| # taz.de -- Der letzte Schuss | |
| > Geschichte Vor 30 Jahren schaffte die DDR die Todesstrafe ab. Vollstreckt | |
| > wurde sie seit 1981 nicht mehr | |
| LEIPZIG epd | Vielleicht hörte Werner Teske noch Schritte, als er den Raum | |
| in der Leipziger Strafvollzugsanstalt Alfred-Kästner-Straße betrat. | |
| Vielleicht traf ihn der „unerwartete Nahschuss“ in den Hinterkopf auch ohne | |
| jede Ahnung. Der Stasi-Hauptmann war der letzte Mensch, der in der DDR | |
| hingerichtet wurde, am 26. Juni 1981. Es sollte noch sechs Jahre dauern, | |
| bis die Staatsführung die Todesstrafe abschaffte. | |
| Tagelang hatten Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit Teske | |
| bearbeitet. Am Ende stand für sie fest: Teske plant die Flucht in den | |
| Westen. Verurteilt wurde er wegen „Verbrechens der Spionage im besonders | |
| schweren Fall und vorbereiteter Fahnenflucht im schweren Fall“. Einem | |
| Gnadengesuch wurde nicht stattgegeben. | |
| Nach Recherchen von Falco Werkentin teilten ab der Gründung der DDR 1949 | |
| mindestens 164 Verurteilte Teskes Schicksal. Werkentin war mehr als 20 | |
| Jahre lang stellvertretender Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen in | |
| Berlin, für den Bundestag hat er ein Gutachten verfasst. | |
| Während die Bundesrepublik Deutschland die Todesstrafe mit Inkrafttreten | |
| des Grundgesetzes 1949 abgeschafft hatte, galt in der DDR zunächst der | |
| Mordparagraf aus dem Strafgesetzbuch des Kaiserreiches von 1871 fort. Auf | |
| dessen Grundlage richtete die DDR-Staatsführung laut Werkentin insgesamt | |
| rund 50 Mörder hin. Hinzu kamen 65 Verbrecher aus der NS-Zeit, die meist | |
| nach aufwändigen Schauprozessen exekutiert wurden. Darüber hinaus wurden | |
| etwa 50 Menschen wegen „politischer Delikte“ wie Spionage oder Sabotage | |
| hingerichtet. Grundlage bildete Artikel 6 der DDR-Verfassung, der | |
| „Boykotthetze“ verbot. Werkentin nennt den Artikel ein „reines | |
| Propagandagebilde, eine Pseudo-Rechtsgrundlage, die nicht einmal ein | |
| Strafmaß androhte“. Für die DDR-Führung sei das jedoch kein Hinderungsgrund | |
| gewesen, drakonische Strafen mit dem Artikel zu begründen – bis hin zur | |
| Todesstrafe. | |
| Wie die Rechtsgrundlage für die Todesurteile änderte sich mit der Zeit auch | |
| die Methode ihrer Vollstreckung. Bis 1968 wurde den Verurteilten per | |
| Guillotine der Kopf abgeschnitten. Danach kam der „unerwartete Nahschuss“ | |
| zum Einsatz, ausgeführt von Volkspolizisten. Die Leichen der Getöteten | |
| wurden auf den Leipziger Südfriedhof gebracht und verbrannt; Todesort und | |
| -ursache auf dem Totenschein wurden gefälscht. | |
| Gerade die späten Urteile, etwa gegen Stasi-Mitarbeiter wie Teske, waren | |
| nach Stand der Forschung häufig politisch motiviert und wurden streng | |
| geheimgehalten. Die Fälle liefen stets über den Schreibtisch der höchsten | |
| SED-Funktionäre im Politbüro, sagt Jochen Staadt vom Forschungsverbund | |
| SED-Staat an der FU Berlin. „Faktisch lag die Entscheidungsgewalt bei der | |
| Parteiführung“, sagt der Forscher – ob über Urteile oder Gnadengesuche. | |
| 17 Jul 2017 | |
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