# taz.de -- nord.thema: Mit Ohrenschutz statt Dosenbier | |
> Draußen Feiern Jahr für Jahr sprießen neue Festivals auf dem platten | |
> Land. Da die richtige Wahl zu treffen, ist mit einem Blick aufs Line-up | |
> nicht getan – gerade wer seine Kinder dabei hat, muss schon etwas genauer | |
> hingucken | |
Bild: Geht eben auch mit Kind: Sommer, Sonne, Festival | |
von Sebastian Krüger | |
Die Festivalsaison ist in vollem Gange. Im Norden haben MusikliebhaberInnen | |
zahlreiche Möglichkeiten, ihr Zelt aufzuschlagen und Dosenbier aus | |
Trichtern zu genießen. Doch mit den Zeiten ändern sich auch die | |
BesucherInnen. Stammgäste, die seit Jahren ihrem Festival die Treue | |
schwören, erscheinen eines Tages mit Familie. Früher wurde das Auto mit der | |
maximalen Menge an Bier und Ravioli beladen wie in einem Tetris-Spiel, | |
heute stehen Windeln und Babybrei auf der Packliste. Wer nun aber Kinder | |
hat und nicht aufs Lieblingsfestival verzichten möchte kann da auf einige | |
Probleme stoßen: Lärm, Dreck, Stress, fehlende Wickeltische und mangelnde | |
Angebote für Kinder. Wie kindergeeignet sind die Festivals in der Region? | |
„A Summer’s Tale“ im Landkreis Harburg sticht aus dem üblichen Festivals | |
heraus. Bewusst familienfreundlich werben die VeranstalterInnen neben | |
Konzerten, Lesungen, Filmen und Performance mit großem Kinderprogramm: | |
Plattdeutsch für die Kleinen, Familienyoga, Musik, Theater, Tanz, Basteln | |
und vieles mehr. Die OrganisatorInnen haben sich von Beginn an als eine | |
Alternative zu den üblichen Festivals verstanden. „Wenn man Besucher in | |
einem gewissen Alter ansprechen möchte, dann muss man einfach mitdenken, | |
dass diese vielleicht bereits eine Familie haben“, sagt Sina Klimach vom | |
Veranstalter FKP Scorpio. Der Grundgedanke eines Festivals sei ja durchaus | |
für Groß und Klein gleichermaßen passend: „Ein paar Tage draußen zelten u… | |
eine gute Zeit gemeinsam haben – mit tollem Bühnenprogramm“, findet sie. | |
Die Reaktionen seien positiv, auch wenn natürlich nicht alle mit Kind | |
kommen. „Letztes Jahr betrug der Familienanteil etwa 20 Prozent“, so | |
Klimach. „A Summer’s Tale“ gibt es seit 2015. „Ein so familienfreundlic… | |
Festival gab es bis dato kaum“, sagt sie. | |
Auch zum Ackerfestival bei Pinneberg kommen Familien mit Kindern. „Das wird | |
sogar immer mehr“, sagte Birte Ganser vom Ackerfestival e. V. Kinder unter | |
12 haben dort freien Eintritt. Dadurch sei besonders tagsüber das Publikum | |
vor der Bühne bunt gemischt. „Das Gelände ist einfach schön und bietet gute | |
Rückzugsmöglichkeiten“, findet sie. Am hinteren Ende gibt es einen kleinen | |
Hügel und das gesamte Gelände befindet sich auf einer Wiese. „Es ist also | |
keine Schlammschlacht wie in Wacken“, lacht Ganser. „Etwa die Hälfte aller | |
Besucher schlafen nicht im Campingbereich, sondern fahren Abends nach | |
Hause.“ Ein Shuttlebus fährt vom Gelände zum Bahnhof Pinneberg. Viele | |
Besucher kämen eh aus der Gegend, so Ganser. Eine Möglichkeit zum Wickeln | |
bietet das Ackerfestival auch. Überhaupt sieht sie kein Problem darin, mit | |
Kindern auf ein Festival zu gehen. „Gehörschutz ist natürlich ein Muss“, | |
