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# taz.de -- Besser reich und gesund
> Gesellschaft Wohlfahrtsverbände fordern gleiche medizinische Behandlung
> für alle
Bild: Münchner Straßenambulanz für Wohnungslose
BERLIN taz | Als eklatante Menschenrechtsverletzung bewertet die Nationale
Armutskonferenz (nak) die Restriktionen bei der medizinischen Versorgung
von sogenannten gesellschaftlichen Randgruppen. Besonders Bezieher von
Grundsicherungsleistungen, Asylsuchende und auch viele Wohnungslose hätten
nur einen eingeschränkten Zugang zu den Standardleistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung. Aber auch Geringverdiener seien in der Regel nicht in
der Lage, die für viele Leistungen verlangten Zuzahlungen aufzubringen,
heißt es in einem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Positionspapier der
nak zum Thema Armut und Gesundheit.
Die 1991 gegründete nak ist ein Zusammenschluss aller großen Wohlfahrts-
und Fachverbänden, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und zahlreichen
Betroffeneninitiativen.
Armut bedeute eben nicht nur den Verzicht auf Konsumgüter und
soziokulturelle Teilhabe, sondern vor allem „höhere Erkrankungsraten und
eine signifikant geringere Lebenserwartung“, so nak-Sprecherin Barbara
Eschen. Bei Männern beträgt die Differenz zwischen dem oberen und dem
unteren Viertel der Einkommenspyramide elf Jahre, bei Frauen sind es acht.
Auch die Suizidquote sei bei armen Menschen deutlich höher.
Der Arzt und Sozialarbeiter Gerhard Trabert, der die Arbeitsgruppe Armut
und Gesundheit bei der nak leitet, spricht in diesem Zusammenhang von
„struktureller Gewalt“ gegen arme Menschen mit teilweise tödlichen Folgen.
So seien etliche Fälle dokumentiert, bei denen Menschen starben, weil es
keinen Kostenträger für notwendige Therapien gab. Dies werde aber, anders
als beispielsweise Gewalt im Umfeld des G20-Gipfels in Hamburg, in der
öffentlichen Diskussion kaum thematisiert.
Trabert wies darauf hin, dass medizinische Unterversorgung nicht nur die
bekannten „Problemgruppen“ wie Hartz-IV-Bezieher und Flüchtlinge
betrifft. So werden Menschen, die zwar krankenversichert sind, aber die
Beiträge nicht aufbringen können, nur bei Akuterkrankungen und in Notfällen
behandelt. Das gelte auch für viele Wanderarbeiter aus ost- und
südosteuropäischen Ländern der EU, die sich zwar legal in Deutschland
aufhalten, aber keinen Versicherungsschutz haben.
Vehement wandte sich Trabert gegen den oft geäußerten Vorwurf, viele arme
Menschen hätten aufgrund ihrer ungesunden Lebensführung und Ernährung eine
Mitschuld an erhöhten Krankheitsrisiken. Natürlich trage jeder Mensch ein
„gewisses Maß an Selbstverantwortung“ für seine Gesundheit. Doch angesich…
des faktischen Ausschlusses großer Bevölkerungsteile von vielen Therapien
und Sachleistungen wie Zahnersatz und Sehhilfen sei diese Sichtweise nahezu
zynisch, so Trabert. Auch könne ihm niemand erklären, wie man ein Kind von
dem im Hartz-IV-Regelsatz vorgesehenen 2,92 Euro vollwertig und gesund
ernähren solle.
Die nak fordert den uneingeschränkten und vor allem zuzahlungsfreien Zugang
zu allen Standardleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die
Übernahme von Kosten für medizinisch notwendige Fahrten und Hilfsmittel wie
Brillen und Hörgeräte. Dabei müssten auch Menschen einbezogen werden, die
regulär beschäftigt, aber trotzdem armutsgefährdet sind, und die Regelsätze
von Grundsicherungsleistungen für Erwerbslose, Rentner und Flüchtlinge so
ausgestaltet werden, dass für deren Bezieher „eine gesunde Ernährung nach
den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung leistbar ist“.
Rainer Balcerowiak
14 Jul 2017
## AUTOREN
Rainer Balcerowiak
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