# taz.de -- Hubraum und Erfahrung | |
> U21-EM Italienische junge Männer schlagen deutsche junge Männer mit 1:0. | |
> Für beide bedeutet das: Einzug ins EM-Halbfinale | |
Bild: Klassiker: Ball im Netz, das deutsche Tor zählt aber nicht. Am Ende jube… | |
Haben Erfahrung und Hubraum etwas miteinander gemeinsam? Hubraum, so | |
erklärte es früher jeder Kfz-Ingenieur, sei durch nichts zu ersetzen – | |
allenfalls durch noch mehr Hubraum. | |
Ähnlich hält es Stefan Kuntz, wenn es um eine maßgebliche Kategorie des | |
Fußballs geht. Wenn man dem Trainer der deutschen U21-Nationalmannschaft | |
zuhört, kann man schnell auf die Idee kommen: Erfahrung ist durch nichts zu | |
ersetzen. Allenfalls durch noch mehr Erfahrung. | |
„Das war wichtig, dass die Jungs hier diese Erfahrung machen“, so Kuntz | |
nach dem 0:1 gegen Italien, das aufgrund des komplizierten Modus den Einzug | |
ins Halbfinale bedeutet. Denn von den drei Gruppenzweiten ist Deutschland | |
der beste und komplettiert damit die Runde der letzten vier. Es war, nach | |
zwei sehr ordentlichen Spielen gegen Tschechien und Dänemark, gewiss kein | |
guter Auftritt der Deutschen, ja eher einer, der nahelegen könnte, dass am | |
Dienstag in Tychy gegen die Engländer das Turnier ein Ende findet. | |
Italien zeigte auf, wie anfällig die Mannschaft ist – weswegen sich die | |
Deutschen gern auf die Aussagekraft der Zahlen beriefen: „Wir haben unser | |
erstes Ziel erreicht – wir sind unter den vier besten Teams des Turniers“. | |
Diesen Satz sagten Max Meyer, Stefan Kuntz und auch Davie Selke. Kuntz hält | |
den Modus, wonach der beste Gruppenzweite weiterkommt, nicht für ideal, und | |
den Fußballkennern im DFB dürfte ebenso kaum entgangen sein, dass es mit | |
den brillanten Portugiesen ein extrem spielstarkes Team anstelle der | |
Deutschen erwischte.Das mag der Grund dafür gewesen sein, dass so etwas wie | |
Jubel nach dem Abpfiff kaum aufkam. Es war vor allem die Erleichterung | |
darüber, dem Gau entgangen zu sein, die aus ihnen sprach. Im Grunde haben | |
sie das Klassenziel zwar erreicht, in der letzten Prüfung aber große | |
Defizite erkennen lassen. Sie kamen nicht damit zurecht, einen Rückstand zu | |
drehen. Die von Kuntz so oft beschworene mentale Stärke dieser fast | |
durchweg mit Bundesligaspielern besetzten Mannschaft war allenfalls zu | |
Beginn vorhanden. „Wir haben es hinten heraus gut runtergespielt“, sagte | |
der Neu-Berliner Davie Selke. Da zuckte mancher innerlich zusammen. Gut | |
runtergespielt? Mitunter glich der Auftritt der Deutschen doch eher einem | |
Taumeln.Am Ende hatten die Älteren unter den Zuschauern den Eindruck, dass | |
ein Hauch von Gijon durchs Stadion wehte. Damals, bei der Weltmeisterschaft | |
1982 in Spanien, schlossen Deutsche und Österreicher nach einer frühen | |
1:0-Führung durch Horst Hrubesch einen Nichtangriffspakt und kegelten so | |
Algerien aus dem Turnier. Den Ehrgeiz, Deutschland rauszuwerfen, hatten | |
Italiens Junioren offenbar nicht mehr, obwohl ein Treffer vor allem in der | |
zweiten Hälfte immer möglich schien. | |
War das also der hoch gelobte deutsche Nachwuchs? Serge Gnabry, der | |
Außenstürmer mit Chef-Attitüde, war kaum zu sehen, als designierter Leader | |
quittierte er den Dienst. Anders die Italiener mit dem aggressiven und sehr | |
robusten Mittelstürmer Federico Bernardeschi, der das einzige Tor des | |
Spiels erzielte. | |
Gianluigi Donnarumma, Italiens 18-jähriger Wunderknabe im Tor, musste so | |
gut wie nie eingreifen. Und doch hatte das Spiel einen Gewinner im | |
Deutschen Team: Torwart Julian Pollersbeck. Der hielt ordentlich, aber er | |
ging auch mit einer Trophäe nach Hause: dem Trikot Donnarummas. Nicht der | |
Lauterer, sondern der von Pollersbeck extrem geschätzte Milan-Profi | |
Donnarumma („sensationell“) hatte die Idee zum Trikottausch: „Ich wollte | |
nicht als erster danach fragen. Der weiß bestimmt gar nicht, wer ich bin.“ | |
Stefan Osterhaus | |
26 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Stefan Osterhaus | |
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