür kommen kann, dem | |
apportiert 6D88 keine Pizza. Eine barrierefreie Roboterlieferung wäre etwa | |
mit einer Drohne möglich, das sei momentan allerdings nicht geplant, heißt | |
es bei Domino’s. | |
„Die Boten sind und bleiben deshalb das Wichtigste“, sagt Selami Özcelik, | |
Franchise-Partner der Ottensener Domino’s Filiale. „Die Roboter sind eine | |
Ergänzung.“ Getestet werden sie derzeit nur mit dem Einverständnis des | |
Kunden. Da der Lieferroboter kein Wechselgeld mit sich trägt, muss die | |
Bestellung vorher online über den Webshop bezahlt werden. Die | |
Domino’s-Mitarbeiter bestücken den Roboter in der Filiale, ein | |
Starship-Mitarbeiter holt ihn ab. | |
Sobald er losfährt, erhalten die Testkunden eine SMS. Über einen Link | |
können sie die Tour verfolgen. Ist der Roboter vor der Haustür angekommen, | |
benachrichtigt sie eine weitere SMS, darin ein Link zu einem elektronischen | |
Schlüssel, mit dem das Paketfach geöffnet und wieder verschlossen werden | |
kann. | |
Doch was wäre, wenn jemand versuchte die Maschine aufzubrechen? Dann gäbe | |
sie ein Warnsignal von sich, sagt Özcelik. Ein Starship-Mitarbeiter würde | |
sich unmittelbar einschalten. Zudem wird die Position des Roboters | |
permanent an die Firmenzentrale übermittelt, was einen Diebstahl erschwert. | |
Sollte dennoch etwas geklaut werden, sei der Inhalt versichert, sagt Henry | |
Harris-Burland, Vizepräsident von Starship Technologies. Auch Kundendaten | |
seien sicher, versichert er. Alle Inhalte seien mit einer | |
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschützt. Die Firma speichere kaum | |
Kundendaten, die meisten lägen bei den Kooperationspartnern. | |
Doch auch der Roboter sammelt Daten auf seinen Wegen. Die Geodaten nutzt | |
Starship, um Karten zu erstellen. Sollte der Roboter aber mit seinen | |
installierten Kameras auch Gesichter aufnehmen, wäre das | |
datenschutzrechtlich problematisch. Gespeichert oder weiterverarbeitet | |
würden die Aufnahmen daher nicht, heißt es bei Starship. Zudem werde alles, | |
was oberhalb des Bauchnabels liege, unkenntlich gemacht. Das schließt | |
allerdings weder Kinder noch Nummernschilder oder Autokennzeichen aus. | |
7 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Gröhn | |
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