# taz.de -- Triathlon Sebastian Kienle vor dem Ironman in Frankfurt über zehn … | |
Bild: Aus dem Wasser und marsch! Sebastian Kienle bei einem Einladungswettkampf… | |
interview Frank Ketterer | |
taz: Herr Kienle, stimmt es eigentlich, dass Sie bereits in der 3. Klasse | |
als Berufswunsch Triathlet angegeben haben? | |
Sebastian Kienle: Ja. Es gibt sogar ein offizielles Dokument, das das | |
belegt, eine Schülerzeitung. In der sollte jeder Drittklässler seinen | |
Berufswunsch äußern. Und wo die anderen so Sachen wie Feuerwehrmann, | |
Astronaut oder Spezialagent eingetragen haben, habe ich Profitriathlet | |
angegeben. | |
Wie waren die Reaktionen? | |
Meine Klassenlehrerin meinte, ich solle doch lieber etwas Realistisches | |
eintragen. Mit Blick zurück bin ich wahrscheinlich der Einzige, der sich | |
seinen Berufswunsch erfüllt hat. | |
Haben Sie das jemals bereut? Es gibt ja immer mal Phasen, wo es im Beruf | |
nicht so gut läuft. Aber ich glaube, ich habe deutlich weniger zu bereuen | |
und zu jammern als so manch anderer. Ich bin in meinem Job schon ziemlich | |
glücklich. | |
Seit wann würden Sie sich als Profitriathlet bezeichnen? | |
Wenn man den Begriff Profisport so definiert, dass es heißt, dass man davon | |
leben kann, also von Preisgeldern und Sponsoren, würde ich sagen, dass ich | |
seit rund zehn Jahren Profitriathlet bin. | |
Was hat sich in dieser Zeit in Ihrem Sport verändert? | |
Die Dichte ist höher geworden. Es gibt definitiv mehr Profis. Und es gibt | |
viel, viel mehr Rennen. Gerade in Deutschland hat sich Triathlon aus einer | |
Nische herausbewegt. Es ist zwar immer noch eine Randsportart, aber sie | |
steht bei Weitem nicht mehr so weit am Rand wie früher. Früher haben die | |
Leute gefragt: Ist Triathlon nicht das mit dem Schießen? Das passiert heute | |
nicht mehr. Mit dieser Entwicklung sind natürlich auch die | |
Verdienstmöglichkeiten für uns Profis gestiegen. | |
Wie groß ist nach zehn Profijahren denn der Verschleiß? | |
Sicher nicht so groß wie in anderen Sportarten wie Fußball, Basketball, | |
Eishockey. Zum einen, weil wir keinen Körperkontakt haben. Zum anderen, | |
weil es keine schnellen Stopps und Richtungsänderungen gibt. Dennoch spürt | |
man natürlich einen gewissen körperlichen Verschleiß. Bei mir war es in den | |
letzten drei Jahren vor allem die Achillessehne, die Probleme bereitete. | |
2014, als Sie die Ironman-Wettbewerbe in Frankfurt und auf Hawaii gewonnen | |
haben, konnten Sie phasenweise gerade mal 30 Kilometer pro Woche laufen. | |
Sogar in der direkten Hawaii-Vorbereitung stand damals mehr Aquajogging als | |
Lauftraining auf dem Programm. Wie kann man so das wichtigste | |
Triathlonrennen der Welt gewinnen? | |
Zum einen konnte ich ja davor 15 Jahre verletzungsfrei auf einem hohen | |
Level trainieren. Eine gute Grundlage war also da. Außerdem ist es Herz | |
oder Lunge egal, ob sie arbeiten müssen, weil man läuft, Rad fährt, | |
schwimmt oder aquajoggt. Das heißt: Die generelle Fitness bleibt erhalten. | |
Zudem haben wir uns mehr aufs Radfahren und Schwimmen konzentriert. Gerade | |
beim Laufen war klar, dass die Intensität viel, viel höher sein musste, | |
eben weil es viel, viel weniger Kilometer waren. Und am Ende ist es sowieso | |
immer eine mentale Sache. Vielleicht hat ja der Umstand, dass ich nicht so | |
viel trainieren konnte, dazu geführt, dass ich mental relativ frisch war. | |
Über die Vorbereitung auf diese Saison haben Sie gesagt, sie sei die beste | |
seit fünf Jahren gewesen. Was war so gut? | |
Dass ich überhaupt erstmals wieder ganz normal laufen trainieren konnte. | |
Außerdem hatte ich keinerlei Erkältung oder ähnliches. Ich hatte keinen | |
einzigen Ausfalltag. Wir waren lange in den USA. Ich hatte gute | |
Trainingspartner. Auch meine Frau war dabei. All das hat meine Vorbereitung | |
richtig gut gemacht. | |
Nach Ihrem Sieg in Frankfurt vor einem Jahr haben Sie gesagt: „Ich hatte | |
das Gefühl, an die Himmelspforte geklopft zu haben.“ War das Ihr härtestes | |
Rennen? | |
Es war verdammt hart, auf jeden Fall härter, als ich es eigentlich erwartet | |
hatte. Der Andi (Böcherer, Anm. der Redaktion) hatte ein wahnsinnig starkes | |
Rennen hingelegt und mir wirklich alles abverlangt. Auf den letzten | |
Kilometern ist mir fast der Sprit ausgegangen. | |
Am Sonntag stehen Sie und Andi Böcherer erneut in Frankfurt am Start. | |
Erwarten Sie wieder eine Schlacht? | |
Alles andere wäre naiv. Wobei mir nicht nur Andi das Leben wird schwer | |
machen wollen, sondern auch Patrik Lange und Nick Kastelein, der kanadische | |
Trainingspartner von Jan Frodeno. Das wird definitiv knallhart. | |
Ihr großer Widersacher Jan Frodeno ist in Frankfurt nicht dabei. So kommt | |
es erst im Oktober auf Hawaii zum großen Duell. | |
Auf der einen Seite hätte ich mich gefreut, weil es dem Rennen noch einmal | |
eine viel höhere mediale Aufmerksamkeit gegeben hätte. Außerdem bin ich in | |
sehr guter Form und hätte ihm bestimmt Paroli bieten können. Auf der | |
anderen Seite ist es so, dass Jan für mich die ultimative Motivation ist. | |
Gegen ihn ein Rennen zu bestreiten, kostet extrem viel Kraft, da muss ich | |
100 Prozent bringen. Mindestens! So gesehen ist es vielleicht besser, wenn | |
wir erst im Oktober in Kona aufeinandertreffen. Jan hat sicher im | |
Hinterkopf, das Rennen als Erster unter acht Stunden zu beenden. Ich denke, | |
darauf arbeitet er hin. | |
Sie nicht? | |
Mir ist die Zeit vollkommen egal. Ich will das Rennen einfach nur gewinnen. | |
8 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Frank Ketterer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |