# taz.de -- Kommt nicht in die Tüte! | |
> Verbrauch Seit der freiwilligen Abgabe auf Plastiktüten ist der Verbrauch | |
> um rund ein Drittel gesunken. Die Deutsche Umwelthilfe ist unzufrieden, | |
> aber Wissenschaftler meinen: Verpackungen spielen nur eine kleine Rolle | |
Bild: „My mind is like a plastic-bag“ | |
von Laura Weigele | |
BERLIN taz | 45 Plastiktüten verbraucht der Durchschnittsdeutsche pro Jahr. | |
2016 waren es noch 71. Seitdem die freiwillige Selbstverpflichtung | |
eingeführt wurde, ging der Verbrauch laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) | |
um etwa ein Drittel zurück. Unsere Recherchen bestätigen dies. Hierzu | |
wurden die 23 wichtigsten Unternehmen des Abkommens befragt. | |
Insgesamt sieben Unternehmen, unter ihnen Kik, Lidl, Mediamarkt und Rewe, | |
schafften die Plastiktüte ab. Sie geben seitdem nur Papier- und | |
Mehrwegtragetaschen heraus. Die restlichen 16 Unternehmen verlangen Geld | |
für die Plastiktüte, im Durchschnitt rund 18 Cent. C&A, Galeria Kaufhof, | |
Tchibo und Hugendubel verzeichneten mit weiteren fünf Betrieben einen | |
deutlichen Verkaufsrückgang der Plastiktüte. Dieser liegt im | |
Gesamtdurchschnitt bei etwa 61 Prozent. Fünf befragte Unternehmen, unter | |
ihnen H&M und dm, wollten keine Angaben zu den Abgabemengen machen. | |
Die freiwillige Selbstverpflichtung wurde am 1. Juli 2016 aufgrund einer | |
Richtlinie der Europäischen Union eingeführt. Ab 2020 soll der | |
Pro-Kopf-Verbrauch bei 90 Tüten jährlich liegen, ab 2026 dann auf 40 | |
Plastiktüten pro Kopf pro Jahr gesenkt werden. Daher schloss | |
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) mit dem Handelsverband | |
Deutschland (HDE) die freiwillige Selbstverpflichtung ab. Demnach können | |
Unternehmen sich freiwillig bereit erklären, Geld für Plastiktüten zu | |
verlangen. Die Höhe der Abgabe kann das Unternehmen bestimmen. | |
„Es ging um das Ziel Reduktion und das haben wir erreicht, wir brauchen | |
kein Gesetz“, resümiert Stephan Gabriel Haufe, Pressesprecher des | |
Umweltministeriums. Zudem könne niemand sagen, ob sich eine gesetzliche | |
Abgabe wirklich lohne: Jemand müsse die Gelder eintreiben und | |
kontrollieren. Anders sieht das Thomas Fischer, Leiter des Bereichs | |
Kreislaufwirtschaft der DUH: „Das Ende der Plastiktüte wird wie Kaugummi in | |
die Länge gezogen. Der Hauptgrund für die positive Bilanz sind Supermärkte, | |
die die Plastiktüten aus dem Sortiment herausgenommen haben.“ Die DUH ist | |
mit dem Ergebnis nicht zufrieden und fordert weiterhin eine gesetzliche | |
Abgabe. | |
Christina Dornack, Professorin an der Technischen Universität Dresden, | |
bewertet die Wirkung der freiwilligen Abgabe positiv, jedoch findet sie die | |
40 Tüten des EU-Ziels noch zu viel. Statt einer gesetzlichen Abgabe | |
empfiehlt sie, Anreizsysteme im Recyclingprozess zu schaffen. | |
Primärrohstoffe, also natürliche Ressourcen, sind in der Produktion teurer | |
als Sekundärrohstoffe, die durch das Recycling von Primärrohstoffen | |
gewonnen werden. „Durch eine Steuer auf Primärrohstoffe und eine | |
Steuerbefreiung von Sekundärrohstoffen könnten primäre Rohstoffe eingespart | |
und die Nutzung von sekundären Rohstoffen ausgebaut werden“, so Dornack. | |
Albert Fritze, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen | |
Universität Berlin, sieht es problematisch, dass viele Verbraucher auf | |
Papiertüten umsteigen. Diese sind in der Bilanz noch schlechter als eine | |
Plastiktüte, da mehr Chemikalien und Materialien zur Herstellung eingesetzt | |
werden. Als umweltfreundliche Alternative gelten Mehrwegtragetaschen. Aber: | |
„Kunststoffverpackungen machten 2010 nur 1,5 Prozent des deutschen | |
Erdölverbrauchs aus“, so Fritze. Den größten Anteil beanspruchten mit 87 | |
Prozent Energie, Heizung und Verkehr. Somit spiele die Plastiktüte kaum | |
eine Rolle. Auch Dornack bestätigt dies: „Kunststoffe sind sehr präsent in | |
unserem Alltag, aber Länder in Afrika haben deutlich größere Probleme als | |
wir.“ Dennoch sollte sich Deutschland als Vorbild sehen und seinen | |
Plastiktütenverbrauch weiter reduzieren. Fritze findet die Debatte | |
sinnvoll, um die Verbraucher zu sensibilisieren: „Wichtig ist es, die Tüten | |
richtig zu entsorgen.“ | |
30 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Laura Weigele | |
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