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# taz.de -- AusgesummtViele Wildbienenarten sind vom Aussterben bedroht. Und au…
Interview Jördis Früchtenicht
taz: Herr von der Ohe, in den letzten Jahren gab es immer wieder Berichte
über massenhaftes Bienensterben. Wie ist die Lage der Bienen momentan?
Werner von der Ohe: Über den vergangen Winter sind in etwa 20 Prozent der
Bienenvölker in Deutschland an der Varroamilbe eingegangen. Im Jahr davor
war die Verlustrate extrem niedrig. Ein Winter ohne Verluste ist allerdings
kaum möglich, weil auch durch andere Faktoren, wie etwa den Verlust der
Königin, Bienenvölker verloren gehen. Aber die Varroose, so wird der Befall
der Bienenvölker mit der Varroamilbe genannt, ist nachweislich das
Hauptproblem. Dennoch waren die Chancen für die Honigbienenvölker zu Beginn
dieses Jahres sehr gut.
Wie das?
Viele Imker haben sehr viele Jungvölker gebildet. Das ist ein Vorteil bei
den Bienen – man kann aus einem Volk in der Bienensaison, also in Frühjahr
und Sommer, ein zweites bilden. So kann ein Imker seine Population deutlich
aufstocken. Auch wildlebende Bienenvölker vermehren sich auf diesen Weg der
Schwarmbildung. Wäre dies nicht möglich, wären irgendwann durch ständige
Verluste keine Völker mehr da. Aber solange wir den Imker haben, der sich
um die Honigbiene kümmert, stirbt sie nicht aus.
Verläuft diese Saison bislang gut?
Wir haben derzeit in einigen Gebieten das Problem, dass die
Nahrungsversorgung relativ schnell zusammengebrochen ist. Das Blütenmeer,
was wir normalerweise im Juni und im Übergang zum Juli haben, ist deutlich
knapper ausgefallen als im langjährigen Mittel. Unser Bieneninstitut hat
diese Woche eine Warnmeldung herausgegeben, dass die Bienenvölker dringend
von den Imkern auf ihren Futtervorrat hin untersucht werden müssen. Nicht,
dass die Bienen Gefahr laufen zu verhungern. Sie benötigen derzeit viel
Futter, um ihr Brutnest aufrecht zu erhalten.
Findet die Fütterung nicht normalerweise erst zum Winter hin statt?
Das ist jetzt im Prinzip eine Notfütterung. Wobei Füttern nicht heißt, dass
man ein künstliches Futter geben muss, sondern dass man zum Beispiel Honig
oder bereits entnommene Waben an die Bienenvölker zurückgibt. Das ist ein
Gebot der Fairness gegenüber den Bienen, schließlich profitiert der Imker
ja sonst durch den Überschuss, den die Bienen produziert haben. Das andere
ist die Winterauffütterung mit Zuckersirup, das macht man jetzt auf keinen
Fall, denn damit würde man die Bienen aus dem Brutgeschäft herausbringen.
Die erfolgt erst im Oktober.
Trägt die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, die nur über
einen kurzen Zeitraum blühen, zum Bienensterben bei?
Der Hauptgrund ist definitiv die Varroose. Dennoch spielt die
Agrarlandschaft auch eine gewisse Rolle, vor allem, was die Ernährungslage
betrifft. In einem langjährigen Projekt haben wir nachgewiesen, dass sich
Bienenvölker in der Stadt besser entwickeln als auf dem Land, weil sie dort
ganzjährig relativ gute Nahrung zur Verfügung haben. In extremen
Agrarstandorten blüht im Sommer häufig nichts mehr.
Wie problematisch ist der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft?
Pflanzenschutzmittel stellen vom Grundsatz her natürlich eine Gefahr dar,
allerdings haben die Landwirte erhebliche Auflagen zu erfüllen und die
Anzahl der tatsächlichen Bienenvergiftungsfälle ist über die Jahre auf
relativ gleichem Niveau geblieben. Es wäre natürlich schön, wenn es
überhaupt gar keine Vergiftungsfälle gäbe. Unklar sind vor allem die
Auswirkungen des Einsatzes von Insektiziden auf andere Insekten, also auch
auf Wildbienen, zu denen etwa die Hummel gehört. In Deutschland gibt es
weit über 500 Wildbienen-Arten, von denen 60 Prozent vom Aussterben bedroht
sind. Zudem sind viele dieser Arten extrem angepasst, sie ernähren sich
also nur von bestimmten Pflanzen, etwa Glockenblumen. Wenn die angepassten
Bienen diese Pflanze nicht mehr finden, sind sie vom Aussterben bedroht.
Zudem fehlt es ihnen an Nestmöglichkeiten.
Bei den Wildbienen ist es also ein Problem, dass man „aufgeräumte“
Landschaften hat, also dass zum Beispiel abgestorbenes Holz nicht mehr
liegen gelassen wird?
Genau, Wildbienen nisten teilweise im Bodenbereich. Dieser Bereich muss
dann über längere Zeit ungestört bleiben, damit die Population übersteht.
Larven und Puppen, die sich aus den abgelegten Eiern entwickeln, überstehen
den Winter im Boden und schlüpfen im nächsten Frühjahr. Wenn die Population
auf einer Fläche siedelt, die im Herbst umgebrochen wird, verschwindet sie.
Welche Probleme können wir durch das Verschwinden der Bienen bekommen?
So ein Szenario können wir uns nur errechnen, wir haben es ja Gott sei Dank
nicht. Wenn die Honigbiene oder die Bestäuberinsekten insgesamt fehlen
würden, geht man davon aus, dass uns ein Drittel der Nahrung fehlt. Man mag
jetzt vielleicht denken, zwei Drittel reichen auch. Es kommt aber darauf
an, welche Nahrungsmittel fehlen – das sind nämlich die Früchte – nicht n…
Obst im engeren Sinne, sondern auch Ölfrüchte – und teilweise Gemüsesorten.
Also die Lebensmittel, die uns die Vitamine bringen, die wir selber nicht
produzieren können.
Wie sinnvoll ist das Urban Beekeeping, also das Halten von Bienen in der
Stadt?
Das Urban Beekeeping ist nichts Neues, es gibt Fotos aus den 1930er-Jahren,
die die Bienenhaltung in Berlin zeigen. In den vergangenen Jahren gab es
aber einen enormen Hype. Dies ist eine erfreuliche Entwicklung. Gleichwohl
muss sich jeder seiner Verantwortung bewusst sein. Man hat es mit einem
Tier zu tun, um das man sich wirklich kümmern muss. Es ist nicht einfach,
festzustellen, wie gut es den Bienen geht. Man muss sich vernünftig
fortbilden, sodass man weiß, wie man mit diesem Tier umzugehen hat. Auch
die Varroamilbe muss konsequent bekämpft werden. Wer das nicht macht,
handelt grob fahrlässig, weil er schlussendlich damit auch eine Gefährdung
für andere Bienenvölker verursacht.
8 Jul 2017
## AUTOREN
Jördis Früchtenicht
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