betont sie. Aber wer darauf achtet, solle seinen Nachwuchs ruhig mitnehmen. | |
„Es ist doch Quatsch, dass man plötzlich auf Festivals verzichten muss, nur | |
weil man Kinder hat“, findet Ganser. | |
David Binnewies vom „Appletree Garden“-Festival in Diepholz sieht das etwas | |
anders. „Es ist ein zweischneidiges Schwert“, sagt er. „Bei uns waren sch… | |
immer viele Kinder“, so Binnewies. „Appletree Garden“ sei von Beginn an e… | |
eher familiäres Festival gewesen. Und das, obwohl die VeranstalterInnen | |
kein spezielles Kinderprogramm anbieten. „Wir sehen Kinderbelustigung nicht | |
als unsere Aufgabe“, sagt er, „es ist einfach nicht der richtige Ort für | |
Kinder.“ Es gibt dort eine sehr hohe Lärmbelastung und eine relativ dichte | |
Besuchermasse. Eine kindergerechte Umgebung ist das für ihn nicht. „Man | |
kann es Eltern natürlich nicht untersagen“, so Binnewies. Daher hätten sie | |
immer kindergerechten Lärmschutz in großer Zahl vor Ort. „Einen | |
Sechsjährigen nachmittags für ein paar Stunden mitzunehmen geht wohl“, sagt | |
er. „Ich weiß aber nicht, ich mein Kind mit aufs ‚Hurricane‘ nehmen wür… | |
überlegt Binnewies. Das Publikum auf dem „Appletree Garden“ sei weniger | |
alkoholisiert als auf anderen Festivals. „Und bei großen Festivals kann ein | |
Kind auch schneller mal verloren gehen als auf kleineren“, sagt er. | |
Das Summertime-Festival in Wolfenbüttel unterscheidet sich von anderen | |
Festivals, da es nur an einem Samstag stattfindet und um Mitternacht endet. | |
Für Susanne Sobottke vom Veranstaltungsteam ist das gerade für Familien | |
praktisch. „Das aufwendige an mehrtägigen Festivals ist ja meist das | |
Camping“, sagt sie. Dabei auch für Kinder an alles zu denken und es so zu | |
gestalten, dass die Kinder sich wohlfühlen, stellt sie sich sehr schwierig | |
vor. „Risiken sehe ich vor allem aufgrund von übermäßigem Alkoholkonsum, | |
Lärm und Gedränge“, sagt sie. Grundsätzlich denkt sie aber, dass kleinere | |
Festivals für Familien unkomplizierter sind als sehr große. Außerdem habe | |
es bisher keine Zwischenfälle bei ihnen gegeben, betont Sobottke. Da das | |
Festival in einem Park stattfindet, können Eltern ihre Kinder problemlos | |
auf einer Decke wickeln. Wer das nicht möchte, kann sich an die Information | |
wenden und ein anliegendes Gebäude dazu nutzen, sagt sie. Das | |
Summertime-Festival findet am 10. Juni statt. Wer es dieses Wochenende | |
nicht mehr schafft, ist vielleicht nächstes Mal dabei. Kinder bis 12 müssen | |
beim Summertime-Festival keinen Eintritt zahlen. | |
„Wutzrock“ in Hamburg ist seit 1979 eines der ältesten | |
Umsonst-und-draußen-Festivals. Die VeranstalterInnen weisen auf das große | |
Kinderangebot hin. Das Kinderfest läuft tagsüber parallel zum übrigen | |
Festivalbetrieb und erfreut sich großer Beliebtheit. Die Kleinen können | |
dort unter anderem Malen, Basteln, Schminken, Rutschen und auf der Hüpfburg | |
spielen. Allerdings wird betont, dass das Kinderfest keine | |
Aufbewahrungsstation für Kinder ist. Eltern müssen auf ihre Kinder trotz | |
Bespaßung immer noch selbst aufpassen. | |
10 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Krüger | |
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