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# taz.de -- Berliner Szenen: Demonstrieren und Lesen |
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> Auf Asphalt |
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Es ist Samstagmittag. High Noon am Leopoldplatz im Wedding, Demo gegen den |
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Aufmarsch der Identitären. Die Schulstraße ist proppenvoll, |
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Festivalstimmung. Niedliche Punks in Schmuddelhosen sind unter den |
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Demonstrierenden. Und viel Schwarz, of course, „Antifascista“-Rufe und |
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„Ehe, Küche, Vaterland – unsere Antwort: Widerstand!“. Die Sonne knallt … |
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Asphalt und Hirn. Langsam schieben wir durch den Wedding. Fenster werden |
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geöffnet, ein paar Typen rufen herunter: „Hartz vier! Hartz vier!“ Ich |
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denke, wegen euch sind wir hier, Mann, aber dann sind wir schon vorbei. In |
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einem Imbiss kaufe ich Baklava und Wasser und reihe mich wieder ein. |
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Die Demo kommt vor der Bernauer zum Stehen, blockiert durch drei |
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Polizeiwannen. Es gibt einen kurzen Tumult, ein paar Adrenalinfans |
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durchbrechen die Absperrung links. Ich denke an eine Büffelherde, an der |
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seitlich Löwen schmausen. Am Ende spielen sie Ton Steine Scherben, und eine |
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Anwohnerin zittert vor Wut, weil ihr Auto durch die Demonstranten blockiert |
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ist. Sie wollten doch zum Geburtstag und waren extra noch bei Lidl! |
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Ich muss jetzt dringend nach Wilmersdorf, da lese ich in einer Buchhandlung |
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am Rüdesheimer Platz. Angekommen, erst mal ins öffentliche, hübsch |
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grünspanige Klohäuschen. Drinnen warten blütenweißes Toilettenpapier und |
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eine Klobürste. In der Buchhandlung lauschen mir zwanzig geschrubbte, |
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gekämmte und äußert eloquente Kinder, die meisten kaufen mein Buch. Danach |
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noch auf ein fettes Eis ins Café nebenan. Ich lausche dem Gespräch zweier |
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Damen, die nach teurer Gesichtspflege aussehen. „Seit acht Uhr morgens hab |
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ich die Maler im Haus!“, sagt die eine. „Mensch, du bist so eine |
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Macherin!“, sagt die andere. |
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Ich schlecke mein Eis auf und fahr zurück in den Wedding. |
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Kirsten Reinhardt |
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20 Jun 2017 |
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## AUTOREN |
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Kirsten Reinhardt |
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