# taz.de -- Berliner Szenen: Schreck auf der Terrasse | |
> Der Nachbar | |
Tagsüber war es sehr heiß gewesen, am Abend kühlte es ab und dann kam das | |
angekündigte Gewitter. Der Himmel öffnete sich und wahre Wassermassen | |
stürzten hinab, begleitet von Blitz, Donner und Sturm. Ein faszinierendes | |
Schauspiel. Plötzlich fiel mir die Plastikdecke auf dem Tisch auf der | |
Gemeinschaftsterrasse ein, die meine Nachbarin erst kürzlich gekauft hatte, | |
rot mit weißen Punkten. Möglicherweise hatte der Sturm sie schon | |
hinweggetragen. | |
Mit Plastiksandalen an den Füßen stieg ich zur Terrasse hoch. Die schwere | |
Eisentür stand einen Spalt offen und ich vermutete, dass die Naturgewalten | |
sie aufgedrückt hatten. Ohne wirklich hinzuschauen, griff ich mit der | |
rechten Hand nach der Türklinke und neigte den Oberkörper nach vorn, um vor | |
dem Regen in Deckung zu gehen. In Gedanken zählte ich die Schritte, die ich | |
brauchen würde. In dem Moment, in dem ich den rechten Fuß auf die Terrasse | |
stellte und die Tür öffnete, bekam ich solch einen Schreck, dass ich laut | |
aufschrie, einen Sprung zurück machte und mir panisch ans Herz fasste. | |
Hinter der Tür stand unter dem schmalen Dachvorsprung, wo der Regen nicht | |
so hinpeitschte, eine lange und dunkle Gestalt, die von einem Glimmen | |
begleitet wurde. Es war ein Mieter aus dem Haus, den ich nicht kannte, der | |
mit einer Zigarette und einem Bier das Naturschauspiel genoss. Ich sprang | |
an ihm vorbei und riss die Decke vom Tisch. | |
Kaum hatte ich sie über das Treppengeländer gelegt, fasste ich mir noch | |
einmal ans Herz und stellte mich vor. „Ich bin Barbara“, sagte ich und | |
reichte ihm die Hand. „Isch bin Bertram“, entgegnete der Mann, der Franzose | |
war, und entschuldigte sich vielmals. Als wäre er noch immer der | |
leibhaftige Teufel, verschwand ich wieder in meiner Wohnung, wo sich mein | |
Herz langsam wieder beruhigte. | |
Barbara Bollwahn | |
7 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Barbara Bollwahn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |