# taz.de -- taz. thema : Offen für Unterschiede | |
> Brückenbau Die Welt scheint im Krisenmodus gefangen zu sein. Mediation | |
> kann aktuelle gesellschaftliche Konflikte lösen und Missverständnisse | |
> ausräumen – auch interkulturell | |
Bild: Grundvoraussetzung für Mediation ist eine Haltung, die Offenheit mit Int… | |
Von Volker Engels | |
Weltweit verlassen Menschen ihre Heimat, um sich vor Krieg und Verfolgung | |
in Sicherheit zu bringen oder eine neue Existenz aufzubauen. Mit Folgen für | |
die Länder, die Geflüchtete oder Arbeitsuchende aufnehmen: „Der Bedarf an | |
interkultureller Mediation wird in der Zukunft steigen“, zeigt sich Gernot | |
Barth, Direktor der Leipziger Akademie für Mediation, Soziales und Recht, | |
überzeugt. Die deutsche Gesellschaft habe verglichen mit vielen anderen | |
europäischen Staaten „wenig Erfahrung“ mit Zuwanderern. Zwar seien in den | |
1960er und 1970er Jahren viele Arbeitsemigranten in die Bundesrepublik | |
gekommen. „Die meisten haben sich in der Regel sehr schnell angepasst und | |
wollten alle deutsch sein“, so Barth weiter. | |
„Viele Geflüchtete, die aus dem arabischen Raum zu uns kommen, haben ein | |
anderes Konfliktverhalten, als es in Deutschland üblich ist“, sagt | |
Mediatorin Sosan Azad. Sie schult unter anderem Fachberater für Integration | |
und Migration, Behördenmitarbeiter, Polizisten oder Mitarbeiter in | |
Flüchtlingsunterkünften. Bei Streitigkeiten werde „viel Emotionalität | |
gezeigt“, die „im europäischen Kontext schnell beängstigend und aggressiv | |
rüberkommt“, hat die Geschäftsführerin von „Streitentknoten“ (Büro f�… | |
Mediation und interkulturelle Kommunikation) beobachtet. „Wenn es zum | |
Beispiel im arabischen Raum in Parlamenten zwischen Abgeordneten | |
handgreiflich zugeht, ist das Leben noch nicht zu Ende.“ Dagegen würde in | |
Deutschland körperliche Gewalt die politische Karriere wohl schnell | |
erledigen. | |
Gegenseitiges Verstehen, so die Mediatorin und Sozialpädagogin mit | |
afghanischen Wurzeln, sei eine wesentliche Voraussetzung dafür, kulturell | |
bedingte Konflikte in den Griff zu bekommen. „In Deutschland setzen sich | |
die Menschen an einen Tisch, um die Konflikte sachlich zu besprechen und | |
die Ergebnisse in einem gut formulierten Protokoll zusammenzufassen.“ Bei | |
Menschen aus anderen Kulturen gehe es häufig erst einmal darum, im Vorfeld | |
eine „Verhandlungsfähigkeit herzustellen“, bevor man sich zusammensetzen | |
könne. Eine schriftliche Vereinbarung am Ende des Mediationsprozesses sei | |
für Deutsche selbstverständlich, in der afghanischen Kultur zähle vor allem | |
das Wort und nicht die schriftliche Vereinbarung. „Was für die einen die | |
Lösung ist, ist für manche aus einer anderen Kultur das neue Problem.“ | |
Um das Miteinander vielfältiger Kulturen zu erleichtern, sei es wichtig, | |
die eigene Kultur zu verstehen und zu reflektieren: „Man muss begreifen, | |
auf welchen Werten und Konfliktstrategien das eigene Handeln basiert.“ Denn | |
hinter dem Begriff der Pünktlichkeit stecke eben nicht nur ein Verhalten, | |
sondern Werte und Motive. Eine Einschätzung, die auch Gernot Barth teilt. | |
„Wir müssen klarmachen, wer wir sind und wo wir stehen.“ Genauso wichtig | |
sei es, „die anderen kennen zu lernen und zu verstehen“. Darüber hinaus | |
müsse man sich kulturelle Stereotype anschauen: Was zum Beispiel macht | |
„den“ Deutschen, „den“ Russen oder „den“ Afghanen aus, fragt er Tei… | |
in seinen Seminaren. | |
„Mediatoren sollten für die eigenen kulturellen Werte und Normen | |
sensibilisiert sein“, unterstreicht Steffen Kanis. Interkulturelle | |
Mediation hält er„für ein Querschnittsthema, das immer mitgedacht werden | |
sollte“. In der Mediation müssten kulturelle Unterschiede benannt werden, | |
sofern sie für die Konfliktlösung relevant seien. Aber nicht jeder Konflikt | |
von Menschen aus unterschiedlichen Ländern sei ein kultureller. „Konflikte | |
in einer deutsch-türkischen Ehe etwa müssen nicht auf kulturellen | |
Differenzen basieren.“ Mediatoren sollten aber im Beratungsprozess in der | |
Lage sein, „an der richtigen Stelle die richtigen Fragen zu stellen“. | |
Grundvoraussetzung für Mediatoren sei eine „Haltung“, die Offenheit mit | |
Interesse für den anderen verbindet“. Dazu gehöre „die Bereitschaft, sich | |
auf fremde Lebenswelten und Lebensentwürfe einzulassen und daraus | |
resultierende Verhaltensweisen nicht abzuwerten“. „Unterschiede sind die | |
Regel und nicht die Ausnahme.“ | |
Der Berliner Mediator und Politologe hat im Mediationsprozess auch die | |
Frage nach der Machtverteilung der Beteiligten Blick: „Man darf nicht | |
vergessen, dass es Menschen mit Migrationshintergrund im Alltag oft mit | |
latenten Diskriminierungserfahrungen zu tun haben.“ Gesellschaftlich | |
bedingte Ungleichheiten können in den Konflikt mit hineinspielen und | |
Benachteiligungen für die Konfliktparteien zur Folge haben. Dieser | |
gesellschaftliche Status könne in der Mediation eine große Rolle spielen. | |
www.ikome.de | |
www.streitknoten.de | |
www.meddiv.de | |
17 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Volker Engels | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |