# taz.de -- Sag dem Diesel leise Servus | |
> Zukunft des Verkehrs Warum der Ausstieg von Volvo aus der Dieseltechnik | |
> die deutschen Autobauer mehr beunruhigt als die Beschlüsse der Grünen | |
von Martin Unfried | |
Natürlich werden die anderen Parteien das im Bundestagswahlkampf genüsslich | |
ausschlachten: Typisch Ökodiktatur! Die Grünen wollen uns die Autos | |
verbieten! Dabei müssten sie nur erklären, dass es einen großen Unterschied | |
zwischen einem Verbot und einem Zulassungsende gibt. Geht es nach der | |
grünen Bundespartei, dann sollen nämlich 2030 keine Benzin- und | |
Dieselmotoren in Pkws mehr zugelassen werden. Wer im Jahre 2029 kauft, darf | |
seinen Diesel natürlich noch fahren. Deshalb hört sich der grüne Beschluss | |
radikaler an, als er ist. | |
Mit Blick auf die klimapolitischen Ziele der jetzigen Bundesregierung wäre | |
dieser sogar einleuchtend. Im Moment weiß von der Politik bis in die | |
Wissenschaft niemand so richtig, wie die Dekarbonisierung der Autoantriebe | |
zwischen 2030 und 2050 funktionieren soll. | |
Auch Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann merkt man an, | |
dass auch ein Grüner in einem Land der automobilen Arbeitsplätze auf Eiern | |
laufen muss. In einem Interview sagte er kürzlich noch, die Autobranche | |
müsse sich bis 2040 vom Verbrennungsmotor verabschieden. Das Jahrzehnt | |
zwischen 2030 und 2040 sei entscheidend bei der Umstellung auf | |
klimaneutrale Mobilität. | |
## Jobs sind das falsche Argument | |
2040? Hatte der Bundesrat Anfang des Jahres nicht sogar bereits | |
mehrheitlich befunden, es wäre wünschenswert, wenn bereits 2030 kein | |
Verbrenner mehr zugelassen würde? Die schwäbisch-grüne Bescheidenheit | |
scheint auf den ersten Blick Realpolitik in einem Land, in dem | |
Zehntausende Arbeitsplätze bei Daimler, Bosch oder Mahle von der | |
Dieselproduktion abhängen. Sichert eine längere Übergangspahse also | |
Arbeitsplätze? Nicht unbedingt. | |
Ein Verzicht auf eine deutliche Ansage für 2030 ist industriepolitisch | |
fragwürdig. Wie im Fall des Dieselskandals gerade erlebt, ermutigte | |
staatliches Laisser-faire zu Fehlinvestitionen und gar Manipulationen. Und | |
darunter leiden nicht nur beispielsweise die feinstaubgeplagten Stuttgarter | |
Kinder, sondern gerade die überzeugten Dieselfahrer. Denen drohen | |
Fahrverbote, und selbst relativ neue Fahrzeuge werden finanziell entwertet, | |
weil die Politik trotz offensichtlicher Probleme mit der Luftreinhaltung | |
jahrelang der Industrie entgegenkam. Das sollte sich im Klimaschutz nicht | |
wiederholen. | |
Unbestritten ist: Um 2050 tatsächlich die in Paris vereinbarte | |
Dekarbonisierung zu schaffen, muss insbesondere auch der Autoverkehr | |
CO2-frei werden. Das heißt in jedem Fall Elektrifizierung mit Batterie und | |
erneuerbarem Strom oder später vielleicht mit erneuerbarem Wasserstoff. | |
Werden zwischen 2030 und 2040 noch viele Verbrenner zugelassen, scheitert | |
der Klimaschutz kläglich. Entscheidend ist nämlich die Frage, wie lange es | |
dauert, um die gesamte fossile Fahrzeugflotte auszutauschen. | |
Zwei Nachrichten der letzten Wochen scheinen sich in dieser Hinsicht zu | |
widersprechen: Die Bundeskanzlerin gab zu, dass das Ziel, dass bis 2020 | |
eine Million Elektroautos fahren, nicht mehr zu erreichen sei. Die | |
Elektromobilität kommt in Deutschland, anders als in den Niederlanden oder | |
in Norwegen, nicht voran. | |
Die zweite Nachricht der letzten Wochen überrascht wesentlich mehr: Volvo | |
bereitet den Abschied vom Dieselmotor vor. Das wird insbesondere den | |
deutschen Herstellern nicht gefallen. Die Ansage von Volvo widerspricht | |
nämlich der bisher kommunizierten These, der Diesel sei nötig als | |
Übergangstechnologie ins Elektrozeitalter. Laut Volvo hat der Diesel | |
bereits mittelfristig keine Zukunft mehr. | |
Dagegen war der Übergang in den Augen von VW, Daimler oder BWM bisher | |
zeitlich sehr großzügig gedacht. VDA-Chef Matthias Wissmann gab jüngst zu | |
Protokoll, dass selbst Unternehmen mit sehr ambitionierten Elektrozielen | |
davon ausgingen, im Jahr 2030 noch zwei Drittel der Neuwagen mit | |
Verbrennungsmotoren ausstatten zu können – ein Zeugnis kollektiver | |
Verdrängung. Damit sind die nationalen und europäischen Klimaschutzziele | |
nicht zu halten. | |
Der Thinktank „Agora Verkehrswende“ weist mit einem Thesenpapier darauf | |
hin, dass auch die Hoffnung auf synthetische flüssige und gasförmige | |
Kraftstoffe (Power to Liquid, Power to Gas) zur Rettung des Verbrenners | |
trügerisch sei. Es ist nicht effizient, mit erneuerbaren Energien Strom zu | |
produzieren und ihn dann in Kraftstoffe umzuwandeln. Sinnvoll ist es, den | |
Strom direkt mit Batterie und Elektromotor zu nutzen. | |
## Zetsches Irrtum | |
Volvo hat verstanden: Die teure Abgasbehandlung wird zusätzlich zum | |
finanziellen Ausschlusskriterium. Das eigentliche unternehmerische Problem | |
ist dabei das Fehlen von Investitionssicherheit: Daimler-Chef Dieter | |
Zetsche erklärte vor seinen Aktionären, niemand könne heute mit Gewissheit | |
sagen, wann sich Elektroautos am Markt durchsetzen – schon deshalb seien | |
effiziente Verbrenner in der Übergangszeit ein wesentlicher Teil der | |
Lösung. Soll heißen: Ohne gesetzliche Regelung für 2030 und entsprechende | |
Zwischenziele werden viele Hersteller lieber noch zweigleisig fahren, aus | |
Furcht vor dem kurzfristigen Verlust von Marktanteilen. | |
Am Ende könnten aber gerade die deutschen Autobauer auf ihren Investitionen | |
sitzen bleiben. Dass man mit halber elektrischer Kraft gegen Tesla und die | |
Chinesen bestehen kann, ist industriepolitisch fragwürdig. Volvo hingegen | |
will Fehlinvestitionen vermeiden und sagt: Der Diesel sei zwar bis 2020 | |
noch wichtig wegen der CO2-Flottenverbräuche. Danach werde die | |
Abgasbehandlung aufgrund der strengeren Normen allerdings zu teuer. | |
Die Theorie vom Diesel als mittelfristige Übergangstechnologie ist damit | |
gestorben. Eher sollten Investitionen in neue Dieseltechnologien bereits | |
in wenigen Jahren eingestellt werden. Der Investitionsstopp für die | |
Entwicklung von Benzinmotoren muss dann rasch folgen. | |
Paradoxerweise sichert eine schnellere Elektrifizierung auch den Bestand | |
der Flotte von Diesel und Benzinern über 2020 und 2030 hinaus. Fahrverbote | |
zur Luftreinhaltung und wegen CO2-Emissionen werden dann seltener nötig. | |
Das sollte wiederum Winfried Kretschmann freuen, der noch aktuell der taz | |
mitteilte, er habe privat einen neuen Diesel gekauft. | |
20 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Martin Unfried | |
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